Kapitel 19

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Mein Magen knurrt und mein Kopf tut weh.

Mein Körper scheint einfach so unfassbar schwer zu sein als läge ein Auto auf mir.

Langsam versuche ich mich aufzusetzen, doch ich scheitere kläglich. Bei jeder kleinen Bewegung dreht sich mein Schädel als hätte ich viel zu viel getrunken.

Langsam öffne ich die Augen und sehe an die weiße Decke.

Ein leichter Lichtschein dringt durch das Fenster hinter mir, der auf einen Sonnenauf- oder Sonnenuntergang hindeutet, der ein goldenes Licht in mein Zimmer wirft.

„Hilfe", krächze ich und meine Stimme bricht weg.

Wie lange habe ich nichts getrunken, dass ich so klinge?

Ich räuspere mich.

„Hilfe!", rufe ich nun lauter.

Meine Kehle brennt wie Feuer, aber ich kann hier nicht einfach liegenbleiben. „Tess!"

Ich höre schnelle Schritte und Erleichterung durchflutet mich.

„Izzy?", fragt Tess als sie die Tür öffnet und ich grinse ihr entgegen, „Du bist wach!"

Der geschockte Ausdruck auf ihrem Gesicht lässt mich innehalten.

Wie lange liege ich hier schon?

„Ich bringe dir was zu trinken!", ruft sie, dann ist sie schon weg.

Ein paar Momente passiert gar nichts und irgendwie habe ich Angst, dass sie gegangen ist.

Wo kommt nur dieses Misstrauen her? Sie ist meine beste Freundin, natürlich kommt sie zurück!

Keine fünf Sekunden später betritt sie wieder mein Zimmer und steckt ungefragt einen Strohhalm zwischen meine Lippen.

Verwirrt sehe ich sie an, doch dann beginne ich zu trinken.

„Du bist wohl immer noch nicht ganz wieder auf dem Damm", seufzt sie und streicht mir sanft eine Strähne aus den Augen, „Du hast mir ganz schön Angst gemacht."

Ich habe mir auch selbst ziemlich Angst gemacht, will ich antworten, doch ich trinke brav weiter mein Wasser.

Endlich spüre ich, dass mein Hals sich ein wenig beruhigt und meine Zunge nicht mehr ganz so trocken ist. Als das Glas dann endlich leer ist, fühle ich mich um einiges besser.

Sanft nimmt Tess das Glas weg und stellt es auf meinen Nachttisch.

„Danke", sage ich und sie lächelt mich sanft an.

„Wie lange habe ich geschlafen?", frage ich.

Tess zuckt ein wenig zusammen, dann sieht sie schnell auf den Boden.

„Tess, bitte", sage ich, doch sie sieht nicht auf.

„Etwa drei Tage", antwortet sie schließlich dem Boden.

Drei Tage.

Drei gottverdammte Tage, in denen ich hier rumlag und nichts tun konnte.

Ich habe drei Tage meines Lebens einfach so verschenkt, mal wieder.

„Besser als letztes Mal", antworte ich sarkastisch.

Ich höre sogar selbst den verbitterten Ton aus meiner Stimme.

Mal wieder wurde mir gezeigt, dass ich nicht gut genug bin, dass ich anders bin. Wäre ich ein Werwolf, dann wäre nichts passiert, doch als der Mensch, der ich bin, sterbe ich fast an diesem Biss.

Ich fühle mich schwach und unnütz.

„Wo ist er?", frage ich irgendwann in die betretene Stille.

„Wer?", fragt Tess zurück, doch ich bemerke ihr Zögern. Sie weiß genau, wen ich meine.

„Derek", antworte ich trotzdem und versuche ihren Blick aufzufangen, der jetzt nervös durch das Zimmer huscht.

Sie war noch nie besonders gut im Lügen.

Als sie mich dann doch fixiert und hart schluckt habe ich Angst vor ihrer Antwort.

Was ist wenn er abgehauen ist? Wenn er mich einfach so alleine gelassen hat? Oder wenn ihm etwas passiert ist?

Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und ich bin selbst darüber überrascht, dass ich ihn vermissen würde. Vielleicht empfinde ich ja doch mehr für ihn als ich bisher gedacht habe.

„Er ist bei Jace", antwortet sie dann und beißt nervös auf ihrer Unterlippe rum.

Ihre Augen strahlen mir dunkelblau entgegen und ich seufze.

„Wieso?", frage ich, doch die Anspannung fällt von mir ab. Warum sollte er auf bei Jace sein wenn nicht alles okay ist?

„Er hat sich ein paar Mal verwandelt", sagt sie dann, „Immer und immer wieder. Irgendwie kann er sich nicht mehr kontrollieren. Wir waren beide der Meinung, dass er möglichst weit weg von dir sollte, wenn er sich so wenig unter Kontrolle hat."

Überrascht sehe ich Tess an. Derek verliert nicht die Kontrolle, das hat er noch nie. Selbst als Kind hatte er so ein hohes Maß an Selbstkontrolle, dass er sich nicht bei Vollmond verwandelt hat, außer bei seiner ersten Verwandlung natürlich. Ich habe ihn ein paar Mal dabei beobachtet wie er sich fast vor Wut verwandelt hat, doch er hat sich immer wieder in den Griff bekommen.

„Und wieso ist er dann bei Jace?", frage ich überrascht. Die beiden hassen sich zwar nicht, aber von Freundschaft sind sie dennoch weit entfernt.

Allerdings habe ich Jace seit zwei Wochen nicht mehr gesehen und jetzt im Moment tut mir das unendlich leid.

Tolle Freundin bin ich.

„Jace, er-", kurz unterbricht sie sich bevor sie sich langsam durch das braune Haar streicht, „Er hat viel Platz, wenig Leute, etwas abseits underhatkeinProblemdamitihnanzuketten."

Sie redet so schnell, dass ich sie nicht verstehe.

Genervt schnaube ich. „Und jetzt nochmal in halber Geschwindigkeit."

Kurz habe ich Angst, dass sie sich jetzt über mich lustig macht und wie in Zeitlupe redet, doch das Thema scheint zu ernst zu sein, denn sie seufzt tief und wiederholt nur das Relevante. „Jace hat kein Problem damit Derek anzuketten."

„Was?", entfährt es mir und sofort zieht der Schmerz durch meinen gesamten Körper. Dummer Biss. Dummer schwacher Körper.

„Ganz ruhig!", ruft Tess und sieht mich aus großen Augen an, „Ihm geht es gut! Es ist nur zu seinem Besten!"

Zu seinem Besten? Dass ich nicht lache! Wem hat es jemals gutgetan angekettet zu sein?!

„Was noch?", frage ich als ich ein leichtes Blitzen in ihren Augen sehe. Sie verheimlicht mir also noch mehr.

„Wir schwächen ihn mit Eisenhut damit er sich nicht selbst verletzt."

Eisenhut?!

Schon in alten Mythen und Legenden steht, dass Eisenhut einen Werwolf verletzt oder sogar töten kann und auch in Okkultismus haben wir von der Pflanze erfahren. Ich kann mir die Schmerzen, die er gerade durchleidet vermutlich nicht einmal vorstellen. Und das alles nur wegen mir!

„Ich muss zu ihm", sage ich schnell bevor ich es mir anders überlegen kann.

„Du kannst nicht einmal aufstehen", erwidert Tess schnell, doch uns ist beiden klar, dass mich das nicht aufhalten wird.

Notorious Mate [Pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt