Kapitel 22

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Geschockt lasse ich mich von Tess nachhause ziehen.

Sie hat einen meiner Arme gepackt und zerrt an mir, sodass ich einen Fuß vor den anderen setzen muss.

Ich kann nicht alleine laufen, denn jede Sekunde muss ich an seine Verwandlung denken. Von jetzt auf gleich war er ein Wolf und hat meine beste Freundin angeknurrt.

Ich wusste, dass er es nicht mehr steuern kann, aber ich hätte nie erwartet, dass er so schnell ausrastet.

Ein einfacher dummer Scherz und er ist nicht mehr menschlich.

So habe ich ihn noch nie gesehen.

Aber woher kommt das?

Wieso verliert er ausgerechnet jetzt die Kontrolle?

Normalerweise verlieren Werwölfe die Kontrolle wenn sie extreme Gefühle empfinden.

Wenn sie Angst haben, wütend sind, traurig, angeekelt oder sogar erregt, dann verwandeln sie sich unkontrolliert. Normalerweise bringen Wölfe sich durch spezielles Training in den Griff und lernen sehr schnell sich nicht zwanghaft zu verwandeln.

Derek ist keinen Extremsituationen ausgesetzt und er sollte eigentlich auch keine so starken Gefühle empfinden. Zumindest nicht während er von allem abgeschottet in Jace' Keller sitzt.

„Jetzt komm endlich!", murmelt Tess genervt und zerrt wieder an meinem Arm.

Betäubt blinzle ich durch die Gegend und stelle fest, dass wir zuhause sind.

Wann ist das denn passiert?

Ich stolpere hinter Tess her durch die Tür, falle fast über den kleinen Glastisch und plumpse hart auf das Sofa.

Elegant war ich eben schon immer.

Plötzlich spüre ich Tess' Hände, die sanft über meinen Rücken streifen. „Es ist alles gut. Mach dir keine Sorgen. Alles okay. Hör nur auf zu weinen."

Weinen? Wa- was ist hier los?

Ein Schluchzen durchzuckt meinen kompletten Körper und meine Wangen sind ganz feucht.

Wie von außen sehe ich dabei zu, wie Tess meinen bibbernden Körper hält und mir beruhigende Worte zuflüstert, die alle gelogen sind.

Mein anderes Ich lässt sich langsam von meiner besten Freundin beruhigen, wischt sich die Tränen weg und lässt sich ein letztes Mal von Tess drücken.

„Wieso genau jetzt?", flüstert mein anderes Ich und sieht hoffnungsvoll zu Tess, als hätte sie alle Antworten.

Doch Tess hat nicht alle Antworten und sie schüttelt müde den Kopf. „Ich weiß es nicht, Süße. Wir können morgen Cathrin fragen gehen, aber für heute hast du definitiv genug erlebt."

Sanft zieht sie meinen leeren Körper hoch und schubst mich liebevoll zu meiner Schlafzimmertür.

Wie in Trance spüre ich die Klinke unter meinen Fingern und gehe in den Raum.

Ich schaffe es gerade mal bis zum Bett, dann breche ich zusammen.


Heute Morgen fühle ich mich schon ein wenig besser. Mein Bewusstsein hat wieder in meinen Körper gefunden und ich habe aufgehört zu weinen, aber dennoch fühle ich mich ausgelaugt.

Was ist gestern nur passiert? So eine kleine unkontrollierte Verwandlung sollte mich wirklich nicht so sehr aus der Fassung bringen!

Ich bin zu emotional, das ist mir klar, aber er ist wohl noch viel emotionaler. Sollten meine Gefühle noch mehr durchdrehen, haben wir bald einen schwächlichen Wolf, der grausam verendet, weil er nicht mal laufen kann.

Notorious Mate [Pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt