Notorious Mate [Pausiert]

Kapitel 32

Als ich ins Wohnzimmer zurückkomme warten die beiden Wölfe bereits auf mich. Müde zucke ich mit den Schultern und nicke dann zur Tür. Ohne ein Wort zu sagen, folgen sie mir und gehen mir nach bis zum Jim's.

Eigentlich habe ich keinen Hunger, allerdings muss ich mir noch überlegen, was ich ihnen sagen kann. Sie erwarten Antworten, schließlich kann man mir ansehen, dass etwas nicht stimmt, doch die Wahrheit kann ich auch nicht verraten.

Wir werden in eine der rustikalen Nischen gesetzt, wobei Derek und Tess mich zwischen sich nehmen. Meine Fluchtwege sind abgeschnitten, mein Schicksal leitet mich auf den unwiderruflichen Tod zu und jetzt ist nicht mal Jace da um mit mir Tequila zu trinken.

„Was hat sie gesagt?", fragt Tess sanft, doch ihre Stimme gleitet wie ein Bach über mein Bewusstsein und verursacht keine Wellen. Ich nehme wahr, dass sie spricht, doch ihre Worte wollen sich mir einfach nicht erschließen.

Ist eigentlich irgendetwas, das ich tue tatsächlich meine Entscheidung oder sind all meine Taten vorherbestimmt um Derek zu prüfen? Bin ich deshalb so schwach? Musste ich nur darum als Verstoßene leben und mich von dem Mann, der mich später lieben sollte, quälen lassen? Ist mein Leben eigentlich überhaupt irgendetwas wert? Ich existiere schließlich nur für ihn und für ihn allein.

Eine sanfte Berührung am Arm lässt mich hochschrecken, doch Tess' dunkelblaue Augen holen mich schlussendlich wieder ins Hier und Jetzt. Ich will nicht, dass sie sich solche Sorgen um mich machen muss, schließlich wird sie schon bald meinen Tod miterleben. Ich belaste die Menschen, die ich liebe, also schon mehr als genug. Noch mehr kann ich ihr nicht aufbürden. Niemals.

„Ich- Ich bin etwas geschockt", murmle ich und trete mich dafür im Geiste selbst. Man kann wohl sehen, dass ich nicht etwas geschockt bin, sondern dass meine ganze verdammte Welt in ihren Grundfesten erschüttert wurde.

„Was hat sie denn gesagt?", will Tess nun wissen und legt vogelartig ihren Kopf ein wenig auf die Seite, wodurch ihr ein paar Strähnen vor ihr Gesicht rutschen.

Nervös zuckt mein Blick zu Derek, doch er sieht mich nur kalt an. Seine Augen schillern zwischen dem gewohnten Schwarz und einem tiefen Dunkelblau, doch der Rest seines Gesichts ist verschlossen und maskenhaft. Ein heftiger Stich fährt in mein Herz, doch Schuldgefühle kann ich mir nicht leisten. Wenn ich damit auch noch beginne, mache ich mich vollkommen kaputt.

„Sie hat gesagt, dass sie versucht hat meine Verwandlung zu verhindern", behaupte ich und richte meinen Blick starr auf die hölzerne Tischplatte. Im Schatten des Tisches spiele ich nervös mit meinen Fingern, denn keiner der beiden darf die Wahrheit erfahren. Tess würde es innerlich zerstören und Derek wird geprüft und ich wette, wenn ich es ihm sagen würde, wäre mein mysteriöses Alter Ego bereit uns beide zu töten. Das ist es mir schlicht nicht wert.

„Wie das?", ruft Tess verblüfft aus und die Entrüstung auf ihrem Gesicht spiegelt gut meine eigenen Emotionen wieder. Wir können es also beide nicht fassen.

„Die Kette hat meinen wölfischen Anteil unterdrückt und angegriffen." Das ist nicht mal direkt gelogen, bloß hätte ich mich normalerweise nie verwandelt. Seitdem ich die Kette wieder trage fühle ich mich ganz anders. Meine Emotionen sind flacher und Kali regt sich trotz des Chaos in meinem Inneren gar nicht. Vermutlich wird sie auch von der Kette zurückgehalten. Vielleicht habe ich auch Glück und sie wird dadurch so stark geschwächt, dass sie Derek gar nicht testen kann.

„Sie hat was?"

Dereks Knurren ist der erste Laut, den ich seit unseren Bissen gestern von ihm gehört habe und es klingt gar nicht gut. Viel mehr klingt es nach Kontrollverlust, doch in einem öffentlichen Restaurant können wir uns das nicht erlauben. Das Rudel, in dem auch Cathrin ist, lässt uns vieles durchgehen, doch ein amoklaufender Werwolf wäre auch für sie zu viel.