dunkle Vergangenheit | 16

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!Trigger Warnung für dieses Kapitel: Sexuelle Handlungen!

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Als er sich wieder beruhigte, fuhr er fort mit dem Erzählen.

"Ich tat alles mögliche, um sie davon abzuhalten. Ich schnappte sofort meine Autoschlüssel und fuhr um zwei Uhr Nachts zu ihr. Ich rief den Notruf. Das war die schlimmste Nacht meines Lebens. Sie war in ihrer Wohnung nicht anzutreffen. Wir suchten sie in der ganzen Umgebung. Einige Minuten später stellte sich heraus, dass sie sich von einem Gebäude gestürzt hatte. Sie wurde wiederbelebt und ins Krankenhaus gebracht. Seit diesem Tag ist sie von der Hüfte abwärts gelähmt. Und das alles nur wegen einer Nachts. Weil ich so dumm war und sie zum Sex überredete. Natürlich machte ich mir unglaubliche Vorwürfe und wollte mich um sie kümmern. Ich wollte sie nie wieder alleine lassen, weil ich sie immer noch geliebt habe. Wenn man einen Menschen einmal liebt, dann vergeht das nicht so schnell. Dieser Mensch wird für immer einen Platz in deinem Herzen haben. Meine Unterstützung lehnte sie ab. Ich solle sofort verschwinden und nie wieder kommen. Ich hörte schon seit Jahren nichts mehr von ihr. Trotzdem beschäftigt mich dieser Vorfall heute noch. Diese Schuldgefühle zerstören mich.", weinend lehnte er sich an meine Schulter und wir tranken gemeinsam den Wein leer.

"Für ihre Fehlgeburt hast nicht unbedingt du Schuld. Menschen, die verletzt sind, suchen oft einen Verantwortlichen, weil es einfacher ist, als die Dinge so hinzunehmen, wie sie sind. Es war bestimmt einfacher dir die Schuld zu geben, als sich einzugestehen, dass es an ihrem Körper liegen könnte.", mit meinen Fingern spielte ich mit seinen Haaren. "Außerdem hat ihre Krankheit sie dazu gebracht zu springen und nicht du. Sina war krank." Ich wusste nicht, ob meine Worte das waren, was er gerade brauchte.

"Ich habe sie aber trotzdem verletzt.", diese Traurigkeit hörte ich zum ersten Mal in einer Stimme. Ich wusste nicht, dass es möglich war so traurig zu klingen.

"Klar war es nicht okay, was du gemacht hast, aber jeder macht einmal Fehler. Wenn sie dich dazu gebeten hätte, aufzuhören, wäre das ganze schon anders. Du wusstest es aber nicht. Du kannst nicht in die Gedanken von Menschen schauen. Das was zählt ist, dass du aus deinen Fehlern gelernt hast." Er fiel mir in die Arme. Hoffentlich konnte ich ihn aufmuntern.

"Hat es dir geholfen darüber zu reden?", fragte ich.

"Ja. Ich hatte Angst, du würdest mich verurteilen und als schlechter Mensch sehen. Danke, dass du mich dazu ermutigt hast darüber zu reden.", murmelte er in mein Ohr.

Das, was er getan hat, war nicht gut, aber deswegen ist er kein schlechter Mensch. Ich kann diese Situation nicht wirklich beurteilen, wenn ich nur eine Seite der Geschichte kenne.

"Manchmal widerfahren einem eben scheiß Dinge. Dinge, die man am liebsten totschweigen und vergessen würde. So ist eben das Leben. Das beste, was man machen kann, ist daraus zu lernen und darüber zu reden. Oft scheint das Herz dann leichter zu sein und der Kopf klarer." Meine Probleme waren im Gegensatz zu seiner Vergangenheit ein Witz. Das, was er erlebt hat, ist mir nie in geringster Weise widerfahren und ich kann mir nicht vorstellen, wie dreckig er sich in dieser Situation gefühlt haben muss. Es war schwer, die richtigen Worte zu finden. Für ihn war es bestimmt genauso schwer die richtigen Worte für mich zu finden.
Er weiß nicht, wie es sich anfühlt, Eltern zu haben, die einen nie wirklich gewollt haben. Diese innere Leere hat er nie gespürt. Er weiß nicht, wie nutzlos und fehl am Platz man sich fühlt. Er weiß nicht, wie scheiße es ist. Genauso wenig, weiß ich, wie schmerzhaft es ist, jemanden, den man liebt zu verlieren. Er wird meine Schmerzen genauso wenig verstehen, wie ich seine. Das Einzige, was wir füreinander tun können, ist uns Mut und Liebe zu schenken. Ist es nicht irgendwie bei Jedem so, dass er andere Schmerz auf eine andere Weiße erlebt, die niemals jemand verstehen kann? Trotzdem suchen wir jemanden, der uns versteht. Es macht uns nur unglücklich nach etwas zu streben, was nicht existiert. Stattdessen sollen wir Menschen suchen, die mit ihrer Liebe unser Leiden lindern und uns für einige Minuten das vergessen lassen, was uns innerlich zerreißt.

TALK DIRTY TO ME | Sebastian Kurz FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt