Verlangen | 7

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„Ich gehe lieber nach Hause", meinte ich.
„Okay, holt dich jemand ab?", fragte er und saß sich neben mich auf die bequeme Couch.
Eigentlich wollte ich nicht gehen. Ich wollte auch nicht meine Mutter anrufen und sie fragen, ob sie mich abholen kommt, doch ich tat es trotz allem. Ich würde Sebastian nur nerven, wenn ich länger hier bleiben würde. So nahm ich mein iPhone aus der Tasche und wählte die Nummer meiner Mutter.
„Hey, kannst du mich-„
„Mit wem bist du in dem Wald?", unterbrach sie mich.
„Woher weißt du, wo ich bin?", ich stand auf und ging in das Zimmer nebenan, welches sich als Schlafzimmer entpuppte, damit Sebastian unser Gespräch nicht mithören musste.
„Spinnst du eigentlich?", meinte sie. Mir fiel die Ortungsapp ein, die meine Mutter vor einigen Monaten auf meinem Handy, ohne mein Wissen installiert hatte. Ich löschte die App sofort, als ich sie entdeckte und schrie meine Mutter an, sie solle so etwas nie wieder tun. Ich brauche meinen Freiraum.
„In diesem Wald wurde vor drei Jahren eine Leiche gefunden.", mein Herz schien stehen zubleiben, als sie das Wort Leiche im Zusammenhang mit diesem Wald erwähnte. In meinen Erinnerungen sammelten sich Bilder von Zeitungsberichten: 13-jähriges Mädchen tot im Wald außerhalb Wiens aufgefunden. Bei diesem Gedanken stellten sich die Haare auf meiner gesamten Haut auf.

„Du musst selber schauen, wie du Heim kommst. Wer Drogen nehmen kann, kann auch selber nach Hause fahren.", sie warf mir diesen kleinen Vorfall mit den Drogen, selbst noch nach vier Jahren vor. Es war in meiner Gymnasium-Zeit, als ich ein paar mal - vielleicht auch öfter - an einem Joint gezogen habe. Ist auch nicht schlimm. Wer raucht schon heutzutage nicht?

Zwei, drei Mal konsumiert ich MDMA. Von anderen chemischen Drogen ließ ich brav die Finger. So klug, wie ich damals war, schmiss ich Zuhause das gute alte MDMA. Ich dachte meine Mutter würde in den nächsten Tagen nicht auftauchen, weil sie, genauso wie mein Vater, gelegentlich bei anderen Personen schläft - oder besser gesagt mit anderen Personen schläft - und diese Ausflüge dauern meistens einige Tage bis Wochen. So notgeil, wie mein Vater ist, ist sie zum Glück nicht. Mein Vater habe ich schon eine halbe Ewigkeit weder gesehen, noch etwas von ihm gehört. Lebt er überhaupt noch? Ich denke, er hat eine andere Frau gefunden, was ich toll finde. Er muss sich nicht mehr Blicken lassen. Ich kann bestens ohne seine dummen Sprüche leben.
Auf jeden Fall kam meine Mutter dann früher als erwartet nach Hause und bemerkte meine großen Pupillen. Ich probierte ihr zu erklären, dass ich nur MDMA konsumiert habe, weil ich von dieser Realität flüchten wollte. Ich wollte so etwas, wie Liebe spüren und MDMA ist Liebe in Pillenform, sagt man so schön. Außer man hat einen Badtrip, so wie ich es hatte. Keine schöne Erinnerung. Naja, wenn ich den Safen-Use beachtet hätte, wäre das nie passiert. Moral der Geschichte: Nie MDMA konsumieren, wenn es einem psychisch schlecht geht zum Zweck, dass man sich besser fühlt.
Seit diesem Tag vertraut meine Mutter mir nicht mehr und ist wahnsinnig geworden. Ortungsapps auf meinem Handy. Spioniert mir nach. Liest meine Briefe - sogar mein Tagebuch-. Wir hatten nie ein enges Verhältnis, doch verstanden uns trotzdem gut. Seit diesem Tag hat sie keinen Respekt mehr vor mir.

„Was hat sie gesagt?", wie lange stand Sebastian schon neben mir?

TALK DIRTY TO ME | Sebastian Kurz FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt