«Rose, da bist du ja endlich», ruft Fanny, als ich die Garderobe betrete.
Ich blicke sie zerknirscht an und lasse mich auf die Sitzbank fallen.
«Wir haben gehört was vorgefallen ist», sagt sie sanft und setzt sich neben mich. Uma setzt sich auf die andere Seite.
«Von wem? Hat es dir etwa Ayden, dein Neuer zu gezwitschert.» Meine Stimme klingt überheblich und mein Verhalten gegenüber Fanny ist unfair und kindisch, da sie nichts dafür kann.
Doch Fanny ist zu gut, als dass sie mir das übel nehmen könnte.
«Na schön, dann erzähle ich zuerst. Also ich war in den Ferien meine Grosseltern besuchen, die gerade umgezogen sind und wie der Zufall es wollte, wohnen sie gleich neben Ayden. Da meine Grosseltern die Nachbarn kennenlernen wollten, haben sie diese zu sich eingeladen. Und Tada, Ayden ist mitgekommen, da ihm meine Grossmutter anscheinend erzählt hatte, dass er unbedingt ihre Enkelin kennenlernen sollte. Ayden wusste aber nicht, dass ich die besagte Enkelin bin und ihm sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als er mich im Wohnzimmer erblickt hat.»
Sie kichert. «Naja und dann sind wir ein paar Mal ausgegangen.»
«Seid ihr jetzt zusammen?», frage ich und sie grinst verlegen.
«Ich glaube schon. Er ist zwar nicht so der Romantiker, aber trotzdem gibt er sich immer total Mühe. Das ist ziemlich süss.»
Ich nicke und bin ihr dankbar, dass sie zuerst mit ihrer Geschichte angefangen hat.
«Und jetzt du? Was ist bei euch los? Ich meine mit Ryan und dir.»
Ich räuspere mich kurz und beginne dann zu erzählen. Ich erzähle die ganze Geschichte. Zuerst von unserem beinahe Kuss während dem Joggen, der darauffolgenden Osterparty, der ausschlaggebende Tag im Disneyland bis zu unserem Kuss in der Bibliothek.
Als ich fertig bin tauschen Uma und Fanny Blicke aus, doch ich ignoriere es und warte darauf, was sie zu sagen haben.
«Das klingt so romantisch», haucht Uma. «Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir schon gedacht, dass da mal etwas laufen könnte. Es ist nur einfach dumm gelaufen, dass es Carlos so erfahren musste. Ich glaube er steht wirklich auf dich.»
«Ich fühle mich so, als ob ich ihn betrogen hätte», sage ich frustriert.
«Nein, Süsse», sagt Fanny bestimmt. «Du und Carlos wart nie offiziell zusammen. Ihr hattet zwar ein Date, das war aber vor den Frühlingsferien. Hättest du dich danach wieder mit ihm getroffen, wäre es unfair gegenüber beiden Jungs gewesen. Ich weiss wie gut Ryan und Carlos befreundet sind und ich denke ihr müsst ihm einfach Zeit geben, eure Beziehung zu akzeptieren.»
«Aber ich bleibe ja sowieso nicht für ewig. Es ist bald Mai und in ein paar Monaten bin ich wieder weg. Ich möchte nicht gehen.»
«Ach, Rose», sagt Uma und drückt mich an sich.
Fanny gesellt sich zu uns und so hocken wir zu dritt, eng umschlungen auf dieser alten Bank, in der Garderobe der Turnhalle.
Wer Fanny Reynolds nicht gut kennt, denkt vielleicht sie ist überheblich und nicht dazu im Stande Gefühle zu zeigen.
Doch sie ist viel mehr als diese dummen Gerüchte und das weiss ich jetzt mit Sicherheit.
Sie ist einfühlsam und liebenswürdig und ich finde es gut, dass sie genau weiss was sie will und dass sie mir durch ihre überzeugende Art, zu verstehen gibt, dass nicht alles meine Schuld ist.
Ich habe zwar einen grossen Teil dazu beigetragen, aber es braucht immer mehrere Personen für einen Konflikt.
Sie redet mir die Situation nicht schön, sondern betrachtet sie so wie sie ist und macht das Beste daraus.
Und dann gibt es noch Uma.
Uma ist eine eher ruhigere Person. Sie ist diese grazile Ballerina, die das Wort «damenhaft» eins zu eins verkörpert. Sie ist kultiviert und zuvorkommend, sagt nie etwas Schlechtes über etwas oder einen und weiss genau was in anderen Personen vorgeht.
So sitzen wir also, drei Freundinnen, die sich noch gar nicht lange kennen, schweigend da und ich spüre, dass ich noch nie so gute Freundinnen, wie sie hatte und dass ich sie, wenn ich wieder zu Hause bin, unheimlich vermissen werde.
«So Mädels. Das Beste, um den Kopf frei zu kriegen ist tanzen», ruft Fanny und steht auf.
«Ich habe eine neue Choreo für den Tanz am Sommerfest und die möchte ich euch unbedingt zeigen. Also seid ihr bereit?», fragt sie herausfordernd und sofort sind wir Feuer und Flamme.
«Das habe ich mir gedacht. Na, dann mal los», sagt sie, hakt sich bei jedem von uns unter und gemeinsam verlassen wir die Garderobe.
-----
«Wie lange läuft das schon?», fragt Josh zur Begrüssung, als ich in den Wagen steige.
«Ein paar Wochen», sage ich und schnalle mich an.
Ich habe keine Lust mit ihm darüber zu reden, denn ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig.
«Was läuft?», mischt sich Elijah ein.
Ich seufze, soll es doch jeder wissen. Ich stehe dazu.
«Ryan und Rose haben was am Laufen», kommt mir Josh zuvor.
Elijah schnappt überrascht nach Luft.
Langsam werde ich wütend.
«Hör zu Josh, du musst das Ganze nicht ins lächerliche ziehen und es geht dich auch überhaupt nichts an. Also kümmere dich um deinen eigenen Kram.»
«Ach, es geht mich also nichts an? Verdammt nochmal es geht mich etwas an. Schliesslich bist du unsere Austauschschülerin. Wie sollen wir das bitte schön Mom erklären, wenn er dich verletzt und sitzen lässt?»
«Du denkst also er lässt mich sitzen?», frage ich giftig.
«Tut mir leid Schätzchen, aber die Chance besteht leider, da du nicht die Erste wärst und ich möchte einfach nicht, dass er dich verletzt.»
«Weisst du was, halt einfach deine Klappe», schreie ich und da wir sowieso noch nicht abgefahren sind, steige ich aus dem Wagen.
Ich bin noch nie so wütend gewesen, doch das dauernde Bemitleiden von «Er wird dich sowieso sitzen lassen» geht mir auf den Geist.
«Steig wieder ein», ruft Josh mir nach, doch ich renne davon, so schnell mich meine Beine tragen, wobei dies mit einem Rock ziemlich unvorteilhaft ist. Doch das ist mir im Moment egal.
Ich renne um die nächste Ecke des Schulgebäudes und halte abrupt an. Dann blicke ich zurück, um zu sehen, ob er mir gefolgt ist, doch das ist er nicht.
Langsam lasse ich mich an der Wand runtergleiten und vergrabe die Hände in meinem Schoss. Ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten und beginne zu weinen.
Ich mag Carlos, doch lieben tue ich ihn nicht. Ausserdem möchte ich ihn als Freund nicht verlieren.
Gerade jetzt bräuchte ich dringend jemanden, dem ich meine Sorgen mitteilen kann. Doch Uma unterrichtet gerade Ballett und Fanny muss mit ihren Eltern an irgendeine Gala.
Also bleibt mir nur eine Person übrig und die möchte nichts mit mir zu tun haben. Ophelia. Da ich ihre Nummer auf meinem Handy eingespeichert habe, schreibe ich ihr sofort eine Nachricht:
Hey, ich bin's Rose. Ich weiss du hast eigentlich wenig Lust mit mir zu sprechen, aber könnten wir uns vielleicht irgendwo treffen? Ich brauche dringend jemanden zum Reden, es ist wichtig.
Ich warte. Es vergeht keine Minute, da sehe ich das grüne Zeichen neben ihrem Namen. Sie ist online. Wenige Sekunden später kommt auch schon ihre Antwort.
In zwanzig Minuten bei Starbucks.
Ich atme erleichtert auf. Dann rapple ich mich auf und klopfe sicherheitshalber meinen Rock ab.
Danach schreibe ich Susanna kurz eine Nachricht, dass ich mich noch mit einer Freundin treffe und dass sie schon ohne mich essen können. Ich glaube nicht, dass ich das Essen mit der ganzen Familie heute verkraften könnte.
Ausserdem möchte ich gar nicht wissen, was Elijah und Josh ihr erzählen werden.
DU LIEST GERADE
FOURever
Jugendliteratur«Manchmal sind es Schatten der Vergangenheit, welche uns unsere Wege nicht gehen lassen.» Die siebzehnjährige Rosalita López, kurz genannt Rose, träumte schon als kleines Kind davon, einmal in die USA, dem Heimatland ihrer Mutter, zu reisen. Nun is...