Fucking Superheld: 16 ~ Pi

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Ich wich seinem Blick aus und zuckte mit den Schultern. „Geht." Was sollte ich sonst sagen? Dass ich durchdrehte? Dass ich schwere Panikattacken hatte? Keine Luft bekam? Dass einer der Pfleger hier aussah wie Tristan Lüttkenhaus und ich neulich nachts einen Tobsuchtsanfall bekommen hatte und mit Diazepam ruhig gestellt worden war?

Sollte ich ihm sagen, dass ich das Ammoniak roch, immer wenn ich alleine im Dunkeln lag? Dass ich das dringende Bedürfnis hatte, durchgehend mit Beruhigungsmitteln zugedröhnt zu sein, um den Tag zu überstehen?

Geht war da wohl die unverbindlichste Aussage. Vermutlich glaubte er mir nicht. Zumindest sah er nicht so aus.

Es tat mir unglaublich leid, wie hart ich ihn angegangen war. Aber als er so unvermittelt vor mir gestanden hatte mit diesem riesigen wunderschönen Blumenstrauß... Mir hatte es das Herz gebrochen. Ich war so wütend gewesen auf ihn, dass er mich mit meiner Helikoptermutter alleine gelassen hatte.

Vielleicht war ich unfair ihn so anzugehen. Ich hatte keine Ahnung, wie die letzten Wochen für ihn gewesen waren. Ich wollte es auch nicht wissen.

Mein Blick fiel auf den Strauß. „Danke für die Blumen..."

„Gerne...", murmelte er und ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.
„Sie sind sehr schön... Ich mag Dahlien..."

„Sie sind aus dem Garten meiner Mum..." Er rutschte verlegen auf dem Stuhl herum und schlug ein Bein über. „Ich... soll dich grüßen. Sie hat sich große Sorgen gemacht und..." Er brach ab und sein Blick begann zu glänzen. Er sammelte sich einen Moment, bevor er weiter sprach. „Sie ist froh, dass es dir gut geht. Also... soweit es möglich ist von gut zu sprechen..." Er schluckte. „Entschuldige, ich weiß nicht. Es ist so... schwer nicht darüber zu sprechen."

Ich lehnte mich zurück und zog die Knie an. „Danke. Sag deiner Mum viele Grüße zurück..."

Wir eierten total im Smalltalk herum. Ich wusste nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte. Ich hätte es am liebsten gehabt, wenn er mich in den Arm genommen hätte, aber das tat er nicht. Vermutlich traute er sich nicht. Vermutlich hatte er keine Ahnung, was er tun oder lassen sollte. Ich wusste auch nicht, ob ich angefasst werden wollte. Ich... Es war so... ätzend.

Ich liebte ihn.

Aber gerade... es war so fremd. So... künstlich und... seltsam.

„Pi?" Ich hob den Kopf und sah ihn an. Sein Blick war ernst. Er hat sich ein Stück nach vorne gelehnt und sah mich an, als läge ihm etwas schwer auf dem Herzen.

„Mh?"
„Ich... muss mich bei dir entschuldigen..."
„Hast du doch schon."

„Nein." Er fuhr sich nervös mit den Handflächen über die Jeans und suchte wieder meinen Blick. „Für den Mist, den ich gebaut habe. Mit der Akte. Ich weiß, das... ist unter Anbetracht der Tatsache, was passiert ist vermutlich mittlerweile scheißegal... aber... mir ist wichtig, dass du weißt, dass mir das wirklich leid tut."

Ich hörte ihm aufmerksam zu. Die Akte hatte ich total vergessen. Ich hatte das alles total verdrängt. Den Streit, den wir gehabt hatten. Das war total irrelevant. Die Erinnerung an das Freundschaftsband, das ich gefunden hatte, hatte alles andere überlagert – und dann war Lüttkenhaus aufgetaucht. Da war die Akte total in den Hintergrund getreten. Dass Nick sich deswegen noch immer solche Gedanken machte war irgendwie absurd.

Ich löste meine Knie und setzte mich wieder in den Schneidersitz.

„Ich wollte dich nicht verletzen oder irgendwelche Wunden aufreißen. Ich war einfach... zu sehr Polizist. Es tut mir leid..."

„Das... ist..." Ich zuckte mit den Schultern. „... so lange her." Bitter stieg die Erinnerung an meine Entdeckung in mir hinauf. Mos Freundschaftsband. Ich konnte das noch immer nicht glauben, dass er damit zu tun haben sollte.

„Ist alles okay?", fragte Nick leise.

Ich zuckte mit den Schultern. Er wusste das alles ja nicht. Er wusste nicht, was passiert war. Was ich entdeckt hatte und warum ich in an dem Tag meiner Entf... Entführung überhaupt angerufen hatte. „Das mit der Akte... ist egal... Ich weiß, wer das mit Carrie war", flüsterte ich und schluckte. Mir wurde übel bei dem Gedanken. Ich konnte das kaum aussprechen.

Nick setzte sich langsam und sehr bedächtig gerade hin und sah mich aufmerksam an.

„Mo... es war Mo...", flüsterte ich und starrte auf die Bettdecke. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich war es in all den Wochen wieder und wieder durchgegangen. Es musste so sein. Anders machte es keinen Sinn. Es musste Mo gewesen sein. „Ich habe damals neben Carrie auf der Koppel sein Freundschaftsband gefunden und... irgendwie unbewusst eingesteckt. Ich hab das vergessen. Verdrängt. Und an dem Tag als... also... als... Bevor... Mir ist das eingefallen und ich hatte das Band in meinem Erinnerungsglas... ich... Es war Moritz. Ich verstehe nicht warum, aber..." Mit Tränen in den Augen sah ich Nick an und ließ die Schultern sinken. „Mein b..bester Freund hat... C..carrie umgebracht."

Nick sagte nichts darauf. Er schwieg nur. Er sah nicht sonderlich überrascht aus, was mich irgendwie überraschte. Er stand auf, holte mir ein Papiertaschentuch und zog den Stuhl ein Stück näher an mich heran. Dann atmete er tief durch.

„Nein", sagte er dann ruhig und griff nach meiner Hand. Seine Hand war warm und stark und seine Finger umschlossen meine fest. „Moritz hat damit nichts zu tun, Pi."

Verbittert starrte ich auf die weiße Bettdecke und unsere ineinander verschränkten Hände darauf. „Was?" Ich sah zu, wie sein Daumen träge über meinen Handrücken strich. Er sagte irgendetwas, das ich aber nicht verstand.

„Was hast du eben gesagt?", fragte ich erneut und versuchte seine Worte mit dem überein zu bekommen, was ich in den letzten Wochen geglaubt hatte.

„Er war es nicht", sagte Nick ruhig und sah mich an.

Er hat Carrie getötet." Ich spuckte die Worte plötzlich aus. Wie konnte er das sagen? Woher sollte er das wissen?

„Pi... Sophie...", flüsterte er.

Mein Hals zog sich zusammen.

„Das war nicht Mo... " Er lächelte vorsichtig. „Er hat mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun..." Nick hörte auf, meinen Handrücken zu streicheln.

Ich hob den Kopf und starrte ihn an. „Woher willst du das wissen?" Ich lachte und klang hysterisch. Meine Stimme überschlug sich. Ich brauchte mehr von diesem Beruhigungsmittel. Dringend.

„Weil der Fall aufgeklärt ist..."

„Der Fall ist nie aufgeklärt worden."

„Doch. Jetzt. Jetzt ist er aufgeklärt worden." Er lächelte und seine blauen Augen leuchteten kurz auf. Er sah aus, als ob er aufatmete.

„Er war es nicht...", wiederholte Nick. „Ich darf dir nicht sagen, wer es war, weil die Ermittlungen noch laufen..." Er zögerte. Er zögerte sehr, sehr lange. „Ich... darf gar nichts sagen.... aber es war Jana." Die letzten Worte flüsterte er.

Ich hob den Kopf.

Über Minuten hinweg sah ich ihn einfach nur an. Ich bekam keinen Ton heraus. Ich bekam keinen richtigen Gedanken formuliert. Dann machte ich nur ganz leise: „Ach..."

Ich schloss kurz die Augen und nickte dann. „Ja... irgendwie macht das mehr Sinn." Ich lachte leise, ließ mich zurück in die Kissen sinken und atmete langsam aus. Dann fing ich an zu weinen und hörte nicht mehr auf.

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🧞‍♂️🤷‍♀️🌩😈🧚🏻‍♀️😇🐺😍

The Distance between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt