The Distance between us

Der Fehler: 12 ~ Bernicke

Nikolas Gehrig war...

Wenn der Kollege noch einmal hier auftauchen und sich in meinen Fall einmischen würde, ich würde ihn in Gewahrsam nehmen lassen. Er hatte sich nicht zum ersten Mal in die Ermittlung eingemischt. Unruhe in den Fall reingebracht. Als ob wir hier alle Stümper oder Idioten wären!

Mein Kollege Faller öffnete das Fenster und zündete sich eine Zigarette an. „Glaubst du das? Was der Junge da erzählt hat? Der steigert sich da ganz schön rein..."

„Möglich", sagte ich lahm und ging die Stichpunkte durch. Diese Eifersuchtsgeschichte zwischen Moritz Meier, Jana Stephan und Sophie von Frankenthal konnte ich nachvollziehen. Das konnte ein Motiv sein. Jana Stephans Vater war Tierarzt. Die Stute war mit Detomidin betäubt worden, einem Sedativum, das auch in der Pferdemedizin eingesetzt wurde. Das Mädchen hätte sicherlich Zugang zu dem Medikament gehabt. Sicherlich auch zu Skalpellen, um der Stute die entsprechenden Verstümmelungen zuzufügen.

Und Gehrigs Idee mit der Persönlichkeitsstörung... vielleicht Borderline?

Ich lehnte mich zurück und dachte nach, während Faller eine Zigarette nach der anderen rauchte.

Ich war keine Expertin... Borderline brachte eine hohe Labilität der Persönlichkeit mit sich, eine extreme emotionale Instabilität. Wutausbrüche, Stimmungsschwankungen... Teilweise eingeschränktes Empathieempfinden...

Borderlinepatienten hatten häufig Schwierigkeiten bei zwischenmenschlichen Beziehungen, oft arteten diese aus, wurden extrem, zu eng, idealisiert oder entwertet. Impulsivität war noch ein Kennzeichen für die Störung – bis hin zu potenziell selbstschädigende Bereiche. Selbstverletzendes Handeln zum Beispiel... ich kann Bilder und Berichte von Patienten mit zerschnittenen Armen und Beinrn, hatte diese Narben auch schon live gesehen. Fremdverletzende Handlungen kamen zum Störungsbild auch hinzu... gestörte Sexualität aber auch Rauschmittelmissbrauch oder Essstörungen.

Ich griff nach dem zusammengestellten Dossier, das Gehrig mir hatte zukommen lassen. Ich hatte keine Ahnung, wie er an all die Informationen gekommen war, aber derjenige war gründlich gewesen. Sehr gründlich. Zudem klaffte eine Lücke von etwa einem halben Jahr in diesem Lebenslauf. Als ob Jana Stephan... verschwunden gewesen war... Wohin? In Behandlung vielleicht? Wegen einer Borderlinestörung?

„Faller?"
„Hm?"
„Ich glaube, der Junge könnte mit all dem Recht haben..."
„Linda, er mischt sich total ein! Er ist anmaßend!"

Ich nickte bedächtig. Das stimmte. Aber er kam aus dem Stall von Max Schrader. Und Schrader vertraute ihm. Das hatte er eben noch mal betont. „Ja... aber ohne ihn stünden wir immer noch bei null und würden überlegen, warum zum Teufel Pferdeblut an diesem verdammten Freundschaftsband war." Und wir hatten Fehler gemacht. Angefangen bei Moritz Meier. Wir hätten den Jungen zu Beginn der Ermittlung niemals... dann hätte er uns vielleicht auch mehr erzählt. Vielleicht auch früher von diesem von Söder.

„Das hätten uns die Eltern erzählt."

„Ja... vielleicht." Trotzdem wären wir nicht an diese Akte gekommen. Sie war nicht auf dem Dienstweg an Gehrig gekommen. Wir hätten im Dunkeln rumgestochert.

Ich hob das Jana Stephan Dossier vom Tisch an und ließ es demonstrativ fallen. So ungern ich es zugab, aber: Wir hatten dem elendigen Nick Gehrig eine Menge zu verdanken.

„Ich ruf den Chef an. Wir setzen jemanden auf das Mädchen und diesen Daniel von Söder an."

.....

Tick.
Tack.

Tick
Tack.

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