Totalschaden: 15 ~ Pi

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Ammoniak.

Ich rieche immer noch das Ammoniak.
Es sickert durch den Raum, unterschwellig, beißend.
Seit Stunden schon.
Ich habe keine Ahnung, wo der Gestank herkommt.
Ich kann die Quelle nicht ausmachen.

Lüttkenhaus lacht nur. Er hat einen Heidenspaß. Er ist total verrückt... Jede Sekunde, die er bei mir ist, ist die pure Hölle. Psychisch und physisch.
Er sagt Dinge.
Er beschimpft mich.
Schlampe ist noch das netteste, das er zu mir sagt.

Er ist sehr wütend, sehr aggressiv und lässt alles an mir aus. Manchmal fliege ich durch den Raum wie ein Stofftier und wundere mich, dass ich mir ich nichts gebrochen habe.

Ich habe einen Schutzengel...

Manchmal wünsche ich mir, der Schutzengel würde einfach aufgeben. Dass diese ganze Sache einfach endlich vorbei sein würde.

Die Schmerzen, die Folter.
Die Qualen.

Ich habe noch immer keine Ahnung, warum ich hier bin. Ich habe das Gefühl, dass es ihm einfach Spaß macht, mich hierzubehalten und sich an mir auszutoben. Dass ich sein Haustier bin. Und das macht mir Angst.

Ich glaube, er lässt mich nie wieder gehen.

***

Schreiend fuhr ich aus dem Schlaf auf. Schweiß stand auf meiner Stirn, kalter Schweiß. Das Krankenhaushemd klebte an meinem Körper und ich zitterte vor blanker Panik.

Wo war ich?

Mein Herz trommelte wie wild in meiner Brust und meine Lunge erreichte kein Atemzug.

Ich sah nichts. Zumindest nicht klar. Erst nach einer Weile erkannte ich verschwommen die weißen Wände. Das war nicht der Keller. Und es roch auch nicht mehr so penetrant nach Ammoniak.

Ich sah an mir hinab. Moment... Ich trug nicht mehr dieses Krankenhaushemd...

Ich trug eins meiner T-Shirts...

Ich war in einer Klinik... ich war... Mein Blick fiel auf den Zugang in meiner Hand und bruchstückhaft kamen ein paar Erinnerungen zurück.

Der Keller.
Die vermummten Polizisten.
Das Innere eines Krankenwagens.
Die Notaufnahme.
Das Gesicht einer Polizistin... und Nick.

Er hatte Jan die Tasche gegeben. Aber er war nicht mehr hier. Er war nicht mehr hier. Warum war er nicht mehr hier?

Jan hatte es nicht gesagt. Er musste zurück, hatte er gesagt. Er liebt dich. Er kommt morgen zurück.

Ich sah mich um, sah den Knopf mit dem Schwesternzeichen darauf und klingelte. Es dauerte einen Moment, aber dann öffnete sich die Tür und das gedämpfte Flurlicht fiel in mein Krankenhauszimmer und ein junger Pfleger kam herein.

Er hatte dunkles Haar und einen ebenso dunklen Bart.

„Alles okay? Brauchen Sie was?", fragte er.

Ich starrte ihn an. Er hatte dunkle Haare und einen Bart.

Ich spürte, wie sich mein Hals zuzog und ich kaum noch Luft bekam. Mein Herz krampfte sich panisch zusammen. Ich bekam keine Luft.

Er sah aus wie er.
Wie er.
Er.

Er sagte etwas. Kam auf mich zu. Aber ich wurde nur noch panischer. Bekam nur noch weniger Luft. Rang nach Atem, griff mir an den Hals.

Der Pfleger verließ den Raum, rief etwas, kam zurück.

Dann ging alles ganz schnell... ich weiß nicht mehr, was dann passierte.

Aber ich starrte die ganze Zeit in seine Augen.

Sie waren nicht braun.
Sie waren grün.

Die Panik ließ etwas nach.

The Distance between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt