Flickenteppich: 27 ~ Nick

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Ich saß bei Tom vor der Couch auf dem Boden und hatte den Controller in der Hand, während Toms Prinzessin Peach meinen Yoshi mit einer Banane abschoss und mich über die Regenbogenbrücke jagte. „Arschloch", zischte ich und griff nach dem Radler neben mir auf dem Boden.

„Jaja, das akzeptiere ich", Tom wuschelte mir gönnerhaft durch die Haare und überquerte mit Peach das Ziel. „Sorry, Bro..." Tom warf den Controller neben sich und langte in die Chipstüte.

Wir hatten sturmfrei, Becky war mit Isa im Kino. „Also, was ist los?"

„Was soll los sein?"

Tom zog beide Augenbrauen in die Höhe. „Alter."

„Was?"

„Hast du heute schon in den Spiegel geschaut?" Er lachte trocken. „Du hast in etwa so ne Laune wie Trump, wenn man ihm den Koffer mit den Atomraketenabschusscodes wegnimmt."

Ich sagte nichts, griff nach dem Controller und startete das nächste Spiel. Yoshi und Peach drehten sich wieder und standen auf der nächsten Rennstrecke. Ich wollte nicht über meine Laune reden. Ich wollte ihn bei Mario Cart fertig machen.

„Hat es was mit Pi zu tun?", bohrte Tom weiter nach.

Allein die Frage triggerte mich. Das Rauschen in meinem Ohr führte dazu, dass ich den Controller fester umklammerte, Yoshi gegen die Bande lenkte und in die falsche Richtung fuhr. Fuck. Ich war kurz davor den Controller nach ihm zu werfen. Gegen seinen Kopf. Mit voller Wucht.

„Es hat was mit ihr zu tun, oder?"

„Warum fragst du eigentlich?", fauchte ich ihn an. Yoshi knallte gegen den nächstbesten Betonpfeiler, während Tom Peach weiterhin konzentriert über die Rennstrecke steuerte.

„Ho, Brauner!" Er warf mir einen kurzen Blick zu und schmunzelte. „Was ist passiert?"

„Nichts." Yoshi war zurück auf der Strecke und ich versuchte mich wieder zu konzentrieren.

„Nichts. Aha."

Nichts. Von nichts war das, was passiert war meilenweit entfernt.

„Naja... Unter Umständen..." Ich holte tief Luft. Ich schnaufte. Das konnte ich Tom nicht erzählen. Er würde es Becky erzählen. Becky würde es den Schwestern erzählen. „Unter Umständen..." Die Schwestern Mama. Mama wiederum mir – spanische Inquisition war praktisch vorprogrammiert. Pi würde nie wieder auf einen grünen Zweig mit meiner Familie kommen.

„Ja?"

Ich schnaubte genervt. „Es ist kompliziert." Yoshi knallte gegen einen Mitfahrer, schrumpfte, ich hatte das Rauschen mittlerweile in beiden Ohren.

„Es ist seit Monaten kompliziert mit euch."

„Ja."

Ich hatte sie noch nicht angerufen. Ich wollte sie nicht anrufen. Nicht heute. Morgen auch nicht. Ich war einfach zu wütend auf sie. Ich brauchte einfach noch einen Moment.

Das stimmte nicht. Ich war nicht wütend. Ich war auch nicht enttäuscht, ich war einfach... Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Das war einfach zu viel gewesen heute früh.

Ich fühlte einfach nichts. Nein, anders: ich wollte, dass da nichts war. Aber da war dieser langgezogene stechende Schmerz in meinem Kopf und der Ton in meinem Ohr, immer dann, wenn ich an das dachte, was sie mir gesagt hatte.

Es tut mir so leid.

Ich wollte das nicht.

Es hat nichts bedeutet.

The Distance between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt