Fucking Superheld: 16 ~ Nick

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Die Matratze gab unter meinem Gewicht nach, als ich neben sie rutschte. Ich streifte mir die Turnschuhe ab, überkreuzte die Beine und zog sie an meine Seite und schloss beide Arme fest um sie, während sie sich auf mir zusammenrollte und weinte.

Sie fand kein Ende. Sie weinte und weinte und weinte. Manchmal mehr, manchmal weniger. Manchmal war es nur ein leises Wimmern, dann wieder ein heftiges, hysterisches Beben, das ihren Körper schüttelte.

Ich war mir nicht sicher, was in ihrem Kopf vorging. Um was sie weinte. Ob sie um ihr totes Pferd weinte oder wegen etwas anderem. Wegen dem, was ihr passiert war. Ob es die Anspannung war, die von ihr abfiel? Sie sagte es mir nicht. Es war auch nicht nötig.

Es war wie Julius gesagt hatte. Ich hatte nur herfahren müssen, um ihr dämlicher Held sein zu können. Mehr musste ich im Moment nicht leisten. Das hielt ich aus. Für sie würde ich das aushalten. Das war die verdammte Angst wert und auch die Wut. Sie war das alles wert. Das wurde mir erst wirklich bewusst, als ich sie wieder im Arm hielt. Als ich wieder ihren Geruch in der Nase hatte und ihre Haare an meiner Wange spürte.

Sie war irgendwann an meiner Schultern hinab gerutscht und lag nun mit dem Oberkörper quer über meinen Beinen. Ihr Schluchzen hatte aufgehört und ihr Atem ging gleichmäßiger und ruhiger als vorhin. Ich streichelte ihren Rücken, zog sanft Kreise darüber und spürte irgendwann, dass sie sich ein wenig entspannte.

„Erzähl es mir..." Ihre Stimme war nicht mehr als ein dünnes Wispern. Ihr Brustkorb hob sich mir zittrig entgegen.

„Von Carrie?"

Ich spürte ihr Nicken an meinem Oberschenkel. Vermutlich sollte ich das nicht tun. Bernicke würde mir den Kopf abreißen, wenn sie das erfahren würde. „Die Ermittlungen laufen noch... Ich... darf dir das nicht erzählen..." Sanft strich ich ihr die blonden Haare aus dem Nacken und beobachtete, wie sie Gänsehaut bekam. „Bernicke bringt mich um..." Ich würde so oder so meinen Job verlieren. Meine Karriere im Polizeidienst würde ich nach allem, was geschehen war, ohnehin vergessen können. Also war es eh egal. Ich hatte diese Ermittlungen so oder so schon behindert und untergraben... und wenn ich die Hauptbelastungszeugin jetzt noch mit internen Infos versorgen würde...

„Warum?", fragte sie.

Ich legte meine Hand auf ihrem Rücken ab und schwieg einen Moment. „Weil du die Hauptbelastungszeugin bist. Und alles, was ich dir sage, dich beeinflussen wird..." Ich atmete schwer durch. „Ich will dir das erzählen... Wirklich... aber..."

Pi drehte sich schwerfällig auf den Rücken und sah zu mir auf. „Du kommst in Schwierigkeiten. Das willst du damit sagen, oder?"

Ich nickte langsam. Sie wusste nichts von meiner Suspendierung. Sie wusste nichts von all den Fehlern. Sie griff nach meiner Hand und verschränkte ihre Finger nachdenklich mit meinen.

„Das will ich nicht", murmelte sie. „Jana war immer schon... ne Bitch... Ich kann mir ... vorstellen, was passiert ist..." Ihr Blick wanderte in die Ferne. „Du... hast mich mal gefragt, ob Mo und ich... mal..."

Ich verzog unwillkürlich  das Gesicht.

„Ich hatte einen Filmriss. Ich konnte mich nicht erinnern... aber jetzt ist es mir eingefallen... Ich glaube, Jana wusste das. Ich kann mir vorstellen, dass sie es wusste und... vielleicht..." Pi schluckte.

Gott, wenn ich ihr nur sagen könnte, wie nah sie an der Wahrheit dran war. Ich fuhr ihr durch die Haare.

„Vielleicht war das der Grund..." Sie schluckte. „Sie war immer... eifersüchtig auf mich und Mo... Zumindest hatte ich das Gefühl. Und nach dieser Nacht... war Jana ein echtes Biest." Ihr Blick wanderte von der Ferne zu mir und verhakte sich mit meinem. Sie blinzelte. „Du bist so ruhig..."

„Wieso?"

„Ich hab dir gerade gesagt, dass ich mit Moritz geschlafen habe und du..." Ihre Augen weiteten sich ein Stück und sie richtete sich auf. „Du wusstest das."

Ich atmete langsam aus. „Ja."

„Woher?"
„Er hat es mir erzählt, ja."

Pi starrte mich an als hätte ich sie geohrfeigt. „Er hat dir das erzählt?! Moritz erzählt dir das?!"

Ich hatte das Gefühl, dass sie einen Grund suchte, um ihre angestaute Wut endlich auf Mo richten zu können. Und jetzt hatte sie ihn gefunden.

„Er posaunt das rum und mir erzählt er es in drei Jahren nicht?"

„Pi...", ich setzte mich langsam auf. „Ich glaube, das solltest du mit Moritz besprechen und nicht mit mir... Es... war eine schwierige Situation und wir haben alle Informationen gebraucht um durchzublicken, was damals gelaufen ist... Und das mit dir und Mo war ein Puzzlestück, das gefehlt hat."

Sie starrte mich an. „Er hat mich angelogen!!"

„Er hat dich nicht angelogen."

„Er hat mir drei Jahre lange verheimlicht, dass wir miteinander im Bett waren! Das ist lügen. Das machen beste Freunde nicht!"

„Sprich einfach mit ihm..." Ich konnte mit ihr nicht über Mo reden. Ich hatte ihm versprochen, Pi nicht zu sagen, was er für sie empfand. Das Versprechen würde ich halten. Es stand mir nicht zu, ihr das zu sagen. Nicht das.

„Seid ihr jetzt Kumpels oder was?"
„Nein."
„Aber du weißt irgendwas."
„Ja."

„Nick, das ist doch scheiße!" Sie saß mir jetzt kerzengerade gegenüber. „Du weißt all die Dinge, die ich wissen muss und sagst mir nichts. Das ist doch beschissen!"

Das war es. Das war mehr als beschissen. „Ja. Ist es. Aber so ist es eben. Ich kann dir all diese Dinge nicht sagen... so gerne ich wollte. Aber ich kann und darf ich nicht."

Pi starrte mich an. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Dann glaube ich, solltest du jetzt besser gehen."

Es fühlte sich an wie eine Ohrfeige. „Das ist nicht dein Ernst..." Etwas in mir wurde eiskalt. Zum zweiten Mal in dieser Woche wurde es eiskalt in mir und ich fühlte mich wie in der hundertsten Wiederholung einer schlechten Seifenoper.

„Du solltest gehen", wiederholte sie, diesmal fester.

Ich atmete tief durch. Mein Magen zog sich zussmmen, als ob eine Eisenkralle darumgelegt wäre. Wie neulich. Nur diesmal gab ich den Widerstand sofort auf. Wegen ihr. Ich hätte alles getan, was sie gon mir verlangt hätte - auch wenn jetzt zu gehen sicherlich ein Fehler war.

„Okay..." Schweren Herzens stand ich auf. Ich wollte nicht gehen. Ich wollte sie so nicht alleine lassen. Aber wenn sie mich wegschickte, würde ich nicht gegen ihren Willen bleiben. „Wenn du das willst, dann gehe ich..."

Pis Gesicht war zu einer undurchdringbaren Maske geworden. Wie vorhin, als ich gekommen war. Ich hätte so gerne etwas gesagt, dass diese Situation retten würde, aber ich konnte nicht. Ich konnte ihr nichts sagen. Ich durfte nicht. Ich durfte einen Großteil der Dinge selbst nicht wissen.

Ich durfte das nicht versauen. Ich durfte einfach keinen Fehler mehr machen. Und ich hatte ihr schon gesagt, dass es Jana war. Das war schon zu viel gewesen. Das konnte mich schon meinen Kopf und meinen Job kosten... Ich konnte einfach nicht.

Ich wollte ihr sagen, dass ich sie liebte, aber... auch das konnte ich nicht. Nicht in diesem Moment. „Wenn du etwas brauchst oder... ich bin da. Das weißt du, oder? Jederzeit..."

„Hau ab, Nick."

„Immer, ja? Ich bin immer da." Damit drehte ich mich um und ging. So schwer es mir auch fiel. Ich wusste, dass nicht Pi mich wegschickte - sondern das Trauma in ihr. Aber es tat trotzdem verdammt weh. Es war ein Schmerz, den ich vermutlich nicht zum ersten Mal spüren würde, wenn ich dieser verfickt-abgefuckt-fucking Superheld sein wollte.





........

Da ist sie, die rostige Gabel Nebraska92

Gern geschehen 😉

The Distance between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt