My home is my castle: 19 ~ Nick

319 35 15
                                    

Erster Oktober

Ich saß mit Julius und Tom im Affeneck am Neckar. Jeder von uns hatte ein Bier vor sich stehen und wir warteten auf das Essen. Das Wetter war wieder ganz in Ordnung, aber man merkte, dass die Tage kühler wurden und der Hochsommer allmählich dem Herbst wich. Es waren fast drei Wochen seit Toms Junggesellenabschied vergangen und es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Es war viel passiert seitdem. Sehr viel. Ich hatte versucht, nach vorne zu schauen. Irgendwie.

„Was macht die Wohnungssuche?", fragte Tom schließlich und sprach das Thema an, dass seit Wochen unausgesprochen zwischen uns hing.

Ich zuckte mit den Schultern. „Isa ist dran."

„Wie, Wohnungssuche?" Julius verschluckte sich an seinem Bier. „Haust du ab aus Heidelberg? Spinnst du?"

Tatsächlich hatte ich Julius gegenüber das Thema bisher immer zu vermeiden gewusst. „Nein." Ich sah zu Tom, der mit den Schultern zuckte. „Ich..." Ich zögerte. „Ich hab überlegt, vielleicht... Also vielleicht wäre es besser, wenn ich aus der Wohnung ausziehe."

Julius starrte mich an, als ob ich ihm eröffnet hätte, ich sei die Jungfrau Maria. „Aus dem Altbautraum mit Eigentumsschein?"

Ich zuckte mit den Schultern und trank schweigend mein Bier. „Ja."

„Jetzt?"

„Ja."

Julius sah Tom ratlos an und der legte abwägend den Kopf schief. „Alter, was ist los mit dir?"

„Ich... keine Ahnung. Ich... ich brauch einen Neustart, okay?"

„Nick, das sind ziemlich viele Neustarts, oder?" Julius sah mich aufmunternd an. „Neue Wohnung? Diese Therapiegeschichte... Die Trennung von Pi? Fehlt noch ein neuer Job."

„Wir sind nicht getrennt."

Die beiden sahen mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und ich spürte den Kloß im Hals und das Brennen in den Augen. Fuck. Ich wollte nicht daran denken.

„Zusammen seid ihr aber auch nicht mehr. Und sie ist nicht mehr in Heidelberg...", sagte Tom.

„Sie ist im Moment nicht in Heidelberg", sagte ich und wusste wie hohl das klang. „Sie ist in Düsseldorf." Ich sah auf den Tisch vor mir und drückte mir fest mit dem Daumennagel ins Nagelbett bis es ordentlich wehtat. Das war nur eine schönere Umschreibung für die Trennung von Pi. Wir wussten alle drei, dass Pi und ich im Moment nicht zusammen waren und dass es unter den gegebenen Umständen auch mehr als fraglich war, ob wir jemals wieder zusammenfinden würden.

Ich brauche Zeit. Das hatte sie gesagt. Allein der Gedanke daran hinterließ ein dumpfes Gefühl der Übelkeit bei mir. Ich ließ ihr die Zeit, die sie brauchte, aber sie fehlte mir trotzdem jeden verfluchten Tag wie die Hölle.

Mo hatte recht gehabt. Sie hatte sich bei mir gemeldet. Vor etwa einer Woche. Seitdem schrieben wir manchmal, aber ich gab penibel darauf acht, dass ich sie nicht mit Nachrichten zu bombardierte. Und manchmal, viel zu selten, telefonierten wir. Meistens mitten in der Nacht, wenn sie wach lag. Vermutlich weil sie Alpträume plagten, gegen die ich sie nicht beschützen konnte, weil sie 300 Kilometer entfernt in einem Bett lag, das nicht mein eigenes war.

Ich konnte das alles nicht steuern. Mittlerweile hatte ich das verstanden. Die Therapie half da tatsächlich.

Ich musste erst mal dafür sorgen, dass es mir gut ging, auch ohne sie. Und ein Teil, ein Schritt dahin war, dass ich Diana losließ. Die Erinnerungen an sie, die mit dieser Wohnung verbunden waren. So sehr ich die Wohnung liebte, so gerne ich dort wohnte, aber ich lebte dort noch immer mit einem Geist zusammen – und jetzt mit zweien. Ich musste dort raus. Um meinetwillen.

The Distance between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt