Eine einzelne Träne fiel auf das geöffnete Notizbuch vor ihm und verwischte die mit Tinte geschriebenen Worte zu einem einzigen, dunkelblauen Fleck.
Martín hatte nie schon fast das Gefühl von Verlust vergessen, in all den Jahren, in denen er zusammen mit Andrés im Kloster gelebt hatte.
Er war glücklich gewesen. Einfach nur glücklich.Damals war es ihm egal, ob Andrés ihn liebte oder ihn nur als besten Freund gesehen hatte, aber das reichte ihm, denn seine Anwesenheit war das einzige, was ihm je etwas bedeutete.
Aber jetzt - jetzt war wieder zurück in der bitteren Wirklichkeit.
Zitternd griff er nach der Flasche Alkohol, die auf dem Tisch stand und trank einen großen Schluck, auch wenn er langsam keinen Alkohol mehr sehen konnte.
Martín schlug die Seite seines Notizbuches um. Und bereute es sofort.
Es war wie eine Reise in die Vergangenheit.
Er erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er diesen Teil des Planes verfasst hatte.
Es war im Winter gewesen, an Weihnachten vor drei Jahren, als der Anfang von Ende begonnen hatte. Als Sergio zum ersten Mal das Kloster besucht und von da an Andrés eingeredet hatte, dass Martín zu gefährlich für den Plan sei und die Beziehung zwischen ihnen beiden unnatürlich wäre. Andrés hatte lieber auf seinen verdammten Bruder gehört, als bei Martín zu bleiben.
Und jetzt war er tot.Augenblicklich sammelten sich noch mehr Tränen in Martíns Augen, wenn er daran dachte, dass sein Freund brutal erschossen wurde und jetzt irgendwo in einem anonymen Massengrab in Spanien lag.
Andrés hatte sich geopfert.
Für diese paar verfluchten Verbrecher, die wahrscheinlich nicht einmal um ihn trauern würden, und seinen Mistkerl von einem Bruder, dank dem er überhaupt erst darein gegangen war, der natürlich gewusst hatte, dass Andrés es tun würde, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gab.Wären sie zusammen in die Bank gegangen, dann wären sie wenigstens zusammen gestorben oder würden heute auf einer Insel in der Karibik liegen.
Bei dem Gedanken daran schleuderte Martín das Notizbuch wütend gegen die gegenüberliegende Wand, von wo aus da abprallte und in einen offenen Karton krachte, der noch immer unausgepackt vom Umzug nach Sizilien in einer Ecke stand.
Er stand leicht schwankend auf, um es wieder aufzuheben.
Es lag zwischen verschiedenen Skizzen von irgendwelchen Maschinen aus seiner Zeit an der Universität.
Martín hob das Büchen wieder auf, aber blieb noch einen Moment in der Hocke, denn er hatte ein altes Blatt entdeckt.
Es war weder eine Zeichnung, noch etwas was mit ihrem Plan zu tun hatte, sondern ein Liedtext."Meine Mutter hat mal gesagt, Freunde gehören zur Familie. Und beste Freunde sind Familie", sagte Andrés und blickte weiterhin auf das strahlend blaue Mittelmeer und den Stadtstrand von Barcelona vor ihnen, während Martín sich nicht auf ihre Umgebung, sondern auf seinen Freund konzentrierte.
"Und da du mein bester Freund bist, möchte ich dir etwas geben."
Er reichte ihm ein zerknittertes Blatt.
"Mein Vater, naja eigentlich Stiefvater, hat es Sergio und mir immer vorgesungen, bevor er wieder irgendwelche Banken überfallen hat. Das ist irgendwie zu unsrer Familienhymne geworden, also möchte ich, dass du es auch lernst. Zuerst auf Spanisch und dann auf Italienisch. Das solltest du eh lernen, wenn wir nächsten Herbst die Juweliere in Rom ausrauben."Martín überflog die Zeilen, bis er auf eine stieß, die ihn gerade irgendwie faszinierte, ihn jedoch aber auch noch trauriger stimmte, als er ohnehin schon war.
Oh compañero, quiero ir contigo, porque me siento aquí morir.
Das brachte ihn auf eine Idee. Um ehrlich zu sein, auf die beste seit langem.Er lief ins Schlafzimmer, kniete sich vor das Bett und holte darunter eine Schachtel hervor.
Er weinte jetzt nicht mehr vor Trauer, sondern vor Freude. Vor Vorfreude. Er würde bald wieder bei ihm sein. Er würde ihn umarmen, mit ihm sprechen, mit ihm Tanzen, mit ihm einfach nur stundenlang sprechen. Und er würde ihm sagen, dass er ihn über alles liebte. So sehr, dass er für ihn sterben würde.
Martín öffnete die Schachtel.
Die Pistole war zwar etwas verstaubt, aber es gab noch Patronen und sie war noch einsatzfähig.
Er ging wieder zurück ins Wohnzimmer, setzte sich vor die große Fensterfront und genoss noch ein letztes Mal den Blick auf Palermo und das Mittelmeer, das von der untergehenden Abendsonne in einen ganz besonderen Farbton getaucht wurde.Er schloss seine Augen und hielt sich die Waffe direkt an die Schläfe.
Doch er begann zu zittern. So stark, dass er nicht in Stande war, die Pistole zu laden.
Sein Gesicht wurde mit Tränen durchtränkt, als er zitternde und ängstlich die Waffe sinken ließ.
Martín stütze sich auf dem Boden ab.
Er war eben doch nur ein verdammter Feigling, der es nicht rechtzeitig geschafft hatte, der einzigen Liebe seines Lebens seine wahren Gefühle zu offenbaren, und der es jetzt nicht einmal schaffte, zu ihm zurückzukehren.
Martín legte sich einfach nur auf den Rücken und beobachtete die Risse in der Decke.
Geh und heile deine Wunden.
Das hatte Andrés zu ihm gesagt, als er ihn das letzte mal lebend gesehen hatte.
Aber Martín konnte ihn nicht einfach so hinter sich lassen, er konnte nicht aufhören, ihn zu lieben. Das wollte er einfach nicht.
Früher oder später würde der Tag kommen, an dem sie sich wieder sehen würden, aber vorher musste Martín einfach noch eine Sache tun. Er musste das Gold stehlen.
Für Andrés. Für Berlín.
Hey❤
Ich hoffe, der erste Oneshote hat euch gefallen, wenn ja, gebt mir doch gerne eine Abstimmung😂🥰
Hier werden ganz unterschiedliche Oneshotes über die beiden kommen, also wenn ihr Ideen/Wünsche habt, könnt ihr sie gerne in die Kommentare schreiben.
Ich habe auch schon eine Belermo FF, ihr könnt da gerne auch noch reinlesen.
Habt noch einen schönen Abend❤