🌹dear diary🌹

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Am liebsten hätte Martín gerade sein Tagebuch vollgekritzelt, so wütend war er.

Auf Andrés, auf Tatiana, auf sich selbst.

Er saß in der kleinen Kapelle, obwohl er bei dem guten Wetter lieber draußen war, doch dort musste er zwangsläufig bei seinem besten Freund und seiner neuen, nervtötenden Freundin sein, und das wollte er vermeiden, also verbrachte er den Nachmittag im Kloster.

Er hörte Musik, lag auf dem Sofa und las seine alten Tagebucheinträge.

Eigentlich hörte es sich inzwischen für sein Alter kindisch an, wie Martín fand, ein Tagebuch zu führen, aber ihm half es, die letzten Jahre zu verarbeiten.

Zuerst hatte er in Buenos Aires seine Eltern und seinen Bruder verloren und war selbst damals nur knapp dem Tod entkommen, dann musste er sich mit Diebstählen über Wasser halten, bis er Andrés kennengelernt hatte. Zusammen waren sie nach Europa, und da hatte dann alles schlimme angefangen: Er hatte sich in ihn verliebt, war ihm blind überall hin gefolgt, und daher war es für ihn das schlimmste gewesen, als Andrés kurz im Gefängnis war, doch das einzige, was Martín noch mehr verletzte, waren die Momente, in denen Andrés ihm eine seiner neuen Frauen vorstellte, die er nicht einmal halb solang kannte wie ihn, und denen er nicht blind vertraute.

Ich bin doch immer da für dich, wollte Martín Andrés jedes Mal anschreien, wenn dieser wieder verraten wurde, aber er traute sich nicht, seinem besten Freund seine Gefühle zu gestehen, weil er einfach Angst vor dessen Reaktion hatte.

"Was machst du da?", fragte jemand.

Vor lauter Schreck ließ Martín das Tagebuch fallen, welches sofort von seinem Freund aufgehoben wurde.

"Gib das wieder her!", zischte Martín und hoffte, dass er sich nicht allzu panisch anhörte.

Er versuchte, ihm das Buch abzunehmen, doch Andrés war leider etwas größer und stärker, weshalb er keine Chance hatte.

Andrés schuckte ihm auf das Sofa, sodass er ungestört eine Seite aufschlagen und sie lesen konnte.

Martín wusste genau, was sein Freund da gerade las, denn fast das ganze Tagebuch war voll über ihn, und seinem Blick nach zu urteilen las Andrés gerade irgendetwas über sich selbst.

Martín wollte gerade am liebsten vor Peinlichkeit im Boden versinken, aber das war wohl unmöglich.

"Du liebst mich also", stellte Andrés fest, legte das Buch behutsam auf den Wohnzimmertisch vor ihm und setzte sich neben Martín, welcher nur kurz als Antwort nickte.

Sie schwiegen einige Momente, bis Andrés schließlich diese unangenehme Stille unterbrach.

"Ich weiß nicht, was das zwischen uns ist. Es ist zu tief für eine Freundschaft, aber ich weiß nicht, ob es Liebe ist."

Martín schaute ihm vorsichtig in die Augen.

"Dann lass es uns ausprobieren", flüsterte Martín zaghaft und beugte sich langsam zu ihm, und als Andrés nichts darauf antwortete, küsste er ihn kurz vorsichtig, doch als er merkte, dass sein Freund ihn nicht erwiderte, hörte er schnell wieder auf, und ließ sich wieder nach hinten fallen.
Konnte dieser Tag eigentlich noch peinlicher werden?

Natürlich konnte Martín ihn auch etwas verstehen, denn schließlich saß seine zukünftige, neue Frau draußen und wartete auf ihn, doch er hatte es sich einfach zu sehr gewunschen.

"Tut mir leid-", versuchte Martín sich zu entschuldigen, doch er wurde unterbrochen, als Andrés schnell dessen Lippen auf seine eigenen legte.

"Es ist richtig so", flüsterte Andrés lächelnd nach einer Weile, bevor er wieder aufstand, um nach seiner Frau zu sehen.

"Bis heute Abend, cariño", meinte er noch, als er den langen Gang entlang nach draußen lief, und einen völlig überraschten Martín zurückließ.





🥀[Belermo Oneshots]🥀Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt