Elian
»NEIN!«
Panisch schüttelte Klaudius seinen Kopf und ballte seine Hände zu Fäusten. Die Verzweiflung war ihm offen ins Gesicht geschrieben. So einen Ausdruck hatte ich noch nie an ihm gesehen. Nicht ein einziges Mal in all den tausenden von Jahren in denen ich sein Bruder war.
»Ich habe meinen großen Bruder gerade erst wiederbekommen! Ich will ihn nicht schon wieder verlieren!«
Mitleidig sah Alexi von ihm zu mir und legte mir erneut ihre Hand aufs Herz. Sie schloss ihre Augen und atmete tief durch. Magie pulsierte durch meinen Kreislauf. Sie setzte sich in Kontakt mit der Dunkelheit, jedoch konnte sie nichts gegen sie ausrichten. Die Verrottung saß zu tief.
»Der Dämon belastet sein Herz und wirkt sich so auf seinen ganzen Körper aus. Selbst auf seine Seele. Jegliche Aufregung, sei es nur körperliche Anstrengung, führt zu einer größeren Belastung. Den Zauber, den ich auf seine Kette gelegt habe, ist zu schwach, um Elians Dämon zu unterdrücken. Und ich besitze nicht die Kraft, um sie stärker zu machen.
Wäre sein Herz nicht so unerwartet belastet, hätte meine Magie ausgereicht, aber sein Herz ist zu schwach. Das habe ich nicht gesehen und bedacht, als ich die Kette herstellte. Er trägt Schäden an seinem Herzen, die ich nicht mit meiner Magie heilen kann und keine mir bekannte Person oder Gegenstand. Es sind seltsame Narben, als wäre er zu oft dort verletzt worden, dass er nicht mehr fähig war sie zu heilen. Und diese Narben machen sein Herz anfälliger für die Dunkelheit«, erklärte sie.
Ihre Augen blieben noch geschlossen, als sie meinen Zustand beschrieb. Ich konnte nur ahnen, dass es die Verletzungen waren, die sie mir im Kerker zugefügt hatten. Ihre Klingen in meiner Brust. Der Wunsch und die Hoffnung zu sterben.
Erschöpft ergriff ich Alexis Handgelenk und zog ihre Hand von meinem Brustkorb runter. »Du hast getan, was du konntest«, sagte ich schwer atmend.
Wir konnten nichts mehr tun. Wir konnte nur noch auf meinen Tod warten. Auf das oder meine entgültige Wandlung in einen Dämon. Aber bevor das geschah, würde ich mich eher selbst umbringen oder sie anflehen, mich zu erlösen. Wenn also keine wundersame Heilung auftauchte, würde ich...
»Aber das kann doch nicht alles gewesen sein!«, krächzte Klaudius wimmernd. Ihm standen Tränen in den Augen. Verzweifelt sah er immer wieder zwischen den Personen im Wohnzimmer her. Flehend, bittend, hoffnungsvoll.
Er wollte die Realität nicht akzeptieren. Und jetzt verstand ich immer mehr, wie er nach meinem falschen Tod in einen solchen Abgrund fallen konnte. Wie er lieber so garstig war, als ich zurückgekehrt war. Weil er Angst hatte. Weil er mich bereits einmal verloren hatte und es nicht noch ein zweites mal tun wollte. Und meine ganze Rückkehr beinahe angedeutet hatte, dass ich wieder gehen würde.
»Sag du doch auch was dazu! Elian ist dein Gefährte! Wie kannst du nur still dastehen und nichts sagen, wenn er dabei ist zu sterben!«
Zwar warf Klaus Silvan diese Dinge vor, doch ich wusste, was wirklich in Silvan vorging. Spürte es tief in mir, obwohl er seine Gefühle vor mir verschloss, damit er mich nicht noch mehr belastete.
Silvan versuchte sein bestes, um nicht in Tränen auszubrechen, denn das half mir auch nicht. Er versuchte stark zu bleiben — kämpfte gegen die Hoffnungslosigkeit. Aber er brauchte nicht stark sein. Silvan durfte sich seinen Gefühlen hingeben. Doch leider würde er das nicht zulassen, jedenfalls nicht jetzt. Noch nicht.
Erst wenn wir alleine waren und er sich gegen mich krümmen konnte. Wenn er weinen und schreien konnte. Wenn er flehen konnte, dass das nicht fair war. Wenn er alles tun würde, um seine Gefühle nicht länger in sich zu behalten.

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Forest Spirit
Fantasy*wird heavily überarbeitet und bald ins Englische übersetzt!* Cover Credits gehen an @Beyond_Borderland ! Danke für dieses fantastische Cover! ☪ Elian, der verfluchte Waldgeist, der zu einem Walddämonen wurde und seinen Gefährten in der Geschichte v...