XLII

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Florian

Die Nacht verbringe ich im Wald, da ich Abends nicht unbedingt scharf darauf bin eine unbekannte Stadt zu betreten. Vor allem, weil Städte meist Vampirgebiet sind. Das letzte was ich jetzt gebrauchen kann ist ein von der Dunkelheit gebuffter Vampir, welcher sein Territorium verteidigen möchte. Am Morgen erlaube ich es mir zu jagen und erwische am Waldrand auch bald einen Hasen. Gestärkt verwandle ich mich nun in meine Menschliche Gestallt zurück und gehe, James' Spur folgend, in die Stadt hinein. Ich vermute, das er noch immer in der Stadt ist und sich darin einen Ort zum Übernachten gesucht hat. Er muss müde sein, immerhin hat er die Nacht zuvor nicht wirklich Zeit gehabt zu schlafen.

Mit staunen sehe ich mir die Menschen und Gebäude an. Ich war noch nie in einer fremden Stadt. Meine Eltern haben es immer als zu gefährlich empfunden. Selbst in unsere Stadt durfte ich nur in Begleitung eines Erwachsenen, was ich immer als heftig unfair empfunden habe. Zu gerne habe ich den Geschichten meiner Kameraden zugehört, was sie alles schon für Unfug angestellt haben und welche Abenteuer sie in fremden Städten erlebt haben. Der Gedanke an mein Rudel weckt ein Gefühl in mir, welches ich vorher noch nie empfunden habe: Heimweh. Als ich mit James unterwegs gewesen bin habe ich es kaum gespürt, aber jetzt wo ich alleine bin spüre ich deutlich wie sehr ich die Gesellschaft anderer vermisse.

Schnell schüttle ich den Gedanken ab, um mich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren. James. Ihn will ich finden. An einer Kreuzung bleibe ich stehen und schließe meine Augen, um tief durch zu atmen. Da ist sein Geruch.. er schwebt mir so deutlich vor Augen, als hätte jemand mit einem riesigen Textmarker einen Strich auf dem Boden gezogen. Seinen Geruch könnte ich wahrscheinlich unter hunderten erkennen. Als ich mich der nächsten Kreuzung nähere biegt er vom Fußweg ab. Anscheinend hat er über Nacht Schutz unter der Brücke gesucht. Vor Aufregung schlägt mein Herz etwas schneller. Das bedeutet wahrscheinlich, das ich ihm schon sehr nah bin. Vielleicht ist er sogar noch unter der Brücke!

Schnell beschleunige ich meine Schritte und eile in die Halbdunkelheit unter der Brücke hinein. Sobald ich ankomme ist mir jedoch klar, das hier etwas nicht stimmt. Das sagt nicht zuletzt der fast schon beißend-metallische Geruch aus, welcher in der Luft liegt. Der Geruch von James' Blut ist unmöglich zu übergehen. Automatisch stellen sich meine Nackenhaare auf, während ich mich im Kreis drehe und angestrengt versuche mithilfe der Gerüche zu identifizieren, was hier passiert ist. Das ist gar nicht so einfach, da James' Geruch zuerst alles andere zu überlagern scheint. Dann beginnen sich langsam andere Gerüche abzutrennen. Ein Jogger, welcher in den frühen Morgenstunden hier vorbei gekommen ist.. zwei Katzen und andere Kleinetiergerüche kann ich ebenfalls erkennen.

Dann weht mir der Geruch von noch mehr Blut in die Nase. Altem Blut, welches nicht hier vergossen wurde, sondern von welchem lediglich Reste an den Klamotten und der Haut der Person hafteten. Darunter erkannte ich nun auch endlich den entscheidenden Geruch – ein Geruch, welcher an einen alten Dachboden erinnert, jedoch mit einer eindeutigen individuellen Note darunter, wie sie jeder Vampirclan besitzt. Die Erkenntnis durchfährt mich mit einem deutlichen Schock: James wurde von einem Vampir entführt.

Ich bemühe mich erstmal tief durchzuatmen. James ist bestimmt noch am Leben. Konzentrier dich, du findest ihn wieder. Mit geschlossenen Augen bemühe ich mich der Spur weiter zu folgen, was zum Glück nicht allzu schwierig ist, denn James' Wunde hinterlässt eine, für mich, deutliche Duft-Spur. Ohne Zeit zu verlieren folge ich dieser nun durch die Straßen. Ab und zu stoße ich vor Hindernisse und muss Umwege gehen, denn anders als ich hat sich der Vampir über die Dächer fortbewegt. Einmal hätte ich seine Spur sogar fast verloren, ehe ich sie mit einem Windhauch in einer Seitengasse wieder aufnehmen kann.

So folge ich der Geruchs-Spur durch die halbe Stadt. Augen für die Umgebung habe ich keine mehr. Mein Fokus liegt komplett darauf, James wieder zu finden. Gegen den frühen Nachmittag erreiche ich endlich das Gebäude, in welchem sich offensichtlich die Vampire aufhalten. Es ist ein Altbau und könnte nicht mehr nach Vampir-Lager aussehen. Überall sind die Vorhänge zugezogen, dahinter brennt kein Licht. Das Gebäude sieht verstaubt aus. Nicht nur von innen, sondern auch von außen. Es hat einen gruseligen Flair, welcher es umgibt und Menschen scheinen sich automatisch von diesem Haus fern zu halten.

Ich würde das Gebäude nicht mehr mit einem Wohnhaus vergleichen.. mehr mit einem Wespennest. Der Anblick ist niederschmetternd. Es gibt keine Möglichkeit, wie ich da rein kommen könnte, ohne bemerkt zu werden.
Ich bin vor dem Gebäude stehen geblieben und starre es an. Das ist auffällig, die Leute werfen mir schon Blicke zu. Ich muss vorsichtig sein, hier könnte auch irgendwo ein Vampir unter ihnen sein. Langsamen Schrittes bewege ich mich weiter und beginne darüber nachzugrübeln, was ich machen soll. Ich könnte Mary herbei rufen, allerdings müsste ich dafür die Stadt wieder verlassen.. und das würde dauern. Was, wenn James in der Zeit raus kommt? Oder schlimmer noch: was, wenn es dann schon zu spät wäre? Die Verzweiflung droht mich zu packen, während ich darüber nachdenke, wie es mir möglich sein könnte James zu retten. Erschöpft lasse ich mich auf einer Wiese am Fluss nieder. Witzig, das er auch hier vorbei fließt.. hätte mir viel Arbeit erspart, wäre der Vampir einfach daran entlang her gekommen. Geschafft lasse ich mich ins Gras zurück fallen und sehe grübelnd in den Wolkenbedeckten Himmel hinauf.

It's Hard To Catch A Mate [BxB] (Ger.) ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt