22. Kapitel ~ Geburtsvorbereitung

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Nialls POV

"Und wie wärs mit Anna?", fragte ich inzwischen genervt. Harry seufzte und verdrehte die Augen. "Unsere Nachbarin früher hieß Anna", sagte er, "das war ne richtige Hexe. Mein Kind sollte nicht nach so einer fetten Kuh benannt werden." Ich sah nachdenklich aus dem Fenster und klickte dabei mit meinem Kugelschreiber. Gemmas Kopf lehnte an Harrys Schulter und sie war eingeschlafen. Vor ihr stand ein leeres Nutella Glas und sie schnarchte leise. Verzweifelt guckte ich auf den Zettel vor mir. Es standen schon 54 Namen drauf, aber mit keinem waren alle zufrieden.

"Weißt du was?", sagte Harry plötzlich so laut, dass Gemma hoch schreckte und ihn verärgert anguckte, "wenn das Baby da ist, fällt uns schon ein passender Name für sie ein." "So nach dem Motto, wir sehen Sie uns an und wissen, wie sie heißt?", fragte ich nicht wirklich begeistert von dieser Idee. "Ja", erwiderte Harry entschlossen. "Ich weiß nicht, was wenn uns dann immer noch kein Name einfällt und die dann einfach irgendeinen scheiß in die Geburtsurkunde schreiben." "Ach, jetzt mach dir mal nicht gleich in die Hose Blondie", winkte Harry ab, "das wird schon." Ich seufzte, "was meinst du denn dazu Gemma?"

Gemma hatte sich schon wieder an Harrys Schulter gelehnt und die Augen geschlossen. "Wir warten erst mal ab, ob das Kind überhaupt gesund zur Welt kommt", murrte sie im Halbschlaf, "denn wenn nicht, ist der Name das geringste Problem."
Mit diesen zwei Sätzen weckte Gemma Panik in mir. Darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Es war eine Risikoschwangerschaft, weil das Baby ja durch Inzest entstanden war. Also war es sogar sehr wahrscheinlich, dass da was schief gehen könnte. Meine Handflächen begannen zu schwitzen. Ich stellte mir vor, wie ich meinem blinden Kind erklärte, wie eine Prinzessin aussah, oder ich Sie die Treppen runter trug, weil sie gelähmt war. Aber die schlimmste Vorstellung war, wie ich in irgendeiner Kirche vor einem winzigen Sarg knien würde und mir die Seele für einen Menschen, den ich nie kennenlernen durfte aus dem Leib heulte.

Traumatisiert schon alleine von den Gedanken, starrte ich mit glasigem Blick ins Leere. "Niall?", sagte Harry und fuchtelte mit seinen Händen vor meinem Gesicht rum, "Niall!!" Ich und Gemma schreckten gleichzeitig hoch. "Verdammt, kann man hier nicht mal ein kleines Nickerchen machen?", motzte Gemma. Harry beachtete sie garnicht. Stattdessen fragte er: "Alles okay, Niall?" Ich schluckte, um deutlich reden zu können. "Ja, alles in Ordnung", brachte ich nur über die Lippen und wischte mir die Hände an meiner Hose ab. "Das wird schon", sagte Harry mit beruhigender Stimme. Ich nickte und zwang mir ein schwaches Lächeln auf die Lippen.

"Wie spät ist es eigentlich?", fragte Gemma und gähnte. Harry guckte auf seine Armbanduhr. "15:53 Uhr", sagte er. Gemma nickte, verharrte dann aber abrupt in der Bewegung und riss die Augen auf, "es ist schon kurz vor vier?!" Harry nickte und sah mich fragend an. "Ach du scheiße, ich muss um vier bei der Geburtsvorbereitung sein! Das schaffe ich nicht mehr." Geburtsvorbereitung. Gemma ging jede Woche hin und sie sollte eigentlich auch jeden Tag irgendwelche Übungen machen, aber sie hatte es bis jetzt höchstens zwei Tage am Stück geschafft. "Und heute soll man den Partner mit bringen", setzte Gemma noch nach. Harry sah mich schadenfroh an. "Du brauchst gar nicht so zu gucken", meinte ich, "du bist schließlich der Vater." "Oh, nein Blondie. Ich bin nur Onkel Hazza, du musst mit ihr dahin. Du willst doch nicht, dass die Presse was mit bekommt", sagte Harry triumphierend. Ich schnaubte verächtlich.

"Ach jetzt stell dich nicht so an", sagte Gemma, "das ist gar nicht so schlimm, aber trotzdem sollten wir uns jetzt beeilen, weil sonst können wir auch gleich zu Hause bleiben." "Wär besser so", murmelte ich leise, sodass es niemand hörte, stand aber trotzdem widerwillig auf und Schritt zur Tür. Ich wollte schließlich ein guter Papa sein. Gemma lief mir hinterher. Ich hörte, wie Harry, den Fernseher anmachte. Ich nahm mir den Autoschlüssel vom Haken und trat aus der Tür. "Viel Spaß!", rief Harry uns nach. Schnaufend knallte ich die Haustür zu und stapfte zum Auto. Es war ein wirklich warmer Tag. Die Sonne schien und es war keine Wolke am Himmel zu sehen. "Niall, warte ich bin nicht so schnell", rief Gemma hinter mir. Ich lief stur weiter und setzte mich ins Auto.

Gemma kam schwer atmend hinterher und setzte sich auf den Beifahrersitz. "Ich bin schwanger Freundchen, dass heißt ich trage das Körpergewicht von zwei Personen, also bin ich auch dementsprechend langsamer", sagte sie provozierend. "Ich dachte, wir sollten uns beeilen", erwiderte ich und startete den Motor. Gemma stöhnte und lehnte ihren Kopf an den Sitz. "Du verstehst nicht, dass das wichtig für mich ist, oder?", fragte sie schließlich wieder völlig ernst. "Das mit der Geburtsvorbereitungs scheiße? Ehrlich gesagt nicht, nein", antwortete ich, während ich konzentriert auf die Straße guckte.

Ich sah aus dem Augenwinkel wie Gemma nickte und dann aus dem Fenster schaute. "Warum ist es denn wichtig für dich?", fragte ich seufzend, da ich grade überhaupt keine Lust auf einen Streit hatte. Gemma reagierte nicht. "Gemm, jetzt sei bitte nicht beleidigt", sagte ich genervt, "erklär es mir doch." Nach einer kurzen Zeit Stille zwang sie sich, mich anzusehen. Zu meiner Überraschung hatte Gemma wässrige Augen. "Es ist", murmelte sie mit belegter Stimme, "es ist nur so, dass es für mich auch nicht einfach ist."

Stille...

"Ich meine, was wenn etwas schief geht, oder ich das nicht schaffe. Was wenn das Baby stirbt, oder ich. Oder wenn die Presse die Wahrheit raus bekommt, Niall dann muss ich in den Knast und du und Harry auch. Und unser Baby muss ins Heim. Das will ich ihr nicht antun."

Wieder Stille...

"Ich weine jeden Abend, wenn ich in meinem Bett liege", flüsterte Gemma schließlich, "weil ich daran denke, was alles schief gehen kann und dann möchte ich am liebsten alles rückgängig machen. Und die Geburtsvorbereitung erinnert mich wieder an die positiven Sachen. Und alle sind so nett und machen das gleiche durch wie ich. Naja, vielleicht nicht ganz, aber trotzdem fühle ich mich da nicht so allein, wie sonst."

Ich merkte, wie Gemmas Worte auch mir auf die Tränendrüsen drückten. Ich umklammerte einfach nur das Lenkrad und versuchte, die richtige Antwort zu finden. Ich atmete tief ein. "Du bist die stärkste Frau, die ich je in meinem Leben getroffen habe", sagte ich, "und du wirst nie alleine sein. Niemals. Ich weiß, dass das alles nicht einfach ist und wohl auch nicht einfach sein wird und ich weiß, dass es einen echt verrückt machen kann, dass man es fast keinem erzählen darf. Aber Harry und ich, wir werden immer für dich da sein, egal was passiert. Wir schaffen das zusammen, ok?" Bei den letzten Worten guckte ich Gemma an und lächelte leicht. Ihr rollte eine Träne über die Wange und sie nickte. "Danke", flüsterte sie.

Siblings don't fall in love (Harry Styles)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt