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Mila POV

Dort stand er. Mit einer viel zu großen Jeans, einem weißen Shirt, das voller Flecken war, mit etwas längeren, fettigen Haaren und einer Whiskyflasche in der Hand. Sein Gesicht war ungepflegt und faltig. Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. „Geh mir aus dem Weg", sagte er mit seiner kratzigen Stimme, während er mich nach hinten schubste. Ich stieß mit der Hüfte gegen die Kante der Kommode. Schmerz durchzog meinen Körper. Torkelnd lief mein Dad an mir vorbei. „Jake" grölte er betrunken durchs Haus „Cole". Er stützte sich mit seiner freien Hand an der Wand ab. „Mike! Alex! Wo sind denn meine Jungs?" schrie er mit einem liebevollen Unterton. Unsicher lief ich zu ihm. „Bleib weg", schrie er hasserfüllt und nahm einen großen Schluck aus seiner Whiskyflasche. Langsam lief er ins Wohnzimmer. Er schrie weiterhin nach meinen Brüdern. „Sie sind nicht da", sagte ich nach einer Weile. „Mit dir rede ich nicht" grölte er, was mich zusammenzucken ließ „Ich will mit meinen Jungs sprechen, nicht mit dir". Torkelnd lief er ins Esszimmer. Verunsichert blieb ich in der Eingangshalle stehen. Plötzlich hörte ich ein Poltern aus der Küche. Schnell lief ich hin, um nachzusehen. Mein Dad lag auf dem Boden. Ich ging zu ihm und wollte ihm hoch helfen, aber er stieß mich weg, „hau ab". Im Zeitlupentempo zog er sich, an den Schubladengriffen, nach oben. Als er wieder stand, nahm er erneut einen großen Schluck aus seiner Flasche. Wütend sah er mich an. „Du bist an allem Schuld", schrie er und kam auf mich zu. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich war so verwirrt. Er war nie da, hatte sich nie für mich interessiert, aber trotzdem vermisste ich ihn. Er war mein dad, der plötzlich wieder vor mir stand. Ich will ihn einfach nur in den Arm nehmen. „Dad" begann ich, aber er unterbrach mich „nenn mich nicht so!". „Aber Dad" begann ich erneut „Du sollst mich nicht so nennen" schrie er wütend und schuppste mich heftig nach hinten. Ich verlor mein Gleichgewicht und fiel auf den Boden. Mit meinem Kopf stieß ich gegen einen Schubladengriff. Es dauerte einen Moment bis ich realisierte, dass ich auf dem Küchenboden lag. Mein Kopf tat fürchterlich weh. Mein Dad sah mich verächtlich an, bevor er sich umdrehte und durch das Esszimmer in das Wohnzimmer lief. Es tat weh. Nicht nur mein Kopf, sondern auch die Tatsache, dass sich mein dad überhaupt nicht für mich interessierte. Langsam rappelte ich mich auf. Meine Beine waren total zittrig. Ich stützte mich am Kühlschrank ab, um nicht umzufallen. Erneut hörte ich die leise Stimme von meinem Dad. Durch die Fensterfront sah ich die Sterne am Nachthimmel leuchten. Kalter Wind pfiff, durch die öffne Fensterfront im Flur, herein. Ich bekam Gänsehaut am ganzen Körper. Als ich am Türrahmen zum Wohnzimmer ankam, konnte ich ihn sehen. Wortlos blieb ich stehen. Er saß auf dem Boden und sah sich ein Bild auf seinem Handy an. „Mein Schatz", flüsterte er. Eine Träne tropfte auf sein Handy. Beherzt nahm er ein paar Schlücke aus seiner Flasche. Auf dem Bild war meine mom. Sie lächelte in die Kamera. Ihre blonden, lange Haare hingen ihr ins Gesicht. Sie war so hübsch. Mit ihrem Lächeln brachte sie das ganze Bild zum Leuchten. Es tut so weh, dass sie nicht mehr da ist. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Meine Sicht verschwamm. Schnell wischte ich mir meine Tränen weg und zog meine Nase hoch. Sofort lag der Blick von meinem Dad auf mir. So liebevoll wie er gerade meine mom angesehen hatte, so Hasserfüllt blickte er nun zu mir. „Du hast sie mir weggenommen", schrie er wütend. „Sie war alles für mich, aber du hast alles kaputt gemacht"! Er versuchte aufzustehen, aber fiel immer wieder auf den Boden. Beim 4. Versuch hatte er es endlich geschafft und stand. Langsam torkelte er auf mich zu „wir waren eine so glückliche Familie, bis du auf die Welt kamst. Ich habe dich von der ersten Sekunde an gehasst, du bist der größte Fehler, der mir passiert ist" sagte er zornig und nahm weitere Schlücke aus seiner Flasche. Ängstlich ging ich ein paar Schritte zurück, aber er kam immer weiter auf mich zu. „Weißt du, ich wollte dich komplett ignorieren, aber plötzlich warst du der Mittelpunkt in unserer Familie. Alles drehte sich nur noch um dich. Deine Brüder und deine mom, du warst alles für sie, aber ich, ich habe dich abgrundtief gehasst. Ich habe es nicht verstanden, wie man dich nur lieben konnte. Deine mom und ich haben uns immer mehr gestritten, sie meinte, ich soll mich mehr um dich kümmern, du bist schließlich meine Tochter, aber ich habe ihr gesagt, dass du für mich vieles bist, aber nicht das. Sie meinte, dass sie keinen Mann lieben kann, der sein eigens Kind so verabscheut und hat sich von mir getrennt. Danach wollte sie das ich auch zu deinen Brüdern keinen Kontakt mehr habe und hat mir das Sorgerecht weggenommen" sagte er und wischte sich die Tränen weg. Es war ihm deutlich anzusehen, wie betrunken er war. Ich lief immer weiter nach hinten, doch er kam immer näher. „Du hast mir meine Familie weggenommen, wir waren perfekt bis du kamst", schrie er. Ich spürte das Gras unter meinen Füßen, als ich langsam in den Garten lief. „Du warst so klein, aber hast was so Großes kaputt gemacht", schrie mein Dad. Warum sagt er das? Ich wollte nie was kaputt machen. „Du bist schuld an ihrem Tod. Wenn du nicht auf die Welt kommen wärst, wären wir noch zusammen und dann wäre alles anders gewesen" meinte er und trank erneut aus der Flasche „Du hast keinen mehr, keine Familie, keine Eltern, deine Brüder kümmern sich nur aus Mitleid um dich". Ich ging noch einen Schritt nach hinten und fühlte plötzlich die Fliesen unter meinen Füßen. Ich drehte mich um und sah, dass ich direkt vorm Pool stand. Mein Dad blieb ganz knapp vor mir stehen. Seine Augen waren rot. Er roch total nach Alkohol. „Bitte Dad", sagte ich. „Du sollst mich nicht so nennen", schrie er und schubste mich nach hinten. Kurz darauf spürte ich, wie das kalte Wasser, das mich umgab. Meine Haare und Klamotten sogen sich voll. Ich öffnete meine Augen. Durch das Wasser sah ich meinen Dad. Alles war verschwommen. Ich stieß mich mit den Füßen vom Boden ab und schwamm an die Oberfläche. Ich atmete tief durch. Langsam zog ich mich an den Rand und stieg aus dem Wasser. Sofort überkam mich Gänsehaut und ich begann zu zittern. Es war so kalt. Ich blieb auf den Knien sitzen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Die Tränen schossen auf meinen Augen raus. Die Schritte meines Dads durchbrachen die Stille. „Steh auf", sagte er fordernd. Ich hob meinen Kopf und sah zu ihm hoch. Seine Augen waren total hasserfüllt. Zitternd stand ich auf. Langsam lief er an mir vorbei. Ich hörte, wie er hinter mir stehen blieb. „Du hast mir meine Frau, meine Kinder, mein Job, du hast mir einfach alles weggenommen", schrie er. Plötzlich hörte ich eine Glasflasche hinter mir auf dem Boden zerspringen. Um mich herum war alles voller Scherben. „Du kannst alles wiedergutmachen, wenn du willst" hörte ich seine Stimme an meinem Ohr. „Wie denn?", fragte ich unter Tränen. Es war alles so viel. Ich war total durcheinander. Ich vermisste meinen dad, ich wollte ihn zurück, aber auf der anderen Seite wusste ich, dass er nie das für mich sein wird, was ich mir erhoffte. Er hat sich vor langer Zeit gegen mich entschieden, trotzdem tat es weh, dass er mir das gerade nochmal so demonstrierte. „Willst du deine Mama zurück?", flüsterte er mir zu, bevor ich etwas sagen konnte, schrie er „dann geh zu ihr". Ich spürte seine Hände auf meinem Rücken und dann flog ich nach vorne auf den Boden. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich mit meiner rechten Hand abstützen. Es begann zu brennen. Vorsichtig hob ich meine Hand und setzte mich auf meine Füße. Ich spürte, wie das Blut meinen Arm runterlief. Alles war Rot. Im Mondschein sah ich eine Glasscherbe in meiner Hand glitzern. Mit zittrigen Händen zog ich sie raus. Sie war nicht groß, aber kann so viel Anrichten mit ihrer scharfen Kante. „Los mach es, tu uns alles den Gefallen und geh zu deiner mom ", flüsterte mein Dad. Mein Blick fiel auf meine Handgelenke. Sie waren voller Blut. Ich sah wieder die Scherbe in meiner Hand an. Sie glänzte im Mondlicht. Es wäre so schnell vorbei. Ich will nicht sterben, aber ich will meine mom zurück ... 

Big Brothers 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt