Kapitel 3

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Kapitel 3

Es war immer wieder erstaunlich, dass ein Alpha so ein weiches, dichtes Fell hatte. Bei näherer Betrachtung stellte Isanami fest, dass er einige kleine Narben hatte, die ihm etwas Besonderes verliehen. Wahrscheinlich hatte er diese aus zahlreichen Kämpfen davongetragen. Sie waren zudem ein Zeichen, dass der Alpha stark war und sich durchsetzen konnte.

„Steigt auf", bat Travis mit dunkler, fast knurrender Stimme.

Zögerlich kam Isanami dieser Aufforderung nach. Es war nicht ganz so einfach, aufzusteigen, doch dann saß sie und hielt sich vorsichtig fest.

Travisˋ Körper war groß, breit und bequem zu sitzen. Isanami spürte die mächtigen, starken Muskeln unter sich. Vor allem, als er sich in Bewegung setzte. Dabei schien er aufzupassen, dass sie nicht herunterfiel.

Isanami war schon Ewigkeiten nicht mehr geritten, aber sie genoss es, sich nicht selbst bewegen zu müssen. Es strengte sie an, weshalb sie dankbar war, dass Travis sie reiten ließ. Sie wusste, dass Werwölfe es nicht gerne hatten, einen Passagier auf dem Rücken zu haben. Er schränkte sie in ihren natürlichen Bewegungsabläufen ein.

Wenn er als Alpha so freizügig mit seiner Gunst war, dann war es wirklich problematisch. Es musste sehr schwer um Mondland stehen.

Darum war er auch sehr schnell, aber vorsichtig. So erreichten sie das Gebiet der Werwölfe in wenigen Stunden. Die Elfen, denen sie begegneten, wirkten alle sehr skeptisch und nicht, als würden sie Isanami erkennen.

Was auch gut so war. Sonst würden sie vielleicht denken, dass der Werwolf sie entführte.

Sobald Travis die Grenze zu Mondland überquert hatte, spürte Isanami, dass er sich ein kleines bisschen entspannte, obwohl er zügig weiterging. Gleichzeitig erkannte sie aber auch, wie Mondland sich verändert hatte. Gerade jetzt, als der Himmel sich von seiner Schwärze trennte und langsam in ein helleres Blau überging, sah es völlig anders aus als sie es in Erinnerung gehabt hatte.

Vielleicht lag es aber auch an ihren Augen.

Sie erkannte die weiten Wiesen, die dichten Felsen und den Wald. Alles war bekannt und doch so ganz anders, als früher. Aber woran genau es lag, wusste sie nicht.

„Wo haust dein Rudel?", wollte sie leise wissen und versuchte, etwas zu erkennen.

„In den Höhlen zwischen den Klippen und Felsen", antwortete der Werwolf und drehte seinen Kopf in die Richtung, damit Isanami wohl wusste, wohin sie gehen würden. Der Nebelschleier, der wie ein Unheil verkündendes Band über den Klippen und Felsen lag, machte es nicht einfach, sie im Zwielicht auszumachen.

Isanami konnte sie nur erraten. „Wie groß ist dein Rudel?"

„Einst waren wir tausende. Vor langer Zeit. Jetzt sind weniger als hundert übrig", antwortete er, während er über die feuchten Wiesen schritt. Er schien es zu genießen, die Morgensonne auf seine Art und Weise zu begrüßen. Wie das jedoch aussah, konnte Isanami nicht sagen.

Das erklärte, warum hier so wenig los war. Wenn sie nur noch weniger als hundert waren, dann war es wirklich dringend. Es gab kaum noch Werwölfe und wie es schien, waren diese dabei, auszusterben. „Woher wusstest du, wo ich bin?", wollte sie neugierig wissen. Es kam immerhin nicht oft vor, dass ein Werwolf an ihrer Tür klopfte.

„Mein Berater hat es vermutet. Dieser Spur bin ich gefolgt", erklärte er knapp und klang, als würde er hoffen, dass in seiner Abwesenheit nichts passiert war. Er wirkte gehetzter, je mehr sie sich den Höhlen näherten.

„Dein Berater", murmelte Isanami. Sie wusste, dass die Berater des Alphas sehr alte Wölfe waren. Daher war die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn kannte, hoch.

Unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt