Kapitel 35
Die quälende Hitze war dank Isanami nicht so schlimm, wie die Gruppe anfangs gedacht hatte. Der Pfad, den sie entlang gingen, führte sie direkt zum großen Vulkan, der ständig Feuer spuckte. Seit sie sich auf den Weg gemacht hatten, war es ruhig gewesen. Zu ruhig, wenn Isanami ehrlich war. Wo waren all die Drachen, die über das Gebiet herrschten? Sie war davon ausgegangen, dass sich auch dieses Volk gegen sie stellen würde.
Wobei hier weniger die Sprache von einem Volk war. Drachen waren schlaue Wesen, aber sie beherrschten keine Sprache und glichen den Tieren mehr als den Menschen. Sie waren instinktgetrieben und würde ihr Territorium verteidigen.
Hoffentlich würde das nicht passieren, denn sie waren sehr stark und konnten leicht töten. Isanami folgte der Spur ihres Fragments, die sie immer weiter zum großen Vulkan brachte. Hier waren die Schwefelfelder viel mehr als im äußeren Bereich. Das Brodeln der Seen war angsteinflößend, doch mit ihrer Macht beschützte sie die Gruppe vor Schäden.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie tatsächlich kleinere Drachen und spannte sich an. Drachen waren sehr stark und sie würde selbst in ihrer jetzigen Gestalt kaum gegen sie bestehen.
Sie sah, wie sie misstrauisch beäugt wurde, aber dennoch griffen die Drachen nicht an. Es wirkte, als wären sie noch sehr jung und spielten miteinander.
„Sie haben Nachwuchs. Das ist nicht gut", murmelte sie, denn das machte die Drachen aggressiver.
„Wir sollten uns beeilen", stimmte Travis zu. „Wo denkst du, ist das Fragment?", wollte er wissen und sah sich um. Auch jetzt trug er sie, da er wohl davon ausging, dass sie noch verletzt war.
„Im Vulkan", meinte Isanami nicht begeistert. „Wir müssen wirklich aufpassen", sagte sie, als sich ihnen plötzlich ein Drache näherte. So schnell, dass sie nicht reagieren konnten. Feuerspuckend schoss er über sie hinweg und nur der Schild, den Isanami schon die ganze Zeit aufrechterhielt, rettete sie.
„Himmel, sind die groß", keuchte Ciira erschrocken und krallte sich an Finn fest. Dieser schien nicht minder erschrocken zu sein.
„Können wir alle in den Vulkan? Oder willst du allein gehen, genau wie in der Schlucht des Todes?", fragte Travis nachdenklich. Er überlegte scheinbar, was der beste Weg war, heil aus der Sache herauszukommen.
Isanami zögerte. „Ich kann euch hier nicht zurücklassen", sagte sie ernst. „Ihr müsst mitkommen. Zusammen sind wir sicherer."
„In Ordnung", erwiderte Travis. „Wie gelangen wir hinein?"
„Erst einmal hoch", meinte sie und deutete auf den großen Vulkan. „Danach kann ich uns hinabschweben lassen."
Der Aufstieg würde sich jedoch als schwer erweisen. Der dünne Pfad, der sich nach oben schlängelte, war von glühenden Lavaströmen umgeben. Im schlimmsten Fall würde einer direkt auf sie zukommen, wenn sie diesen entlanggingen.
Isanami blickte nachdenklich die Wand hinauf. „Wir sollten uns etwas überlegen", meinte sie unruhig. „Das wird zu gefährlich."
Finn wollte zögernd wissen, ob sie genug Kraft hatte, sie, wie am Vortag, in einer Blase nach oben zu bringen.
„Könnte ich, aber ich mache mir Sorgen um die Drachen", gestand sie, denn diese hatten sie im Blick und lauerten überall.
Ihr entging nicht, dass sie misstrauisch beäugt wurden. So schwer hatte sie es sich nicht vorgestellt, den Vulkan zu erklimmen. Wie sollten sie so nach oben kommen? Das Fragment war deutlich spürbar und rief nach ihr. Ob sie es zu sich schweben lassen konnte?
Ein Fragment zu bewegen war eine schwierige Sache und würde sie wesentlich mehr Kraft kosten, als die Gruppe schweben zu lassen. Zudem würde es wohl die Drachen noch mehr auf sie aufmerksam machen. „Wir schweben eng an der Wand entlang", entschied sie schließlich.
Damit schienen sie einverstanden zu sein. Sie stellten sich dicht zusammen, sodass sie weniger Angriffsfläche boten. „Wir sind soweit", sagte Travis schließlich.
Isanami nickte und atmete tief durch. „Gut", sagte sie langsam und schloss die Augen, während sie den Zauber wirkte. Jetzt, wo sie sich besser fühlte und ihre Magie nicht mehr ganz so unkontrolliert war, war es schwerer, doch sie schaffte es.
Sie musste sich stark konzentrieren und gleichzeitig auf die Drachen aufpassen, die sie noch immer beäugten. Durch das Schweben wurden die Tiere noch aufmerksamer.
Sie wirkten, als würden sie jederzeit angreifen, doch noch kamen sie nicht näher.
Alle Parteien wirkten angespannt und vorsichtig.
Isanami ließ die Kugel nur langsam schweben, denn sie hatte Angst, mit zu schnellen Bewegungen, die Drachen auf sich aufmerksam zu machen.
Wie lange sie für den Aufstieg brauchten, konnte Isanami nicht sagen, aber sie musste erst einmal verschnaufen, als sie an der höchsten Stelle ankamen. Von dort aus ging es steil nach unten. Unter ihnen lag ein gigantischer Lavasee, in dem sogar einige Dracheneier lagen. Dort wurden sie anscheinend ausgebrütet. Der Rauch, der von dort aufstieg, machte der Gruppe nichts aus, da Isanamis Kugel sie beschützte.
„Das Fragment ist genau zwischen den Eiern", bemerkte Isanami wenig begeistert. Das gefiel ihr gar nicht.
„Was?", fragte Travis mit gequältem Gesicht. „Wie sollen wir das von dort holen?", wollte er wissen und kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht wäre es ratsam, es schnell zu holen und dann schnell zu verschwinden", schlug Isanami vor, war sich jedoch unsicher.
Ob sie jedoch so schnell fliegen konnte, wusste sie nicht. Ihr blieb nichts anderes übrig, als es zu versuchen.
Am liebsten wäre ihr, wenn Travis nach dem Fragment griff, doch das würde nichts bringen. Sie musste es selbst machen.
„Einwände?", fragte sie in die Runde.
Alle schüttelten den Kopf. Ihnen fiel wohl keine andere Möglichkeit ein. „Ich halte dich fest, damit du danach greifen kannst", versicherte Travis.
„In Ordnung", seufzte sie und konzentrierte ihre Magie auf einen Befehl. Sie würde der Kugel die Richtung sagen und nicht anhalten. Schnell vorbei und dann weiter.
Je näher sie dem Lavasee kamen, desto heißer wurde es. Trotz ihrer Schutzhülle war es deutlich spürbar. Glücklicher Weise kam dabei keiner zu schaden.
Sie näherten sich immer weiter dem Fragment, das gut eingebettet zwischen den Dracheneiern lag.
„Jetzt wird es gleich schnell", warnte Isanami angespannt und die Kugel beschleunigte sich.
Ciira krallte sich an Finn fest, weil sie es scheinbar nicht gewohnt war. Dieser blieb ruhig und Travis veränderte seine Position, damit Isanami nach dem Fragment greifen konnte.
Der Weg dorthin war nicht sehr einfach, denn der brodelnde See spuckte Lava in die Höhe und sie musste ausweichen.
Trotzdem schaffte sie es, immer näher zu kommen und schließlich danach zu greifen. Sofort ging die Macht in sie über und Isanami keuchte. Das war nicht gut. Sie spürte sofort, dass die Magie außer Kontrolle geriet und schnell versuchte sie zumindest einen halbwegs sicheren Ort anzusteuern.
Das war jedoch nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte. Als sie nach oben flogen, erkannte sie Schatten über sich und wusste, dass sie in Gefahr waren. Sie erstarrte beinahe und blieb mit ihrer Kugel in der Luft hängen.
DU LIEST GERADE
Unter Wölfen
RomanceIn Ascur herrschen die gefallenen Götter. Sie regieren über die meisten der magischen Wesen, doch nicht über das Wolfsrudel in Mondland. Dieses ist autonom, doch die Vampire greifen immer wieder an. Weil diese einen gefallenem Gott dienen, kommen di...