Kapitel 30

692 53 6
                                    

Kapitel 30

Sie stieg wieder auf Travis' Rücken und gab die Richtung an. Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung und sie spürte, wie sie sich dem Fragment näherten. Neben ihr konnte anscheinend auch Travis die Geister sehen, während sie den anderen verborgen blieben.

Sie fühlte sich immer unwohler, je mehr Geister um sie herum auftauchten. Für Isanami war das kein gutes Zeichen und sie hoffte sehr, dass es nicht zu Problemen kam. Gleichzeitig waren die Geister aber auch ungefährlich und Ghule oder Widergänger konnte sie im Moment nicht ausmachen.

Riri schien sich wohlzufühlen. Ein bisschen eingeschüchtert vielleicht, doch Isanami erkannte, dass das Geistermädchen sich freute, Gleichgesinnte zu sehen.

Sie unterhielten sich, während die Gruppe weiter durch die karge, dunkle Landschaft lief. Alles wirkte irgendwie verbrannt und leblos. Ein Ort, den Isanami lieber meiden würde, doch ihr Fragment war hier und sie konnte es immer deutlicher spüren.

Mit ihr als Koordinatorin verliefen sie sich wenigstens nicht. Das war ein großer Vorteil und sparte ihnen Zeit. Amüsiert bemerkte Isanami, wie Riri sich mit den Geistern anlegte und ihnen Streiche spielte. Sie war wirklich ein kleines Kind, das gerne spielen wollte. Seitdem sie tatkräftig bei Isanamis Befreiung mitgeholfen hatte, war Travis viel netter zu ihr. Er akzeptierte sie scheinbar, auch wenn er nicht immer ganz glücklich aussah.

Was logisch war, da Riri durchaus nerven konnte. „Wir sind gleich da", meinte Isanami und deutete auf eine kleine Schlucht. Wenn sie es richtig einschätzte, dann war das Fragment dort unten.

„Die Schlucht des Todes", murmelte Ciira und sah in die düsterte Umgebung hinab. „Dort sind schon viele Menschen und Kreaturen verunglückt. Wir sollten vorsichtig sein, dass wir wieder hinauskommen. In den Büchern und Legenden steht geschrieben, dass eigentlich niemand der Schlucht des Todes entkommen kann", bemerkte sie sichtbar nachdenklich.

„Dann solltet ihr hierbleiben", meinte Isanami und meinte es ernst. Sie würde allein nach unten gehen, um niemanden in Gefahr zu bringen.

„Du kannst nicht allein gehen!", protestierte Travis sichtlich abgeneigt davon. „Dir darf nichts passieren. Wenn es schief geht, dann hängen wir alle mit drin."

„Es wird nicht schiefgehen", versicherte Isanami. „Du musst hier bleiben, dein Rudel braucht dich."

Sie sah, dass er etwas sagen wollte, aber dennoch schwieg. „Also gut, aber beeil dich", gab er nach und klang widerwillig. Auch die anderen mussten hierbleiben, auch wenn es ihnen nicht gefiel.

Isanami nickte und trat an die Klippe heran, um nach unten zu sehen. Sie versuchte, das Fragment ausfindig zu machen, doch sie erkannte es nicht genau in der Dunkelheit. Dafür spürte sie es. „Nicht erschrecken", meinte sie nüchtern und sprang dann einfach hinab in die Dunkelheit. Ihre Macht schützte sie und so landete sie unversehrt am Boden.

Die fernen Stimmen ihrer Gruppe hallten noch in ihren Ohren, doch sie wurden von den seltsamen Geräuschen, die hier unten herrschten, verdrängt. Es war wie ein kleiner Sturm, der ihr den Wind um die Ohren blies. Das Fragment war nicht einfach zu entdecken, da Staub und Schmutz wie eine Hülle die Schlucht benetzten.

Davon ließ sich Isanami jedoch nicht beeindrucken und lief langsam umher, um ein Gespür zu bekommen. Dabei näherte sie sich ihrem Fragment und hoffte, dass keine Fallen oder Gegner auftauchten.

Sie spürte keine weiteren Gefahren und kam so immer näher ihrem Fragment entgegen. Als sie nahe dran war, ließ der Wind und die Geräusche plötzlich nach. Es war totenstill und es sah aus, als wäre sie im Inneren eines Sturms.

Unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt