(31) Retten

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"Nur.. nur Sechzig..", flüstert Taehyung die eben ausgesprochenen Worte des Anderen mit seiner tiefen Stimme verunsichert nach.

Schon wieder.

Er fühlt sich ganz komisch - schon wieder -  Augen schließen sich.

60. 60. 60.

Taehyung merkt, dass nur Jungkook's Worte bis jetzt etwas in ihm auslösen konnten. Erst vorhin und jetzt -

60 Sekunden.

Taehyung's Körper erstarrt.

Immer und immer wieder sprechen sich diese zwei Worte in seinem Kopf aus.

Schon wieder fühlt er sich ganz anders.

Er erstarrt wie zerbrechliches Glas. Hat Angst davor, dieses Gefühl zu verlieren, welches sein Körper in Eis gefrieren lässt. 60 Sekunden. Angst davor, dieses heiße, vertraute Gefühl, würde ihm wieder durch den Fingern gleiten. Deshalb erstarrt Taehyung's Körper. Angst davor, jede noch so kleine Bewegung, würde diese Emotionen wieder vetreiben.

Schon wieder wird sein schwarzes Wasser mit etwas anderem in Berührung gebracht, als nur mit der bekanntlichen Leere und Kälte.

Aber nur mit was?

Noch erstarrt. Augen noch geschlossen. Versucht in dieses Gefühl hineinzugehen. Es zu fokussieren und es mit aller Macht festzuhalten. Versucht in dieses Gefühl zu gehen, welches seine Wut, wie nur nach Kerzen auspusten, verschwinden ließ. Will es festhalten. Dieses vertraute, schöne, jedoch auch gleichzeitig stechendende und unangenehme kribbeln, welches durch sein Kopf pulsiert. 60 Sekunden. Will es festhalten.

"Schrei, okay? Schrei. Schrei mich an! Du hast allen Recht dazu! Gebe dich endlich deinen Gefühlen hin! Du hast allen Grund mich zu hassen, zu schreien, ich habe dein Leben-"

"Gerettet", unterbricht Taehyung Jungkook mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck und einem wieder ruhigen, beinahe viel zu ruhigen Ton. Fühlt sich beim aussprechen des Wortes, ihm schon schuldig gegenüber, ihn so angeschrien zu haben. Schafft es nicht. Seine komplette Aufmerksamkeit überträgt sich auf Jungkook. Öffnet nun seine Augen. Schafft es nicht, das Gefühl länger festzuhalten. Als er nun in die unteren, schimmernden Augen blickt. Nun mit ganz anderen Gefühlen konfrontiert wird.

Gerettet? Jungkook's Mimik zuckt auf einem Schlag zusammen und lehnt sich etwas nach hinten. So sehr, sodass er beinahe sein Gleichgewicht verliert. Darauf wollte er doch gar nicht hinaus! Wieso beschränkt sich Taehyung nur darauf?!

'Retten' Das klingt so positiv. So schön. So unschuldig.

So unverdient.

Taehyung greift aber in dem Moment, wo Jungkook nach hinten kippt, schnell nach seinem Arm und zieht ihn wieder zurück nach vorne zu sich. Der innere Monolog von Jungkook wird durch Taehyung's Augen durchschnitten, welche sich sofort wieder aneinander klammern.

Aber nicht nur der Ausdruck von Taehyung's Augen wirft Jungkook aus Bahn, der Ausdruck in welchem er keinerlei Hass erkennen kann. Nicht nur dessen Worte, auf welchen er sich nur auf das 'retten' beschränkt. Nein. Etwas ganz anderes, viel einprägsamerers schließt ihn plötzlich noch viel fester in sein Zimmer der Verzweiflung hinein.

Ein Lächeln.

Von einem Lächeln, was von Taehyung in die Welt geboren wird. Von einem Lächeln, welches er ganz deutlich Jungkook schenkt, wird die Stille mit viel mehr Worten ausgefüllt, als Sätze es jemals ausdrücken könnten. Wie könnte er kein Lächeln Jungkook schenken?

Jetzt. Jetzt versteht Jungkook es. Wie sollte er ihn sonst so anlächeln können. Er erkennt es. Taehyung erinnert sich. Er ist dankbar.

Dankbar, dass er ihn gerettet hat. Er ist dankbar dafür, aber nur weil er sich nur an das retten erinnert. Jetzt ergibt alles Sinn. Der nicht zu erkennbare Hass. Das Lächeln. Die Dankbarkeit.

Just a second (Taekook)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt