1.40 | {Shawn Mendes}

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Ich hatte schon immer eine Schwäche für ihre roten Lippen gehabt, aber heute war es besonders schwer. Ich konnte nicht anders und starrte sie an, als sie Montagmittag den Klassenraum betrat und sich schweigend auf den letzten freien Platz schräg vor mir setzte. Und wieder überkam mich das Gefühl von Reue, welches ich die letzten Stunden erfolgreich verdrängt hatte.

Ich konnte einfach nicht vergessen wie sie mich Samstag Nacht angeschaut hatte. Ihre blauen Augen, die so enttäuscht und traurig gewirkt hatten und wie ihre Unterlippe gezittert hatte. Ich glaube, ich hatte sie furchtbar verletzt und das bereute ich nun.

Ich hätte ihr die Wahrheit sagen sollen. Wie sehr ich sie um mich hatte, wie glücklich sie mich machte, wie sehr ich sie eigentlich liebte und dass ich sie gerne an meiner Seite hätte. Aber ich konnte es nicht, weil ich wusste, dass sie mich hassen würde, wenn ich ihr die Sache zwischen ihrem Bruder Dean und mir erzählen würde. Und ich wusste, dass ich das irgendwas muss. Ich könnte nicht mit ihr zusammen sein und ihr diese Sache verheimlichen. Das ging nicht.

Verzweifelt zerknüllte ich das Blatt vor mir lautstark, und erntete dafür böse Blicke von meinen Mitschülern, die sich genervt zu mir herumgedreht hatten. Augen verdrehend lehnte ich mich zurück und versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren, was mir nicht wirklich gelang. Zu sehr lenkte mich Elizabeths Anwesenheit ab, obwohl sie mich während der ganzen Doppelstunde nicht anschaute. Sie würdigte mich keines Blickes, nicht einmal als alle Schüler von ihren Bänken aufstanden und auf dem Flur hinaus strömten. Ihr Blick war stur gerade aus gerichtet, während sie mit ihren Büchern auf dem Arm das Zimmer verließ.
Seufzend erhob ich mich als letzter von meinem Platz, stöpselte mir meine Kopfhörer in die Ohren und machte mich dann auf den Weg in die Cafeteria. Nach der Mittagspause hatte ich ebenfalls Unterricht mit Elizabeth. Englisch bei Mr. Anderson.

Während Eminems Rap mir entgegenschallte ich über dem Gang. Ich nickte ein paar bekannten Gesichtern zu, unterhielt mich kurz mit Kate, dem Mädchen, mit dem ich damals auf Cams Party war, aber verabschiedete mich dann mit der Ausrede, dass Nash auf mich in der Cafeteria warten würde. Kate war zwar nett, aber im Moment wollte ich einfach mit keinem reden.

In der Cafeteria herrschte wie immer ein einziges Chaos. Die Unterstufen quetschten sich an die vordersten Plätze und tauschten sich über den neusten Klatsch aus, während die älteren Schüler gemeinsam an den hinteren Tischen saßen. Ich hatte fast die Passage der jüngeren durchquert da hörte ich auf einmal wie jemand meinen Namen rief und sich durch das Getümmel drängte.

Als das braunhaarige Mädchen mich erreicht hatte, drückte sie mir ein paar Münzen in die Hand. Verwirrt schaute ich auf das Geld hinab. „Wenn Eli heute noch sehen solltest, kannst du ihr das Wiedergeben", erklärte Aaliyah mir und deutete dabei auf die restlichen paar Dollar, die sich in meiner Handfläche befanden. „Sie hatte mir einen Fünfer geliehen, weil ich mein Geld auf dem Küchentisch liegen lassen hatte und du nicht in Sichtweite warst", murmelte sie. Erst in dem Moment fiel mir der Apfel und der Schokoriegel in ihrer linken Hand auf. „Jetzt schau nicht so", wies mich die 11. Klässlerin zurecht, als ich sie leicht verwirrt ansah. Sie strich sich eine glatte Haarsträhne hinter das Ohr: „Sie hat mir versichert, sie hätte das gerne gemacht. Aber wie auch immer", grinste sie unwissend, „gib ihr bitte das Geld zurück. Wir sehen uns dann später." Danach war sie wieder in der Masse verschwunden.

Total überrumpelt von ihrem Erscheinen starrte ich ihr nach bis mein Kopf erfasst hatte, was meine Schwester gerade von mir verlangt hatte.

Als nach der Pause den Klassenraum betrat, fixierte mich sofort ein braunes Augenpaar aus der hintersten Reihe. Tatum. Elizabeths beste Freundin, die mich anscheinend mindestens so sehr hasste wie Eli selbst.

Na super.

Unter Tatums Beobachtung suchte ich mir einen Platz in der Reihe vor ihr und versuchte dabei den neugierigen Blick ihres ihren Sitznachbarn Nash zu ignorieren. Obwohl ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, war die Situation einfach schrecklich für mich. Ich hatte das Gefühl, aus Tatums Augen würden kleine Flammen züngeln, die mir jeden Moment ein kreisrundes Loch in meinen Hinterkopf brennen. Aber tatsächlich kam es noch schlimmer, denn allmählich hatte sich der Klassenraum gefühlt und bis jetzt war Elizabeth noch nicht zu sehen.

Als letzte, wenige Sekunden vor Beginn der Englischstunde betrat sie den Raum und sah sich suchend nach einem Platz um. Schließlich fokussierten ihre Augen den letzten freien Stuhl im Raum, der unglücklicherweise genau der neben mir war. Als ich das realisierte betete ich innständig dafür, dass jemand noch im letzten Moment den Platz tauschen würde. Jedoch Fehlanzeige. Jeder blieb genau da wo er war und so musste sich Elizabeth auf den Platz neben mir setzten.

Vielleicht war es feige von mir, aber ich konnte ihr nach meiner Aktion vom letzten Freitag nicht mehr in die Augen sehen. Ich beobachtete lediglich aus dem Augenwinkel heraus wie sie ihr Mäppchen und ihre Unterlagen aus ihrem Rucksack holte. Ich wollte ihr irgendetwas sagen, was die Situation zwischen uns erklären konnte, aber es gab keine Worte die mein Verhalten rechtfertigen würden. Also blieb ich still und widmete meine Aufmerksamkeit Mr. Anderson, der dabei war Zettel an die Schüler zu verteilen. Die entsetzten Gesichter einiger Schüler verrieten schnell was der Lehrer gleich verkünden würde.

Genervt stöhnte ich auf, da ich jetzt schon wusste dass ich den Test verhauen würde. Als schließlich auch ich ein Blatt vor mir liegen hatte überflog ich die Multiple Choice Fragen. Thema des Testes war Friedrich Schillers Maria Stuart.

Nach dem Mr. Anderson verkündet hatte dass wir 15 Minuten Zeit hatten durften wir beginnen. Nach den ersten 5 Fragen war ich erstaunt, dass ich so viel wusste. Ich hatte zwar das Buch gelesen aber das nicht wirklich aufmerksam. Und ehe ich mich versah, war ich nach 7 Minuten fertig. Verwundert sah ich mich um als ich bemerkte dass noch kein anderer fertig war. Vorsichtshalber kontrollierte ich noch einmal ob es eine Rückseite gab, aber die war leer.

Entspannt lehnte ich mich zurück und ging noch einmal alle Fragen durch. Als ich jedoch nach meinem Stift greifen wollte, weil ich meinen Namen auf dem Blatt vergessen hatte fiel mein Blick auf das Blatt meiner Banknachbarin. Auf Elizabeths Blatt befand sich kein einziges Kreuz, die vorgedruckten Felder waren leer. Ich sah auf die Uhr und stellte fest, dass wir lediglich nur noch 5 Minuten hatten. Ich überlegte einige Sekunden hin und her bis ich mich dazu entschloss was zu sagen.

"Es sind nur noch 5 Minuten", flüsterte ich ohne sie anzusehen und fummelte dabei verlegen an meinen Kugelschreiber herum, "du solltest dich also beeilen." Als sie darauf nicht reagierte, drehte ich mich zu ihr herum.

Sie hatte ihren Kopf gesenkt und starrte auf das leere Blatt Papier, auf das sie nicht einmal ihren Namen geschrieben hatte. "Eli?", wisperte ich leise und berührte vorsichtig ihren Arm, woraufhin sie zusammen zuckte und ihr Kopf in die Höhe schoss und sie mich entsetzt ansah. Ihre blauen Augen wirkten gläsern. "Der Test", meinte ich leise und schob ihr unauffällig mein Blatt zu, "du hast nur noch ein paar Minuten."

Wieder kam keine Reaktion von ihr.

Ich sah vor zu Mr. Anderson, der seelenruhig in einer Zeitschrift blätterte und uns Schülern kaum Beachtung schenkte. Nur hin und wieder sah er mal auf. Kurzerhand, als er nicht hin sah, tauschte ich meine und Elis Blätter aus.

So schnell wie möglich kreuzte ich auf ihrem Zettel die gleichen Antworten wie auf meinem an und trug in das obere Feld in meiner Schönschrift ihren Namen ein. Gerade rechtzeitig, bevor unser Englisch Lehrer einen Schüler aus der ersten Reihe anwies alle Zettel wieder einzusammeln und nach vorn zu bringen.

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i got way too attached to you.
-Shawn Mendes-

Twisted Fate | Shawn Mendes FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt