153. Kapitel

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Luisa
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Ich schließe die Badezimmertür hinter mir. Greife allerdings ins Leere, als ich nach einem Schlüssel fassen möchte. Mist! Ich beeile mich auf Toilette und suche verzweifelt nach einem Gegenstand, um meinen Plan in die Tat auszuführen. Ich weiß nicht, wie er enden wird, aber es ist die einzige Möglichkeit, um hier rauszukommen.

Ich stöhne verzweifelt auf, als ich nichts passendes finden kann. Meine Augen treffen auf die Augen meines Spiegelbildes. Es ist erschreckend, wie ich aussehe. Ich scheine nur noch eine Hülle meines Selbst zu sein. Zittrig greifen meine Hände nach dem kleinen Spiegel an der Wand. Wenige Sekunden später liegt er zerbrochen im Waschbecken. Dann muss alles ganz schnell gehen. Als ich mir eine der Scherben in die Hand ramme, muss ich die Zähne aufeinander beißen, um nicht laut aufzuschreien. Meine Tränen vernebeln die Sicht. Ich zittere am ganzen Körper. Blut läuft über meine Handinnenfläche.

"Luisa?". Alex poltert ohne zu klopfen in das kleine Badezimmer.
"Was ist passiert?".
Der Kloß in meinem Hals macht es mir unmöglich zu antworten. Er schaut erst auf die Scherben im Waschbecken und dann auf meine verletzte Hand.
"Das hast du doch mit Absicht gemacht!".
Mein verzweifeltes Kopfschütteln hilft mir nicht weiter.
"Alter, was soll die Scheiße, Luisa?!", schreit er mir ins Gesicht.
Ich zucke unwillkürlich zusammen. "Geh in dein Zimmer. Sofort!".
Ich stehe wie angewurzelt vor dem Waschbecken. Meine Angst hat mich völlig gelähmt. Alex packt mich am Ellenbogen und zieht mich bis zu meinem Zimmer hinter sich her.
"Ich fass es nicht, dass du das getan hast!".
"Wir...wir müssen ins Krankenhaus damit", stottere ich, als er mich wieder an das Bettgestell fesselt.
"Das also war dein Plan?".
Ich schlucke. Nichts was ich sagen würde, würde meine Situation besser machen. Ich höre, wie er mit den Zähnen knirscht. Dann verlässt er wutentbrannt das Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu. Meine Hand tut schrecklich weh und es war alles umsonst. Ich hatte gehofft, dass er so geschockt sein würde, dass er nicht darüber nachdenken würde, dass ich dann entkommen könnte.

"Ich brauch deine Hilfe! Kannst du vorbei kommen?".
...
"Nein, verdammt!".
...
"Beeil dich!".
...
Ich höre, wie ein Telefon auf den Boden knallt. Dann ist es im Nebenraum völlig still.

Ich zittere am ganzen Körper. Jede Bewegung schmerzt in meiner Hand.

Tränen rinnen über meine Wangen

Etwa eine halbe Stunde nach dem Vorfall höre ich wieder Stimmen im Nebenraum.
"Was ist los, Alter?".
"Du musst mir helfen! Du musst meine Freundin in die Notaufnahme bringen".
"Häh? Was für eine Freundin? Jetzt rück schon raus. Ich werde sie ja eh gleich sehen".
"Mann verdammt, es ist Luisa!"
"Die Luisa, die dich angezeigt hat?!".
"Ja!".
"Jetzt versteh ich gar nichts mehr".
"Es ist völlig egal, ob du das verstehst. Du musst sie zur Notaufnahme begleiten! Sie ist hier vollkommen durchgedreht".
"Alter, was hast du gemacht? Du hast sie entführt. Das ist es, oder? Deswegen kannst du sie nicht bringen".
Ab da kann ich das Gespräch nicht mehr verfolgen. Die Stimmen dämpfen sich.

Es klopft an der Tür.
Ich sehe hinter Alex einen anderen Mann in unserem Alter. Thomas. Als ich noch mit Alex zusammen war, waren wir Freunde. Eine von vielen Freundschaften, die im Sand verlaufen ist nach unserer Trennung.
Das die beiden nun zu zweit sind, macht meine Angst nicht gerade kleiner. Alex kann alleine schon genug Schaden anrichten.
"Mach das Auto bereit", Thomas tritt einen Schritt vor und schaut Alex von der Seite an.
Ich sehe, wie der aus Wut gespannte Körper von Alex hinter der Tür verschwindet.

Mein Körper zittert heftig, als ich sehe, wie Thomas mit langsamen Schritten näher kommt. Er hebt die Hände vor sich.
"Keine Sorge. Ich tue dir nichts. Ich muss dich los machen, damit wir endlich in die Klinik kommen", erklärt er leise. Seine versehentlichen Berührungen auf meiner Haut schmerzen wie Stromschläge.

"Wir können los", Alex Kopf taucht im Türrahmen auf.

"Du weißt, was du zu tun hast?". Ich kann Thomas Nicken von der Rückbank erahnen.
"Keine Faxen, ihr zwei! Ihr lasst die Hand versorgen und kommt zurück". Ich lasse mir die Autotür aufhalten. Ich merke, wie unangenehm das ganze für Thomas ist. Ich hake mich bei ihm unter, um Alex zu beruhigen. Am Liebsten würde ich meine Beine in die Hand nehmen und so schnell wie ich kann rennen, doch ich weiß, dass ich mit jeder vergehenden Minute meine Hand riskiere.

"Haben Sie Ihre Versichertenkarte dabei?".
"Nein", ich schüttle mit dem Kopf. "Also wir bräuchten ihre Karte. Kann Sie vielleicht Ihr Freund holen?".
Ich schaue Thomas an.
"Nein, er ist nicht mein Freund". "Junge Dame, gibt es irgendjemanden, der ihre Karte vorbei bringen kann?". Die Dame an der Anmeldung wirkt immer genervter. Ich muss an Frederik denken. Wieso ist mir das nicht vorher eingefallen?
"Probieren Sie es in der Klinik am Südring. Frederik Seehauser", sage ich schnell, bevor mich Thomas unterbrechen kann, doch er macht keinerlei Anstalten.
"Okay, setzen Sie sich. Der Arzt wird gleich kommen". Als wir sitzen, holt Thomas sein Handy aus der Hosentasche. Er tippt auf dem Display. Wenige Sekunden später reicht er mir sein Handy. Ich schaue auf das Display.
Lass deine Hand versorgen und dann sieh zu, dass du von hier weg kommst! Ohne etwas zu sagen, gebe ich ihm sein Handy zurück. Wir sitzen über eine Stunde im Wartezimmer, ohne dass etwas passiert. Ich werde immer nervöser und habe Angst, dass Alex herein kommt.

"Frau Schmidt". Ich stehe von meinem Stuhl auf und möchte der Schwester folgen, als sie mich unterbricht:"Ihr Freund darf gerne mitkommen".
"Oh nein! Besser nicht, ich kann kein Blut sehen".
Thomas nickt mir unmerklich zu.

"Hallo, Frau Schmidt", der Arzt im Behandlungszimmer reicht mir die Hand. Meine rechte Hand stützt noch immer meine verletzte. Ich halte den Komplex aus meinen Händen nach oben und nicke ihm freundlich zu.

"Wie ist das passiert?".
"Ich bin in Scherben gefallen", Lüge ich.
"Hmm. Ich möchte da auf Nummer sicher gehen. wir machen davon nochmal ein Bild und dann schauen wir weiter. In Ordnung?". Ich nicke.

"Das Bild ist unauffällig. Wir werden ihre Hand mit ein paar Stichen nähen und dann können Sie schon wieder nach Hause".
Der Arzt lächelt mich an. Ich nicke. "Haben Sie Frederik schon erreichen können?", frage ich hastig nach.
Ich habe noch immer keinen Plan, um an Alex vorbei aus der Klinik zu kommen. Wenn ich die Polizei rufen lassen würde, wäre er schneller über alle Berge als ich schauen könnte. Ich hätte zu sehr Angst, dass er zurück kommen würde.
"Ich werde mich gleich nochmal erkundigen. Wir kümmern uns aber erst einmal um ihre Hand".

"Können Sie versuchen ihre Hand ein wenig still zu halten?".
"Entschuldigen Sie", sage ich mit einem dicken Kloß im Hals. Ich spüre die Panik meinem Rücken empor klettern.
"Ich brauch eine Pause", sage ich atemlos, als mir meine Angst die Kehle zu schnürt. Ich kann das Zittern in meinen Gliedmaßen nicht mehr kontrollieren. So kann der Arzt unmöglich meine Hand vernünftig nähen.
"Ich muss mit Frederik sprechen", krächze ich aus trockener Kehle. "Okay, dann atmen sie einmal durch und ich erkundige mich nach ihrem Frederik".
Ich nicke dankbar.

"Sehen Sie, wen ich gefunden habe", der Arzt tritt nach wenigen Minuten lächelnd in das Behandlungszimmer. Ich atme erleichtert aus, bei dem Gedanken, dass Frederik ab jetzt bei mir sein wird. So würde ich auch den Mut finden können, um die Polizei zu verständigen. Doch als ich sehe, wer hinter dem Arzt in das nun viel zu kleine Zimmer tritt, bewegen sich die Wände auf mich zu. Ich falle in Ohnmacht.

"Frau Schmidt, können Sie mich hören". Ich tauche aus der bleiernen Schwärze, in die ich plötzlich gerissen wurde, wieder langsam auf.
"Helfen Sie mir", flüstere ich heiser. "Der Blutdruck ist okay".
"Frau Schmidt? Ahh, da sind Sie ja langsam wieder".
"Sie müssen mir helfen", wiederhole ich mich.
"Wir kümmern uns um Sie. Sie sind in Ohnmacht gefallen".
"Ich denke, sie meint ihre Hand", sagt eine tiefe Stimme im Raum. Mein Blick schwirrt aufgeregt im Zimmer umher. Mein Blick trifft den von Alex, der teilnahmslos in einer Ecke des Zimmers steht. Meine Erinnerung kommt langsam wieder.

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