156. Kapitel

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Luisa
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Ich komme mit dröhnenden Kopfschmerzen wieder zu Bewusstsein.
Es muss schon Abend sein, denn von draußen scheint nur das spärliche Licht der Straßenlaternen in das Zimmer. Als ich mich versuche zu bewegen schneidet mir kaltes Metall in die Haut. Meine Arme und Beine sind am Bett gefesselt. Als ich meinen Kopf zur Seite drehe, blicke ich in Alex Gesicht. Das Bettgestell knarzt unter meinen Versuchen, mich los zu rütteln.
"Alex", wimmere ich gegen meinen Knebel. Das Einzige, was man davon hört, ist ein verzweifeltes Aufquietschen. Mein Herz klopft aufgeregt gegen meine Brust.

Von Weiten höre ich näher kommende Sirenen. Nur wenige Augenblicke später sehe ich Blaulicht auf der Straße aufflackern. Kurz darauf höre ich schwere Schritte im Treppenhaus, dann das Knacken der aufspringenden Wohnungstür.
"Herr Plattenberg! Polizei!". Donnernde Schritte bahnen sich den Weg durch die Wohnung. Ich wundere mich darüber, wieso Alex noch nicht durch den Lärm wach geworden ist.
"Hier ist niemand!".
Ich versuche gegen den Knebel zu schreien, doch das Einzige was aus meinem Mund kommt, ist ein klägliches Jammern. Ich reiße mit aller Kraft an meinen Fesseln. Der Schmerz strahlt in meinen ganzen Körper aus. Ich schrecke auf, als die Zimmertür mit Wucht aufgeschlagen wird und die Deckenlampe eingeschalten wird. Ich muss meine Augen zu kneifen, so sehr blendet mich das Licht.
"Keine Bewegung! Hier sind zwei Personen!". Dem bewaffneten Polizist folgen noch einige andere in das Zimmer. Meine Augen betteln förmlich nach Hilfe.
Erst im Licht der Deckenlampe bemerke ich, dass Alex und ich in einer Lache Blut liegen. Ich wimmere auf und reiße an meinen Fesseln. Der aufkommende Tränenschleier verbirgt Alex leblosen Körper vor meinen Augen.
"Haben Sie keine Angst. Wir tuen Ihnen nichts". Unter den vielen Augenpaaren schäme ich mich für meine ausgelieferte Situation, die ich in Unterwäsche über mich ergehen lassen muss.
"Wir machen sie erstmal los, ja?".
Ich nicke. Die Handschellen werden klickend geöffnet. Kurz darauf folgt die Fußfessel und mein Knebel. "Kommen Sie, wir holen Sie erstmal hier raus". Herr Sindera trägt mich unter den Blicken der anderen Anwesenden aus dem Zimmer und setzt mich im Wohnzimmer auf dem Sofa wieder ab.

"Luisa Schmidt?". Ich nicke, weil ich mit dem Kloß in meinem Hals kein Wort heraus bekomme.
"Sagt bitte jemand dem Verlobten Bescheid und wir brauchen hier oben die Sanis und den Notarzt".
"Hören Sie mir zu". Herr Sinderas dunklen Augen beruhigen mich auf eine angenehme Weise.
"Sie sind jetzt in Sicherheit, okay? Es kann Ihnen nichts mehr passieren". Ich nicke vorsichtig, um mich selbst davon zu überzeugen, dass er Recht hat.
"Sie dürfen meine Hand nehmen, wenn sie das möchten. Dann warten wir gemeinsam auf den Notarzt".
Mit zittrigen Fingern greife ich nach seiner Hand und drücke schwach zu, aus Angst, wenn ich loslasse, wieder allein zu sein.

Nur wenige Augenblicke später stürmt das Rettungsteam in das Zimmer.
"Hey, endlich haben wir dich gefunden", sagt Oliver sanft und kniet sich vor mich. 
"Danke. Für den Rest brauch ich Sie hier nicht mehr", er blickt in die Runde der umstehenden Polizisten. Die anwesenden Polizisten schauen verdutzt drein.
"Sie können auch gehen", er schaut Herrn Sindera eindringlich an.
"Oh. Ja, natürlich", vorsichtig schiebt er meine Hand aus seiner.
"Gehen Sie und sehen Sie zu, dass sie Frederik an Land kriegen".
Es liegt etwas in Olivers Stimme, das weder Fragen noch Widerworte dulden würde. Also schleichen die Polizisten mit vorsichtigen Schritten an mir vorbei aus der Wohnung. "Franco, mach mir bitte ne Vigo fertig, 500 Nacl".
"Hast du irgendwo Schmerzen?".
Mit leeren Augen schaue ich Oliver entgegen und verstehe eigentlich kein Wort, von dem was er sagt.
"Hast du dich irgendwo verletzt? Woher kommt das Blut?".
Ich schaue auf meine Hände. Sie sind blutverschmiert. Der Verband an meiner rechten Hand ist tiefrot gefärbt. Bilder zucken vor meinem inneren Auge. Alex lebloser Körper. Das rot gefärbte Laken.
"Macht das weg!", schreie ich atemlos und ringe nach Luft. Ich halte meine Hände so weit wie möglich von meinem Körper weg. Sie zittern in der Luft.
"Bitte", schluchze ich.
"Luisa, du musst versuchen dich etwas zu beruhigen".
Ich schüttle mit dem Kopf. Ich möchte doch nur Alex Blut los werden. Das Gefühl seines Blutes, das langsam an meiner Haut antrocknet, treibt mich schier in den Wahnsinn. Panisch streiche ich meine Hände an meinen Beinen ab. Der Tränenschleier vor meinen Augen verdeckt die Sicht, aber ich weiß auch so, dass ich es damit nicht wirklich besser gemacht habe. Alex Blut klebt nun auch an meinen Beinen.
"Es soll weg gehen!".
Mein Körper wird von einem heftigen Beben erschüttert.
"Luisa, sieh mich an! Wir sind bei dir. Es kann nichts mehr passieren".
Ich spüre den Einstich der Vigo in meiner rechten Hand. Ich habe nicht mitbekommen, wie Franco näher gerückt ist, um mir die Vigo zu legen.
"Ich gebe dir noch etwas zur Beruhigung. Es kann sein, dass du davon etwas dösig wirst. Lass es einfach zu".
Ich schüttle heftig mit meinem Kopf. Als ich das letzte Mal weggetreten war, bin ich in Unterwäsche aufgewacht in einem Raum mit meinem toten Exfreund. Das unsichtbare Band schnürt sich noch enger um meine Brust.
"Jetzt machen wir da weiter wo wir aufgehört haben". "Entspann dich, Lu. Ich werde Dinge mit dir anstellen, von denen Frederik nur träumen kann". Ich spüre seine Hände auf meinem Körper, die mich so anfassen, wie sie es nicht tun sollten.
"Bitte nicht", schluchze ich, aus Angst, dass ich die Kontrolle verliere.

Frederik
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"Wo ist sie?", ich eile zu einem der unzähligen Polizisten vor dem Haus.
Mit Absperrband werden die Passanten daran gehindert noch näher zu kommen.
"Frederik Seehauser?".
Ich nicke.
"Ihre Verlobte ist noch oben in der Wohnung. Wenn Sie in der Lage dazu sind, kann ich Sie nach oben bringen".
Ich nicke. "Bitte tun Sie das".

Ich folge dem Polizisten mit schnellen Schritten in die zweite Etage.
"Sie ist gleich hier drüben. Der Notarzt ist auch schon bei ihr", erklärt mir der Polizist und schickt mich mit einer Handbewegung in das besagte Zimmer.
Luisa sitzt auf dem Sofa. Tränen rinnen über ihre Wangen. Ich höre, wie Oliver versucht auf sie einzureden.
"Lu".
Sie sieht auf. Ihre Augen glitzern vor lauter Tränen. Aber etwas verändert sich an ihrem Blick, als sie mich sieht.
"Frederik", schluchzt sie.
Ich laufe zu ihr, rutsche neben sie auf das Sofa und schlinge meine Arme um sie. "Ich bin da, okay?".
Ich spüre ihr Nicken an meinem Hals.
"Frederik? Wir denken es wäre besser, wenn sie für den Bodycheck etwas zur Beruhigung kriegen würde, aber bis jetzt hat sie sich geweigert".
"Ich bin mir sicher es wäre besser. Ich bin da. Oliver kann es auch etwas niedriger dosieren".
Luisa streckt ihm langsam ihre rechte Hand entgegen.
"Ich verspreche dir, ich werde es niedrig dosieren, okay?". Sie nickt. "Lasst mich nicht allein", fleht sie mit leiser Stimme.
"Wir sind die ganze Zeit da. Wir werden den Bodycheck machen und dich dann in die Klinik fahren. Frederik kann die ganze Zeit dabei bleiben, wenn du das möchtest".

Ich trage Luisa aus der Wohnung. Im RTW angekommen schließen wir kurzerhand die Türen, um Luisa vor den Blicken der schaulustigen Anwesenden zu schützen. Das Ziehen in meiner Brust ist verdammt schmerzhaft und ich kann meine Tränen kaum zurückhalten. Ich bin unfassbar froh, dass Luisa gefunden wurde, aber ihr Zustand ist mehr als kritisch. Der Bodycheck lüftet das Ausmaß ihrer Hämatome. Zahlreiche Flecken übersähen ihren blassen Körper. Ich beiße meine Zähne aufeinander, um nicht laut aufzuschreien. Das, was sie erlebt hat, kann ich mir vermutlich nicht im geringsten vorstellen.
"Frederik, wo gehst du hin?".
Ich verlasse wortlos den RTW und steuere zielstrebig auf das Wohnhaus zu.
"Herr Seehauser? Sie dürfen da nicht wieder rein gehen!", höre ich die Stimme eines Polizisten hinter mir. Die polizeiliche Anweisung lässt mich kalt. Meine Hände sind zu Fäusten geballt. Wut kocht in mir. Der Polizist holt mich im Treppenhaus ein.
"Ich darf Sie nicht in die Wohnung lassen!".
"Wo ist dieses Schwein?!".
Meine Stimme ist für den Abstand zwischen uns um einiges zu laut. "Sagen Sie mir sofort, wo dieses Arschloch ist, das meine Verlobte so zugerichtet hat!".
"Sie sollten einen Gang runter schalten!".
"Ich fahre erst einen Gang runter, wenn ich ihn in die Finger bekommen habe!".
"Jetzt hören Sie mir mal zu! Sie setzen sich sofort hin und atmen mal tief durch. Sonst haben wir gleich ein ganz anderes Problem!".
Ich lasse mich resigniert auf die nächste Treppenstufe fallen. Ich will keinen Ärger anfangen. Ich möchte bloß die Genugtuung verspüren, die meine Faust in Alex Gesicht bringen wird.
"Ich kann verstehen, dass Sie aufgebracht sind, aber Sie können hier nicht so eine Szene machen. Dass ihre Verlobte im RTW liegt, hindert uns nicht daran, Sie mitzunehmen, wenn Sie hier solche Faxen machen, verstanden?".
Ich nicke wie ein geprügelter Hund. "Haben Sie ihn?", frage ich nach einigen Sekunden mit gedämpfter Stimme.
"Er ist tot, Herr Seehauser".

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