139. Kapitel

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Luisa
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"21-Jährige Patientin. Wir haben sie in diesem Zustand in ihrer Wohnung gefunden. Verdacht auf Rippenserienfraktur, außerdem hat sie eine Platzwunde am Hinterkopf. Wir haben noch einen Freund von ihr dabei, der sitzt in dem anderen Behandlungsraum, der hat vermutlich einen Schlag aufs Auge bekommen. Vielleicht kann er euch später noch mehr sagen. Sie ist nur bedingt ansprechbar und ist teilweise sehr somnolent. Es steht ein Gewaltverbrechen im Raum. Ich meine am Rande mitbekommen zu haben, dass ihr Freund oder Exfreund festgenommen wurde, aber da müsstet ihr nochmal ihren Freund befragen. Da können wir euch nichts weiter zu sagen. Nur, dass ihr Bescheid wisst".
"Frau Schmidt, können Sie mich verstehen?", wendet sich nun die diensthabende Ärztin in der Notaufnahme mir zu. Ich kann ihre Stimme hören, aber nicht antworten. Das Bild vor meinen Augen taucht wieder in einen verschwommenen Schleier.
"Frau Schmidt?", die Ärztin berührt mich sanft an der Schulter. Ich schaue sie an.
"Sie können mich hören, oder?".
Ich nicke vorsichtig. "Okay, sehr gut". "Die Schwester wird Ihnen einmal Blut abnehmen, in Ordnung?". Wieder nicke ich. Meine Zunge liegt bewegungslos in meinem Mund. "Kannst du schonmal ein Röntgen anmelden? Thorax, Verdacht auf Rippenfraktur", sagt sie zu der Schwester, die wachsam neben mir steht.
"Das geht nicht", hauche ich panisch und greife nach dem Handgelenk der Ärztin.
"Wieso nicht, Frau Schmidt?".
Tränen steigen mir in die Augen.
"Ich bin schwanger".
"Dann machen wir ein MRT".
"Sie müssen mir helfen", flehe ich die Ärztin an".
"Das Baby...es kann doch nichts dafür".
Sie nickt mit mitleidiger Miene.
"Wir kümmern uns erstmal um sie und dann wird jemand nach dem Baby schauen, ja?".
"Dem Baby darf auf keinem Fall etwas passieren, bitte", flehe ich mit tränennassen Gesicht.
"Wir werden alles tun, was wir können, okay?".
"Ich muss jetzt erst einmal einen Bodycheck machen", die Ärztin mustert mich kurz, dann fängt sie an. "Hämatom links kurz überhalb der Hüfte, zahlreiche Hämatome am Bauch und im Bereich des Schlüsselbeins, außerdem ein Hämatom am rechten Auge".
"Frau Schmidt, das wird einmal kalt, ja?". Die Ärztin macht ein Ultraschall. "Das ist erst einmal in Ordnung... Gut, Frau Schmidt. Wir nehmen sie auf Station auf, ja? Und dann werden sie zum MRT gebracht". Ich nicke. "Danke".

Ich liege in meinem Patientenzimmer und starre an die Decke. Es klopft an der Tür. Wenige Sekunden später tritt eine Ärztin durch die Tür, die ich noch nicht kenne.
"Hallo, Frau Schmidt. Darf ich reinkommen?". Ich nicke. Sie ist mir sympathisch.
"Ich hab ihre Blutwerte mitgebracht". Sie lächelt mich vorsichtig an.
"Die sehen erstmal unauffällig aus. Sie sind schwanger, ja?". Ich nicke.
"Der HCG-Wert sieht auch ganz normal aus. Da kann ich sie beruhigen. Die Gynäkologen wissen auch schon Bescheid. Wir werden sie direkt nach dem MRT zur Kontrolle bringen", erklärt sie mir.

"Frau Schmidt, bleiben Sie bitte ruhig liegen!", befiehlt mir der Mann bei der MRT Untersuchung mit ruhiger Stimme durch die Sprechanlage. Doch ich kann nicht ruhig liegen bleiben. Mit jeder vergehenden Sekunde nehmen die Schmerzen im Bauch zu. "Frau Schmidt!", ich höre die Schritte des Mannes näher kommen. Ich werde aus der MRT Röhre gefahren. "Haben Sie Schmerzen?".
"Ich...ich hab so furchtbare Bauchschmerzen. Das Baby...Irgendetwas ist nicht in Ordnung", schluchze ich verzweifelt. Er tippt eine Nummer in sein Telefon und ruft einen Arzt dazu. Ich krümme mich vor Schmerzen. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn.
Ich schreie auf. Ich werde in einen Rollstuhl gehievt. Das Blut auf dem weißen Papier auf der Liege, auf der ich noch eben gelegen habe, lässt mich böses ahnen.
"Nein...Nein, das darf nicht sein", bettle ich schluchzend. Der Arzt versucht mich zu beruhigen, während er mich auf die Gynäkologie bringt. "Wir werden nachsehen müssen", er schaut mich mit seinen braunen Augen durchdringend an. Er hat Mitleid. Er weiß schon jetzt, was passieren wird.

Die Schwester steht neben mir, hält meine Hand. Sie tuen mir beide irgendwie Leid. Sie können ja nichts dafür.
"Hmmmm", murmelt der Arzt vor sich hin, während mit seinen Augen am Ultraschall klebt. Ich drücke die Hand der Schwester noch ein wenig fester.
"Rufen sie bitte sofort im Op an. Plazenta Ablösung". Die Schwester löst sich aus meinem Griff.
"Sie verlieren schon relativ viel Blut. Ich werde ihnen noch einen Zugang legen, um ihnen Flüssigkeit zu verabreichen und dann bringen wir sie sofort in den Op. Das ist ein absoluter Notfall".
"Was ist mit dem Baby?". Das Bild vor meinen Augen wird langsam immer verschwommener.
"Frau Schmidt, wir müssen uns jetzt primär um sie kümmern".
"Und das Baby?". Die Bremsen der Liege werden gelöst.
"Bei einer Plazenta Ablösung können wir nichts mehr für das Baby tun. Wir müssen aber jetzt ihr Leben retten, deswegen müssen Sie jetzt sofort operiert werden".
"Das geht nicht!", ich greife seinen Arm, damit er stehen bleibt.
"Ich möchte das nicht!".
"Wir können nichts für ihr Baby tun, so sehr wir das auch wollen. Es hat keine Chance. Wenn wir Sie nicht operieren, sterben sie beide und das werde ich nicht zu lassen", seine eindringliche Stimme soll mich zur Vernunft bringen. Die Liege kommt ruckelnd wieder in Bewegung. "Lassen Sie mich doch gehen", flüstere ich, dann treibe ich weg.

Ich wache auf. Neben mir piepst ein EKG-Gerät. Auf ein Klopfen an der Zimmertür folgt wenige Sekunden später eine freundlich lächelnde Schwester.
"Ah, sie sind ja schon wach", stellt sie fest.
"Das passt gut. Ich muss einmal ihren Blutdruck messen".
"Noch einbisschen niedrig, aber das wird in den nächsten Stunden mit Sicherheit besser. Stehen Sie bitte noch nicht auf, ohne Bescheid zu sagen, ja?".
Ich nicke und schlucke schwer.
"Es ist nicht mehr da, oder?".
"Es tut mir wirklich Leid".
Ich wende meinen Blick ab und sage: "Sie können nichts dafür".
"Draußen haben wir noch ihren Freund sitzen. Er macht sich große Sorgen". Ihr Blick ruht auf mir.
"Darf ich ihn reinlassen? Oder soll ich...?".
"Nein, nein". Ich streiche mir die Tränen aus dem Gesicht.
"Sagen Sie ihm bitte nichts von der Schwangerschaft".
"Ich habe Schweigepflicht, aber er könnte Sie jetzt unterstützen und für Sie da sein, meinen sie nicht?".
"Ich möchte ihn damit nicht belasten". Die Schwester nickt.
"Das ist ganz ihre Entscheidung", sie verlässt das Zimmer.
"Herr Plattenberg, Sie können nun zu ihr".
"Luisa", flüstert er erleichtert.
"Wie geht es dir?".
"Ich bin wohl mit einem blauen Auge davon gekommen".
"Die Ärzte haben gesagt, dass du eine Rippenfraktur hast".
"Entschuldige, ein Arzt von hier ist ein alter Studienkollege von mir", erklärt er auf meinen fragenden Blick. "Es wird wohl wieder", sage ich matt. Mein Herz zerspringt mir in der Brust in zig tausend Stücke. Es fühlt sich so an, als ob sie nie wieder zusammen gehören wollen.
"Ruh dich aus. Ich bin bei dir". Ich schließe die Augen. Die Tränen brennen darin und meine Liegeposition ist schrecklich unbequem, doch ich traue mich nicht, mich zu bewegen, weil ich Angst hab, dass mir dann die Tränen über das Gesicht fließen.

"Du warst also schwanger?". Ich höre an seiner Stimme, dass er geweint hat. Ich schaue ihn nicht an und blicke stattdessen auf meine Hände.
"Ja", hauche ich.
"Und...und du hast es verloren".
Es hört sich eher nicht wie eine Frage an, dennoch sage ich: "Ja, ich habe es verloren".
"Luisa, wieso hast du nichts gesagt?", er schaut mich mit Tränen gefüllten Augen an. Ich habe ihn mit dieser Geschichte überrumpelt.
"Ich konnte nicht", versuche ich zu erklären, was ich so lange verschwiegen habe.
"Die Situation war so schon schwer genug für alle Beteiligten. Es hätte nichts mehr daran geändert. Es gab nur mich und das Baby. Es war unser Geheimnis. Das niemand weiter davon wusste, hat es leichter gemacht damit zu leben. Mehr gab es nicht, keine Tränen bei Familie und Freunden. Ich hätte das nicht ausgehalten. Ich habe mich so schon genug geschämt".
"Luisa?".
"Ja".
"Das tut mir Leid. Ich wär gerne für dich da gewesen in dieser Zeit".

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