45. Kapitel

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POV Luisa
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Lukas kommt mit einem Lächeln herein.
„Hey", sagt er und kommt an mein Bett.
„Hey" begrüße ich ihn. „Verbandswechsel", sagt er und hält das Verbandsmaterial in die Höhe.
Ich nicke. „Alles klar. Ich bin bereit". Ich setze mich auf und Lukas fängt an meinen Kopfverband abzunehmen. „Bist du mit Frederik zusammen?", fragt er während er die Naht inspiziert. Ich bin verwundert über seine Frage und mein Herz macht vor Überraschung einen Sprung.
„Ja", sage ich zögerlich, weil ich es komisch finde mit Lukas über Frederik zu sprechen. Er nickt nachdenklich. Er wickelt mir schweigend einen neuen Verband um den Kopf. Als er fertig ist, lege ich mich wieder hin. Er geht um mein Bett herum, damit er an meine linke Seite kommt. Er zieht mein Shirt bis zum Pflaster behutsam hoch und zieht das Pflaster ganz langsam ab.

„Hast du jemals etwas für mich empfunden?", meine Frage durschneidet unsere Stille. Es fühlt sich an, als ob ich mir an der Frage den Mund verbrenne. Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Lukas schaut mir kurz in die Augen und macht sich dann weiter daran, dass Pflaster abzuziehen.
„Meinst du es hätte sich jemals zwischen uns etwas entwickeln können?", frage ich weiter.
Wieder schaut mich Lukas kurz an. Er klebt ein neues Pflaster auf die Naht und wickelt den Beinverband ab. Er erneuert die Kompressen darunter und wickelt einen neuen Verband darum. Er tut alles ohne mich noch einmal an zu schauen, geschweige denn mit mir zu sprechen.
„Lukas", sage ich als er fertig ist. Meine Stimme ist flehend, beinah verzweifelt. Er schaut mich an und setzt sich auf mein Bett. Ich setze mich aufrecht hin und ziehe die Beine an.

„Ich hab dich immer gemocht, Luisa. Du bist eine besondere Frau", während er spricht knetet er nachdenklich seine Hände und schaut nur selten hoch. „Ich habe nie verstanden, wieso du meinen Bruder geliebt hast, obwohl er dich so behandelt hat. Trotzdem habe ich das akzeptiert. Gefühle? Nein, die hatte ich nie für dich, zumindest nicht so. Das ging ja gar nicht. Du hast meine Hilfe gebraucht. Die Situation war für so etwas viel zu kompliziert gewesen", er schaut mich an. Ich sehe etwas in seinem Blick. Er sieht traurig und verletzt aus, wie er in Erinnerungen schwelgt. Es versetzt mir einen Stich, ihn so zu sehen. „Lukas...es tut...". „Nein", er schüttelt mit dem Kopf.
„Es ist in Ordnung, Luisa. Wir werden wohl beide das Vergangene akzeptieren müssen. Jeder auf seine eigene Weise", ein zögerliches Lächeln bildet sich in seinem Gesich„t. „Ja", ich nicke, „das müssen wir wohl", sage ich leise.

„Frederik ist gut", sagt er nach wenigen Sekunden des Schweigens. „Die Arbeit hier hat mich nach dem Prozess auf gefangen. Ich konnte den Menschen helfen, dass hat es mir leichter gemacht". Ich höre ihm schweigend zu und beobachte ihn aufmerksam, während er spricht. „Ich freu mich für dich. Wirklich, das musst du mir glauben. Ich habe mir nichts sehnlicher gewünscht, als dass du wieder glücklich bist, Luisa". Bei seinen Worten steigen mir die Tränen in die Augen. „Manchmal macht einem das Schicksal auch Geschenke, Luisa", er schaut mich lächelnd an. Ich lächle zurück und streiche mir die Tränen aus den Augenwinkeln. „Danke, Lukas". Wir nehmen uns in die Arme. Seine Worte hallen in meinen Ohren und machen mir eine Gänsehaut. Nach unserer langen, aber doch viel zu kurzen Umarmung steht er auf. Es war so, als läge in unserer Umarmung der ganze Schmerz der vergangenen Zeit. Wir haben unseren Moment verpasst. Jetzt müssen wir die Geschenke des Schicksals annehmen.

Er sammelt den Verbandsmüll ein. „Ihr ladet mich doch auf eure Hochzeit ein, oder?", sein Grinsen ist so breit, wie das eines kleinen Jungens. Das mochte ich schon früher an Lukas. Er ist so optimistisch und schaut immer in Richtung Zukunft. Ich lache. „Lukas!", sage ich überrascht und werfe meine Sweatjacke nach ihm. Er fängt sie mit einer Hand auf und wirft sie zurück. „Und?", er schaut mich herausfordernd an. „Natürlich", ich zwinkere ihm zu. „Du kannst ja das Blumenmädchen sein", sage ich lachend. Er geht kopfschüttelnd aus dem Zimmer.

POV Frederik
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Ich mache mich auf den Weg zu meiner Nachuntersuchung. Ich höre Stimmen aus dem Behandlungszimmer, in dem Paula ist. Ich setze mich auf einen der Stühle, die vor dem Zimmer stehen und warte. Die Tür öffnet sich.
„Alles Gute", verabschiedet Paula ihre Patientin und ihre Begleitung. „Komm", sie winkt mich herein. Ich stehe auf, gehe in das Zimmer und setze mich auf die Behandlungsliege. „Gut geschlafen?", fragt sie mich breit lächelnd. „Ja. Danke".
„Kein Problem. Wir sind Kollegen. Sehe es als Freundschaftsdienst an". Ich nicke.
„Irgendwelche Beschwerden in der Nacht oder heute morgen?", fragt sie. „Nein". „Schwindel? Kopfschmerzen? Gar nichts?", versichert sie sich noch einmal. „Nein. Alles gut".
„Gut. Wir machen trotzdem noch einmal eine Aufnahme vom Kopf. Nur um sicher zu gehen".
„Paula. Ich will wieder arbeiten".
„Du hattest gestern einen Autounfall!".
„Mir geht es gut. Wirklich. Ich kann morgen wieder arbeiten. Bitte!".
„Erst das CCT, dann sehen wir weiter". Ich atme lautstark aus.
„Du kannst schon rüber gehen. Ich melde dich an". Ich verlasse das Behandlungszimmer und gehe in die Radiologie.

Nach dem CCT sitze ich wieder bei Paula auf der Behandlungsliege. „Und?", frage ich gespannt, „kann ich morgen wieder arbeiten?". Paula sieht konzentriert auf die Aufnahmen meines Kopfes. „Hmmm. Ja ist ja gut. Es ist alles in Ordnung. Tu was du nicht lassen kannst, Frederik. Medizinisch spricht nichts dagegen. Ich schreibe den Entlassungsbrief, dann kannst du nach dem Mittag nach Hause". „Danke, Paula". Ich stehe von der Liege auf und gehe wieder zurück in mein Zimmer.

Nach dem Mittagessen kommt Paula und bringt mir den Entlassungsbrief. „Danke".
„Wie kommst du nach Hause?", sie schaut mich skeptisch an.
„Ich fahre mit der Straßenbahn". „Okay, dann sehen wir uns morgen". Sie geht aus dem Zimmer. Ich gehe wenige Sekunden nach ihr, um Luisa zu besuchen. Ich klopfe an ihre Tür und warte wenige Sekunden bis ich eintrete. „Hey".
„Hey", sie schaut mich lächelnd an. „Lust auf einen Ausflug?". Sie nickt. „Ich hole einen Rollstuhl", sage ich, doch Luisa unterbricht mich. „Frederik, ich sollte mich wohl mal wieder bewegen. Können wir zu Fuß gehen?". Ich nicke. Sie hakt sich bei mir ein. So gehen wir die Flure der Klinik langsam entlang.
„Wie war es bei deiner Nachuntersuchung?".
„Alles gut. Ich bin schon entlassen wurden. Ich arbeite morgen schon wieder".

Wir setzen uns auf eine Bank im Park. „Hey", ich stoße sie leicht an, "du wirst auch bald entlassen". „Hmmm, ich weiß", sie schaut mich nachdenklich an.
„Hast du Angst?". Sie zuckt mit den Schultern.
„Ich weiß nicht was es ist, Frederik". Ich nicke verständnisvoll und nehme Luisas Hand in meine.
„Ich bin für dich da. Das weißt du doch, oder?". Sie schaut von ihren Händen auf und lächelt mich an.
„Ja das weiß ich", sie lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter.
„Hast du mit Lukas gesprochen?".
„Ja. Wir haben uns ausgesprochen...Er will zu unserer Hochzeit eingeladen werden". Ich muss über die Worte meines Kollegen schmunzeln und gebe Luisa einen Kuss auf ihr Haar. „Okay", sage ich leise. Nach einigen Minuten löst sie sich aus meiner Umarmung.
„Meinst du wir sehen uns genauso oft wie jetzt, wenn ich entlassen bin. Weißt du, jetzt sehen wir uns immer in der Klinik. Aber dann...".
„Luisa", ich nehme ihr Gesicht in meine Hände, „ich werde jede freie Sekunde mit dir verbringen. Was denkst du denn", sage ich lächelnd.

„Ich liebe dich, Luisa".
„Ich dich auch", ihre Stimme ist so sanft, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Sie nimmt meine Hände in ihre und streicht mit einem ihrer Finger über unsere verschlungenen Finger. Plötzlich hält sie inne und schaut in Richtung Parkplätze, wo gerade ein Auto einparkt. Wenige Sekunden später steigen ein Mann und eine Frau aus dem Auto und laufen in Richtung Klinik.
„Meine Eltern", sagt sie lächelnd. Wir lassen unsere Hände los. Sie winkt ihren Eltern zu. Ich beobachte das Ehepaar, das Hand in Hand in unsere Richtung läuft. „Mama, Papa", Luisa steht auf und umarmt ihre Eltern. Auch ich stehe auf. „Sie sind also die Eltern von Luisa? Frederik Seehauser, der behandelnde Arzt ihrer Tochter. Freut mich sehr", ich gebe den beiden die Hand.
„Die Freude ist ganz auf unserer Seite", sagt Luisas Mutter.
„Ich möchte nicht stören", sage ich, „es hat mich wirklich sehr gefreut sie kennen zu lernen".
„Aber sie stören doch nicht", beteuert Luisas Mutter.
„Mama!", ich muss über Luisas Reaktion schmunzeln.
„Ich muss wirklich gehen Frau Schmidt. Auf Wiedersehen. Wir sehen uns morgen bei der Visite", sage ich in Luisas Richtung.

Nach meiner Verabschiedung gehe ich mit schnellen Schritten zur Straßenbahn.

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