159. Kapitel

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Luisa
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Das Knarzen des Bettgestells reißt mich aus meinem tiefen Schlaf. Ich schlage alarmiert meine Augen auf. Durch die Ritzen des Rollos scheint genug Licht, sodass ich Alex Gestalt über mir erkennen kann. "Wach auf, Lu", flüstert er in mein Ohr und bemerkt nicht, dass meine Augen bereits offen sind. "Alex, geh runter von mir", flehe ich. Sein Gewicht drückt schwer auf meinen schmerzenden Körper. "Gewöhn dich lieber daran. Ich halte es nicht mehr lange aus, dich nicht spüren zu dürfen". "Geh weg!", schreie ich und drücke meine Hände mit meiner ganzen Kraft gegen seine Schultern, um ihn auf Abstand zu halten. "Du bist so unzähmbar, Lu". Ich hole mit meiner Hand aus und verpasse ihm eine Ohrfeige. Das Zimmer ist in eine ohrenbetäubende Stille gehüllt. In Erwartung auf eine Strafe, schließe ich meine Augen. Doch es passiert nichts. Ganz vorsichtig öffne ich ein Auge. Das was ich dann sehe, versetzt mich in einen tiefen Schock. Blut läuft aus Alex Mund und Augenhöhlen. Ich schreie schrill auf. Meine Ohren dröhnen. Alex kippt bewusstlos nach vorne über auf meinen Oberkörper. Schwärze breitet sich in meinem Kopf aus. Ich werde ohnmächtig.

Schweißgebadet schreckte ich aus meinem Schlaf auf. Das Krankenhaushemd klebte unangenehm an meiner Haut. Mein Herz raste. Mit unsicheren Schritten überbrückte ich den kurzen Weg ins Bad und stellte das Wasser in der Dusche an. Ich zog mir nur mein Krankenhaushemd aus. Bh und Slip ließ ich an. Bei jeder Bewegung kam das Bild vor meinen Augen gefährlich ins Schwanken. Ich ließ mich mit meinem Rücken an der Duschwand heruntergleiten. Das Gesicht in den Wasserstrahl gerichtet, überdeckte das Wasser den schmerzerfüllten Schluchzer, der aus meiner Kehle kam.

"Lu!". Ich hörte die aufgeregte Stimme von Lukas. Durch den Wasserdampf im Badezimmer konnte ich seine Gestalt nur erahnen. "Du musst da raus kommen". Er drehte das Wasser aus. "Das ist viel zu heiß!". Er kniete sich vor die Dusche und schaute mir tief in die Augen. Ich schlang meine Arme um meine Knie. Mein Körper zitterte unkontrolliert. Meine Haut brannte wie Feuer. "Du musst da wirklich raus kommen". Ohne aufzustehen zog er ein Handtuch von der Heizung und hielt es mir hin. Ich griff nicht danach. Mein ganzer Körper schmerzte von dem heißen Wasser, das für einige Minuten auf mich herunter geprasselt war. Der Schmerz überdeckte den tosenden Sturm in meinem Inneren. Ich spürte den Schmerz außen und musste mich nicht mit dem Schmerz in meinem Inneren auseinandersetzen.
"Ich helfe dir". Ich schaute auf, als ich Lukas schluchzen hörte. Tränen rannen über seine rasierten Wangen. Ich gab mir große Mühe aus der Dusche zu krabbeln. Jede Bewegung setzte ein neues Feuer auf meiner Haut frei. Ich biss die Zähne aufeinander und ließ mich - endlich wieder aus der Dusche raus gekommen - auf den Fließen nieder.
Ich lehnte meinen Hinterkopf gegen die Zimmerwand.
Lukas legte das Handtuch über mich, als sei es eine Decke. Er wusste nicht, wie er mich anfassen sollte oder ob er mich überhaupt anfassen sollte.
"Er ist tot", schluchzte ich stotternd. "Ich weiß", antwortete Lukas leise. "Er ist tot", wiederholte ich schluchzend und sank bebend in seinen Armen zusammen. Er schlang die Arme um mich und hielt mich fest. "Schscht...", er wog mich in seinen Armen wie ein Kind, das in den Schlaf finden soll. "Es tut mir Leid, Lukas...". Tränen rannen mir in den Mund als ich sprach. "Es ist nicht deine Schuld...Es ist nicht deine Schuld", wiederholte er immer und immer wieder leise wie ein Mantra.
Ich drückte meine Fingerkuppen noch tiefer in seine Arme, aus Angst den Halt zu verlieren.
Unser Schluchzen erfüllte das Badezimmer. Mein Herz schlug schmerzhaft gegen meine Brust und verteilte mit jedem Schlag ein Stechen in meinem Körper.

"Was ist passiert?". Frederik kniete sich vor mich. Offenbar erwartete er von mir keine Antwort, denn er schaute Lukas an. Vermutlich war das auch besser so. Mit meinem Gestammel hätte ich ihm sowieso nur noch mehr Angst gemacht. "Ich hab sie in dem Zustand in der Dusche gefunden", antwortete Lukas mit der Kurzfassung der Geschehnisse. Die Antwort genügte ihm erstmal, doch ich war mir sicher, dass er nur mir zu Liebe, Lukas nicht weiter ausquetschte. "Was ist mit ihrer Haut?". Er musterte meinen roten Körper kritisch. "Sie hat sich in der Dusche verbrannt", antwortete Lukas an meiner Stelle. "Okay, wir müssen deine Haut irgendwie kühlen". Er schnappte sich das Krankenhaushemd, das vor der Dusche lag und nässte es am Waschbecken. "Zieh das erstmal an". Er half mir in das Hemd und versuchte dabei so wenig wie möglich an meine Haut zu kommen. Ich zog die Luft scharf durch meine Zähne, als er mir das kalte Hemd gegen die Brust drückte. Ich legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Zimmerdecke. Ich fühlte mich wie nach einem stundenlangen Sonnenbad. In meinem Kopf dröhnte es von der Hitze auf meinem Körper und mir war unfassbar schlecht. Frederik legte mir seine linke Hand sanft auf die Wange. Sie war noch ganz kühl von dem kalten Wasser. "Ich hol dir etwas frisches zum anziehen", er strich mir nocheinmal mit seinem Daumen über meine Wange, dann stand er aus seiner Hocke auf und verschwand aus dem kleinen Bad. Nur wenige Augenblicke später stand er mit einem neuen Hemd in der Tür. "Okay, Lu. Du kannst hier nicht auf den Fließen sitzen bleiben. Du musst zurück ins Bett, okay?". Ich nickte. "Kannst du aufstehen?". Ich nickte erneut. Lukas und Frederik griffen mir jeder auf einer Seite unter den Arm und hievten mich so auf die Füße. Ich blinzelte einige Male, damit das Bild vor meinen Augen nicht mehr wie auf einem kenternten Boot schwankte. "Geht's?". Lukas schaute mich besorgt von der Seite an. "Ja, alles gut", sagte ich, obwohl mir speiübel war. Ich weiß nicht, wie wir es zurück zu meinem Bett geschafft haben, aber einige Augenblicke später saß ich Beine noch aus dem Bett baumelnd wieder auf der Matratze. "Ich hab noch eine kühlende Salbe für deine Haut. Ist das okay für dich?". Ich nickte. "Ich denke, ich komm hier klar. Du musst nicht hier bleiben", Frederik räusperte sich, "Ich mein, du hast sie noch nicht gesehen", fügte er leise hinzu. Trotzdem konnte ich jedes Wort verstehen und schämte mich für das, was ich den beiden mit meinem Verhalten antat. "Ich komm damit klar", entgegnete Lukas knapp. Ich hob meine Arme nach oben, damit er mein nasses Hemd wieder über den Kopf ziehen konnte. Es kostete mich große Anstrengung, aufrecht sitzen zu bleiben, am liebsten hätte ich mich in der Decke verkrochen und wär nicht mehr heraus gekommen. Die beiden gaben sich größte Mühe so vorsichtig wie möglich beim eincremen zu sein, dennoch tat jede Berührung weh und ich musstr die Zähne fest zusammen beißen, damit ich nicht laut aufschrie. Als die beiden fertig waren, meinen ganzen Körper einzucremen, zog mir Frederik raschelnd das frische Hemd über den Kopf. "Fertig. Leg dich wieder hin, Lu". Ich ließ mich langsam in das Kissen zurück sinken. "Ihr müsst nicht hier bleiben. Ich komme klar", sagte ich als ich sah, dass die beiden sich jeweils einen Stuhl an mein Bett zogen. "Oh doch", entgegneten sie chorisch. Was ich nur mit einem erschöpften Seufzen quittierte. Ich konnte die beiden verstehen. Ich hatte ihnen in den letzten Stunden nicht wirklich die Gelegenheit gegeben, zu glauben, dass ich mit der Situation klar käme. "Wir sind da. Versuch zu schlafen". Ich schloss meine Augen. Auch um die besorgten und mitleidigen Blicke der beiden nicht mehr sehen zu müssen.
Ich griff nach ihren Händen und fiel nach einigen Minuten wieder in einen unruhigen Schlaf.

Frederik
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"Du solltest mal schlafen gehen", sagte ich leise zu Lukas und stellte die kleine Tasche mit Luisas Anziehsachen auf den Tisch. Während ich die Sachen für sie geholt hatte, war er nicht von ihrer Seite gewichen. Ich machte mir ernsthaft Sorgen um ihn. Dunkle Augenringe zierten die Partie unter seinen Augen. "Mir geht es gut". "Da ich mir schon gedacht habe, dass du das sagst, nimm wenigstens das". Ich reichte ihm einen dampfenden Kaffeebecher. "Danke", er lächelte mir schief zu. "Hast du nachher Dienst?". "Nein. Ein Kollege übernimmt für mich. Ich muss nachher zu meiner Mutter. Ich kann sie nur alleine lassen, wenn mein Vater zu Hause ist". Ich schaute aus dem Fenster des Krankenzimmers in die dunkle Nacht hinaus und ließ Lukas Antwort sacken. "Du kannst wirklich gehen, Lukas. Ich bin hier und kann dir auch Bescheid geben, wenn was ist". "Nein. Ich kann jetzt nicht gehen".
"Weißt du was das Schlimmste ist?". Es schien eine rhetorische Frage gewesen zu sein, denn nur Sekunden später, sprach er einfach weiter. "Ich mache mir schreckliche Vorwürfe, dass ich ihre Nachricht verpasst habe. Ich meine, hätte ich die Nachricht gesehen, dann wär ich da gewesen...", er hörte plötzlich auf zu sprechen und drehte seinen Kopf zur Seite. Ich wusste auch so, dass er weinte. Ich selbst hatte es längst aufgegeben, meine Tränen zu verbergen, wenn es um Luisa ging. Viel zu stark war der Drang, dieses Gefühl tief in mir drin, loszulassen. "Es ist nicht deine Schuld", sagte ich und wusste dennoch, dass es ihm dadurch nicht besser gehen würde. Er gab sich die Schuld und nichts was ich noch hätte sagen können, hätte etwas daran geändert. Ich hoffte inständig, dass er diese Schuldgefühle irgendwann loslassen würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 04, 2023 ⏰

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