POV Luisa
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Ich lasse mich zurück in die Kissen fallen. Vereinzelt kann ich Wörter aufschnappen, die vor der Tür gesprochen werden, doch sie lassen sich in meinem Kopf nicht sinnvoll aneinander reihen.
Meine Glieder fühlen sich taub an. Mein Herz schlägt unaufhaltsam gegen meine Brust.Wenige Minuten nachdem Frederik im Flur verschwunden ist, öffnet sich die Tür erneut.
Er schiebt sich unsicher blickend in mein Zimmer und lässt sich kurz darauf neben mir auf dem Bett nieder.
„Sie wird nicht mehr wieder kommen und du wirst auch keine Sitzung mehr bei ihr haben. Okay?".
Ich nicke und greife nach seinen Händen.
„Es tut mir so Leid", meine Stimme ist kaum mehr als ein krächzendes Flüstern. Ich räuspere mich.
„Das was ich dir angetan habe, kann ich nie wieder gut machen. Und dafür schäme ich mich unfassbar, weil du immer für mich da bist und du so etwas nicht miterleben solltest". Tränen fließen über meine Wangen.„Es war so verdammt schön. Besonders die letzten Tage. Ich habe mich so leicht gefühlt. Ich dachte es wäre einfacher ab jetzt, aber dann... Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich bin in ein Tief gefallen. Ich habe es nicht rausgeschafft. Ich dachte, es würde wieder weggehen. Aber mir ist irgendwie die Decke auf den Kopf gefallen".
Weil Frederik nichts sagt, fahre ich einfach fort.
„Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Ich bin nach Hause gekommen. Es hat sich auf einmal alles in mir aufgestaut. Ich habe das tosende Gewitter in mir gespürt. Ich hatte nicht die Kraft zu entfliehen. Das Letzte, an das ich mich erinnern kann, ist mein Spiegelbild. Ab da...", ich stocke.
„Kannst du dich nicht mehr erinnern", beendet Frederik meinen Satz.
Ich nicke und schaue auf meine Finger.
Er drückt meine Hand ein wenig fester.
„Du wolltest dich nicht umbringen?".
Ich schaue von meinen Fingern auf und sehe, wie die Tränen in seinen Augen glitzern.
„Nein. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich das nicht schaffe. Es ist nicht leicht. Aber ich würde mir nicht das Leben nehmen...weil du da bist, Frederik. Du bist der Grund, wieso ich lebe. Wieso ich den Mut habe, weiter zu machen. Zu lieben".Ich schlucke und sehe, wie Tränen über Frederiks Gesicht laufen. Er versucht zu lächeln. Ich nehme sein Gesicht in meine Hände und streiche die Tränen aus seinem Gesicht.
„Ich bin bei dir. Egal was passiert".
„Danke".
„Ich dachte...", seine Stimme bricht für einen kurzen Moment.
„Ich dachte, ich würde dich verlieren. Ich hätte mir das niemals verziehen. Ich...".
„Frederik, es ist nicht deine Schuld, dass es an manchen Tagen so verdammt schwer ist. Dass ich das Licht am Ende des Tunnels nicht sehe".Er schaut auf meine Hand, die in seiner liegt. Stille legt sich über unsere Köpfe. Tränen tropfen von unseren Gesichtern und hinterlassen nasse Flecken auf der Decke.
Für einen kurzen Augenblick hebt sich die Matratze, dann senkt sie sich wieder. Frederik legt sich mit unter meine Decke. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust. Meine Tränen durchweichen den Stoff seines Shirts.
Ich schluchze, presse meinen Körper näher an seinen und wünsche mir, dass er nicht geht. Mein Körper bebt und wird immer öfter von meinem schluchzen erschüttert.
Frederik streicht mir beruhigend über mein Haar.
Meine Finger krallen sich in seinen Rücken. Suchen verzweifelt den Halt, den ich vor etlichen Stunden verloren habe.
Irgendwann verebben die Tränen und die Letzten trocknen in meinem Gesicht. Ich falle in einen unruhigen Schlaf.„Luisa!", eine Frauenstimme ruft meinen Namen. Wieder und immer wieder.
„Luisa! Luisa!". Sie klingt verzweifelt.
Ich möchte sie beruhigen, doch es kommen keine Worte über meine Zunge.
Die Sonne blendet mich. Die gleisende Hitze brennt mir auf der Haut. Ich wende mich ab.
„Mama", erst jetzt erkenne ich sie. Sie streckt ihre linke Hand nach mir aus. Tränen laufen ihr über das Gesicht. Ich kann ihre Traurigkeit nicht verstehen. Sie kommt näher. Ich strecke ihr meine Hand entgegen, überbrücke damit die letzten Zentimeter, die uns voneinander trennen.
Ich spüre die starke Hand meiner Mutter auf meiner Haut. Doch irgendetwas fühlt sich anders an.
„Schau Mal, Mama", ich lasse ihre Hand los und zeige an den blauen Himmel, wo eine Taube friedlich ihre Runden dreht.
Sie schaut nach oben, verfolgt mit ihren Augen aufmerksam jeden Flügelschlag dieses unschuldigen Tieres, dessen Federkleid symbolisch dafür zeugt.
Ich mache einen Schritt nach hinten, breite die Arme aus und falle...Ich werde durch Frederiks Bewegungen wach.
„Entschuldigung. Ich wollte dich nicht wecken".
„Ist schon okay".
„Ich muss zur Visite. Danach komme ich wieder. Versprochen!", er gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Ganz vorsichtig und langsam, als sei ich aus Porzellan. Zaghaft lächelt er mir zu und verschwindet durch die Tür.
Frederik ist nicht lange weg, doch die Stille im Zimmer ist quälend. Meine Gedanken tragen schmerzhafte Gefechte aus und ich stehe in der Mitte des Spielfeldes.
Ein Klopfen an der Tür. Wenige Sekunden später tritt Frederik ein und kommt mit einem Tablett an mein Bett.
„Ich werde dir prophylaktisch etwas gegen Übelkeit geben, okay?".
Ich nicke einverstanden und reiche ihm meinen linken Arm.
„Wenn die Infusion durchgelaufen ist, wirst du etwas essen, einverstanden".
„Ja", sage ich leise und versuche das Zittern in meiner Stimme herunter zu schlucken.
Ein paar wenige Bissen schlucke ich herunter, auch wenn sich mir die Haare am ganzen Körper zu Berge stellen. Frederik sitzt die ganze Zeit bei mir und hält meine Hand. Ich sehe es in seinem Gesicht, dass er merkt, wie sehr ich mich noch quäle.
„Ist doch schon viel besser", sagt er aufmunternd, als die Hälfte des Brötchens mit Mühe und Not in meinem Mund verschwunden ist.
„Du darfst morgen wieder nach Hause. Auch wenn ich das eigentlich noch zu früh finde, aber Charlotte...".
„Du hast Angst".
„Ja, Luisa", er blickt von seinen Händen auf und schaut mir tief in die Augen. „Ich habe Angst".
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Kann man lieben neu lernen? Fan Fiction Klinik am Südring
FanfictionDie 22 jährige Luisa wurde lange Zeit von ihrem Freund misshandelt, doch sie schaffte es nach einiger Zeit sich aus seiner Umgebung zu befreien. Nach einem gerichtlichen Prozess ist der Alptraum zunächst vorüber. Doch nur für eine kurze Zeit bis Ale...