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Ich zwirble eine meiner blonden Locken nervös zwischen zwei Fingern hin und her, während Kayla den Typen hinter dem Café-Tresen rund macht. Der Arme hatte sie heute wohl auf dem falschen Fuß erwischt, als er die falsche Milch in ihren Kaffee getan hat. „Ich bitte sie, das war doch keine schwere Bestellung!", empört sie sich, während der junge Mann so aussieht, als würde er nach einer halbwegs schlagfertigen Antwort suchen. „Ich habe doch extra Hafermilch gesagt. Ich musste sogar 50 Cent Aufpreis zahlen! Und dann sehe ich ihnen dabei zu, wie sie in ihrer kleinen Kaffeemaschine nicht den Schlauch wechseln, sondern einfach so Kuhmilch reinfließen lassen. Ist ihnen eigentlich klar, woher die Kuhmilch die sie hier in ihrem billigen Tetrapack verkaufen stammt?" Sie hält kurz inne, doch ich weiß, dass das eine Kunstpause ist. Sie will nicht wirklich seine Antwort.

„Geben sie ihr bitte einfach einen neuen Kaffee? Sie wollen nicht, dass sie ihnen jetzt den veganen Vortrag hält, glauben sie mir.", unterbreche ich die Unterhaltung, denn mir werden die Blicke hinter uns langsam unangenehm. Kayla funkelt mich mit missmutigem Blick an, wagt es jedoch nicht, weiter zu zetern. Ich unterstütze ihre vegane Ernährung in jedem Punkt und ihr Vortrag ist mehr als berechtigt. Doch sie wird diesen Barista heute nicht zum Umdenken bewegen indem sie ihn ankeift. Außerdem liegt das Café so nahe am Campus, dass ich hier auch gerne noch mal herkommen wollen würde, ohne dass besagter Mensch mir ab heute in mein Heißgetränk spuckt.

„Sie bekommen diesen auch gratis." Er hält ihr einen dampfenden Becher entgegen und mit einem letzten frostigen Blick auf ihn und die Hafermilchflasche neben ihm beschließt Kayla das Kriegsbeil zu begraben. „Na gut. Aber in Zukunft gehe ich wieder zu Starbucks.", sagt sie laut und dreht sich dramatisch zu einem Abgang um. „Ich komme immer wieder gerne her.", versichere ich dem Mann hinter dem Tresen und schenke ihm dabei ein freundliches Lächeln, doch er scheint es gar nicht zu bemerken. Sein Blick liegt auf dem Hinterteil meiner besten Freundin. Obwohl sie ihn so angegangen hat, hatte das ihre Beliebtheit beim männlichen Geschlecht keinen Abbruch getan. Er sieht lieber auf den prallen Hintern einer scheinbaren Zicke, statt meine freundliche Bemerkung auch nur wahrzunehmen. Meine Mundwinkel sinken, gleich mit meiner Laune und ich stolziere Kayla hinterher, wenn auch um einiges weniger dramatisch.

„Ich fasse es nicht, der strotzte nur so vor Inkompetenz! Ich verstehe nicht, warum Du immer in diese kleinen Kaffeeläden gehst, die sind so..." Sie scheint nach einem richtigen Wort zu suchen ich zucke die Schultern. „Günstig und einfach?" Sie nickt. „Ja genau, einfach. Wie kann man nur keinen entkoffeinierten Kaffee auf der Karte haben. Das sollte in einer Großstadt wie unserer doch mittlerweile wirklich überall Standard sein." Ich verkneife mir den Kommentar, dass der Sinn von Kaffee ist, einen wach zu machen. Ohne Koffein würde das aber nicht funktionieren. Wozu dann einen solchen trinken? „Und die Hafermilch. 50 Cent Aufpreis! Für einen Schluck Hafermilch der mich aus meiner eigenen Flasche vielleicht nur 10 Cent gekostet hätte. Wucher. Wie sollen die Leute sich denn da gerne für eine bewusstere Lebensweise entscheiden."

Zwei Kreuzungen weiter hat Kayla das Thema der Milchindustrie bei einem Blick in ihre Handtasche plötzlich völlig vergessen. „Oh Fuck, das darf doch jetzt nicht wahr sein!" Die kunstvoll manikürten Fingernägel meiner besten Freundin wühlen in ihrer Handtasche und flucht, so dass ich mich besorgt umsehe. „Kannst du den Inhalt deiner Tasche auch leiser anschreien?", bitte ich sie, denn vor ihrer Wohnung stehen einige ältere Damen, die schon empört zu uns herübersehen. „Ich habe meinen Schlüssel verloren. Also... ich habe ihn vergessen." Ich sehe sie verständnislos an. Kayla hat das Talent ständig irgendwo ihre Sachen zu verlieren. Sogar in der Uni trage ich ihr Blöcke, Stifte und oft genug ihren Schlüssel hinter her. Eigentlich hatten wir einen gemeinsamen Lernabend geplant, der vermutlich wie immer in Essensbestellungen und einem Serien-Marathon geendet wäre. Doch so panisch wie sie mir jetzt beginnt den Inhalt ihrer Tasche in die Hand zu drücken, erkenne ich, dass ich wohl erst einen Marathon durch die halbe Stadt ableisten muss, ehe ich den auf ihrem Fernseher genießen kann.

Diamanten-RauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt