Ich bin noch nicht am Ende der Straße, da höre ich hinter mir laute Schritte auf dem Asphalt hinter mir. „Mel!", ertönt eine Stimme und ich drehe mich um. Marco steht dort, mit einer Flasche Bier in der Hand. Der Regen war mittlerweile prasselnd geworden und sein weißes Hemd wird vollkommen durchnässt. Er bietet einen sehr dramatischen Anblick. „Es tut mir leid, ich hätte den beiden nicht sagen sollen, dass du und Kayla dort sitzen. Matteo hat nur.... Er ist ein alter Freund und hat gesagt, ihr würdet euch kennen." Er hält mir das Bier entgegen und ich greife danach. „Das geht auf mich, es tut mir leid.", entschuldigt er sich nochmals und verdoppelt mein schlechtes Gewissen damit. Ich hatte heute wirklich allen den Abend verdorben. Marco fährt sich zögernd mit der Hand durch die dunkelbraunen Locken, während ich die Flasche hin und her drehe. „Nein Marco, das macht doch nichts. Du wusstest nicht, dass ich die beiden im Grunde gar nicht kenne." Mein Kellner nickt, macht jedoch keine Anstalten, sich wieder umzudrehen. Mittlerweile ist Marcos Hemd vollkommen nass und ich erkenne, dass er wohl auch Sport macht, wenn er nicht gerade den Tresen im Laboqueria wischt. Ich reise meinen Blick los von seinem Oberkörper und blicke zurück in seine Augen. Irgendwas stimmt heute nicht mit mir. Ich habe mich gar nicht im Griff. Vielleicht sind es meine verwirrenden weiblichen Hormone. Anders kann ich mir mein Verhalten heute nicht erklären.
„Ja stimmt, aber ich hätte nicht annehmen sollen... also normalerweise umgibst du dich meines Wissens nicht mit solchen Leuten. Ich hätte dich erst fragen sollen.", beteuert Marco noch einmal, doch ich winke ab. Es ist mir unangenehm, dass er wegen Matteo ein schlechtes Gewissen hat. Und es nervt mich, dass wegen diesem Rapper heute alles aus dem Ruder gelaufen ist. Nicht nur mein Gefühlsleben, sondern offenbar auch alles andere um mich herum.
„Nein, das ist wirklich okay. Wie du gesagt hast: ich kann selbst auf mich aufpassen. Und wenn nicht weiß ich, dass im Laboqueria ein großartiger Kellner arbeitet, der mir immer gerne aus der Patsche helfen würde, oder?" Mit meinem Satz schaffe ich es, dass Marco ein kleines Lächeln zu Stande bringt, welches auch mich anzustecken scheint. „Ja, auf jeden Fall.", versichert er mir. Ich nicke und wir verabschieden uns schnell, während der Regen beschließt nochmal so richtig loszulegen.
Ich sehe Marco noch einen kleinen Moment hinterher bis er wieder an seinem Laden angekommen ist, während ich spüre wie der Regen meine Jacke weiter durchweicht. Heute war wirklich nicht mein Abend.
Mein Heimweg dauert keine fünf Minuten, auch wenn meine sich überschlagenden Gedanken den Weg länger erscheinen lassen. Ich denke über meine Worte nach und über Matteos Gesicht. Mein Gewissen nagt an mir und das geöffnete Bier in meiner Hand hat sich mit Regenwasser wieder aufgefüllt. Ich trinke es dennoch. Mein Blick geht auf mein Handy, sobald ich im Flur bin und ich bin erleichtert eine Nachricht von Kayla zu sehen. Wir haben die Vereinbarung uns gegenseitig zu schreiben, dass wir Zuhause sind, wenn wir irgendwo allein bleiben. Tyrna hatte sie in seinem Lamborghini Nachhause gebracht und war dann wie ein echter Gentleman wieder weggefahren.
Noch während ich mich aus meinen klitschnassen Sachen schäle, wähle ich Kaylas Nummer. „Hey.", antwortet sie gleich nach dem ersten Klingeln. „Hey.", keuche ich, nachdem ich mich aus meinem Pulli geschält hatte. Mein weißes Shirt ist mittlerweile vollkommen durchsichtig und meine Haare kleben an meinem Gesicht. „Du hast mich heute ziemlich schlecht dastehen lassen.", beginnt meine beste Freundin, doch ihr Ton klingt nicht verärgert. Im Gegensatz, sie klingt richtig belustigt.
„Es tut mir leid, ich hätte die Stimmung nicht so runter machen sollen." Sie kichert und ich kicke meine Schuhe ins Regal. Kayla hat jedes Recht sauer oder zumindest verstimmt wegen mir zu sein. Doch ihr Ton klingt so gar nicht danach. „Das meine ich doch gar nicht. Ich rede von Matteo. Er ist dir ja richtig unter die Haut gefahren! Normalerweise bist du die Ruhe selbst und bist damit beschäftigt, mich gutaussehen zu lassen. Aber heute, hast du die ganze Aufmerksamkeit richtig genossen. Ich war ein Fan von dir." Ich weiß nicht, wie ich ihren Kommentar deuten soll. Vielleicht ist sie sauer, dass ich ihren Lieblingsrapper angesprochen habe? Aber das habe ich doch gar nicht getan! Weder habe ich ihn gebeten mich zu beachten, noch sich neben mich zu setzen und Artischocken zu essen. Nun gut, zu Letzterem habe ich ihn vielleicht etwas provoziert. „Du hast recht: Du solltest der Mittelpunkt sein. Und du brauchst auch gar nicht dass ich dich gut aussehen lasse. Du siehst immer perfekt aus und mich würdigt niemand auch nur auch nur eines Blickes." Sogar in meinen Ohren klingt der Satz nach tiefer Verbitterung. Dabei meine ich ihn doch gar nicht so. Ich nehme noch einen Schluck Bier und merke, wie die Flüssigkeit mich müde macht. Vielleicht macht sie mich auch etwas zynisch, obwohl das so gar nicht meine Art ist.
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Diamanten-Rausch
RomanceWas passiert, wenn ein introvertierter und sensibler Mensch in die harte und egoistische Musikbranche gerät, in der kaum Platz für jemanden scheint, der seine eigene Stärke scheinbar noch nicht gefunden hat? So geht es der jungen Studentin Mel, die...