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Die schwere Glastüre hinter mir fällt ins Schloss, während ich nach draußen auf die Hofeinfahrt trete. Eigentlich hätte ich mich bei Jonathan verabschieden müssen. Oder zumindest bei unserem Gastgeber. Doch ich habe das nach Matteos dummer Ansprache nicht mehr fertiggebracht. Er war so unfair gewesen. Als könnte er sich erlauben, ein Urteil über mich zu fällen, an einem Abend wie diesem.

Hinter mir öffnet sich die Eingangstüre wieder und ich beschleunige meine Schritte, um möglichst schnell weg von hier zu kommen. Es war nicht so, dass mir diese Art von Party generell missfiel. Ganz im Gegenteil. Mit Al Rapone zu plaudern und mit Jonathan und den anderen zu fachsimpeln hatte mir sehr gut gefallen. Doch ich werde mich nie wieder so lächerlich kleiden und auch nie mehr in privater Begleitung auftauchen. So professionell ich Matteo sonst in der Öffentlichkeit erlebe, so unmöglich hatte er sich heute benommen.

„Mel!" Matteos Stimme hinter mir lässt mich nur noch schneller Laufen. Ich laufe an mehreren schönen Autos vorbei, bis ich den Ruf meines Namens nochmal höre, diesmal deutlich näher. Eine breite Hand packt mich am Ellenbogen und hält mich auf, nur wenige Schritte von Matteos Wagen entfernt. „Fass mich nicht an!" schreie ich und höre selbst, dass meine Stimme dabei in eine hysterische Tonlage abrutscht. Als ich herumfahre, lässt Matteo mich sofort los.

„Ist gut, aber lauf nicht vor mir weg. Ich fahr dich Nachhause.", sein Ton ist vorsichtig und er hält Abstand, dennoch schüttle ich schnell den Kopf. „Ich will aber nicht, dass du mich Nachhause bringst. Ich komme ganz wunderbar allein zurecht." Ich recke mein Kinn, als könnte ich meine Absicht damit unterstreichen. Doch ich weiß, dass ihm das egal sein wird.

„Mel, ich bringe dich jetzt Nachhause. Du kannst nicht von hier aus laufen, wo willst du denn hin?", führt er mir meine Lage vor Augen. Doch ich schnaube nur und verschränke die Arme vor meiner Brust. „Hast du mir überhaupt zugehört? Ich will nicht. Nein, danke! Andere Frauen stehen vielleicht auf diesen stoischen, rettenden Trick, doch mich beeindruckst du damit nicht. Ich bin keine Frau, die sich zu irgendwas zwingen lässt, weder zu einem Tanz, noch zu einer Autofahrt.", mache ich Matteo klar und erkenne meine Stimme dabei selbst nicht wieder. Seit wann bin ich so mutig? Seit wann schaffe ich es, einem Mann wie Matteo einfach die Stirn zu bieten, ohne mir Gedanken darüber zu machen, was er über mich denkt oder gleich tun wird? Vielleicht hat es etwas mit Vertrauen zu tun, weil ich ihn mittlerweile schon in so viele Extremsituationen kennen gelernt habe. Oder es hat etwas damit zu tun, dass ich grade zwischen den mächtigsten Menschen der Musik Industrie nicht gestottert habe und zu jedem Moment professionell gewirkt habe. Ich kann diesen Job machen und zwar genau so wie ich selbst bin, ohne mich zu verbieten und so zu werden, wie ich früher immer gedacht habe sein zu müssen.

„Das weiß ich.", beginnt Matteo und streicht sich durch seine kurzen Haare. Die Geste wirkt nervös. „Aber du bist eine Frau, die Grips hat. Also hör mit jetzt mal sehr gut zu, Mel: ich war kein Arsch, weil du einen Rock anhast. Dass du heiß bist, wusste ich schon lange bevor du dich in diesen... Fummel geschmissen hast." Matte s Stimme ist ruhig, doch er kommt einen Schritt näher, so dass ich wieder einen zurück mache. Er kommt mir noch näher, langsam doch stätig, so lange, bis ich mit dem Rücken an seinen Wagen stoße. Das kalte Metall auf der nackten Haut meiner Oberschenkel, lässt mir einen Schauer über den Rücken wandern, oder vielleicht sind es auch Matteos Worte. Er lässt mir noch genug Raum für mich, doch stellt mit seiner Körpersprache auch unmissverständlich klar, dass er jetzt an der Reihe ist zu sprechen.

„Und wenn Sharoon mit dir geflirtet hätte, weil du einen Kartoffelsack getragen hättest, dann hätte es mir auch nicht gepasst. Ich... ich kann nicht aus meiner Haut. Jahrelang versteckst du dich hinter deinem Diamanten und heute beschließt du plötzlich alle Fassaden fallen zu lassen und dich für die gesamte Branche zu öffnen. Wie... was soll ich denn dazu sagen? Ich dachte, mein Album wäre etwas Besonderes, dass du aus Leidenschaft machst. Aber vielleicht ist es nur ein Sprungbrett oder... ach Scheiße!", flucht Matteo laut und tritt in die perfekt aufgeschüttete Kieseinfahrt unter sich. Ein paar Steine fliegen zur Seite, doch es scheint ihm egal zu sein. Er fährt sich mit der rechten Hand über die kurz geschorenen Haare und nimmt wieder Abstand von mir.

Diamanten-RauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt