„Meine Güte, so schwer kann das doch nicht sein Cash. Schick mir einfach den Track rüber und ich höre ihn mir an. Diskretion ist noch immer mein Steckenpferd. Sag das diesem.... Rapper einfach." Meine Aufmerksamkeit geht von meinem Telefonat kurz zurück auf die Straße, die ich überquere, mit einer Hand umklammere ich mein Smartphone, mit der anderen kralle ich mich an meinem Jutebeutel fest. Wenn mich jetzt noch ein Passant anrempeln sollte, hätte ich gute Lust ihm meine Tasche samt Laptop und Büchern über den Kopf zu ziehen. Was ich nicht wirklich tun würde. Aber ich gebe mich kurz der Fantasie hin. „Ich weiß nicht genau, was ich von all der neuen Aufmerksamkeit halten soll, die wir aktuell haben. Ich versuche nur etwas für dich auszusieben.", erklärt Cash, während Kayla mich schwungvoll zur Seite zieht. Das Fluchwort, dass sie dem rasenden Fahrradfahrer zuschreit, der mich um ein Haar gerammt hätte, lässt mich erschrocken aufsehen. „Was? Wer so einen Fahrstil hat, hat es verdient so betitelt zu werden." Ihre vulgäre Handgeste verschwindet wieder und sie zuckt die Schultern. „Du fährst, während wir hier sprechen?" Cash klingt am anderen Ende der Leitung geradezu entsetzt. Ich seufze und puste mir eine meiner Haarsträhnen aus der verschwitzten Stirn. „Nein. Ich kann gar nicht Auto fahren. Ich bin nur... die Innenstadt am Samstag ist einfach die Hölle. Schick mir den Track, ich kann selbst aussortieren. Ich will das ganze lieber von einem künstlerischen Aspekt betrachten, nicht so sehr von dem wirtschaftlichen. Ich vertraue auf deine Expertise Cash, aber bitte lass mir noch meinen Freiraum." Nachdem wir uns verabschiedet haben, sehe ich, dass ich eine kurze Sprachnachricht erhalten habe. Ich seufze, während Kayla und ich uns durch die Nebengasse schlängeln und ab und an nach hinten sehen, aus Angst vor heranrasenden Fahrradfahrern. Dann drücke ich auf Play und halte mein Smartphone neben mein Ohr.
„Ich denke ich erhänge mich morgen Mel. Möchtest du das Büro komplett übernehmen? Oder soll ich da rechtlich noch irgendetwas vorher regeln? Er ist unfassbar und ich schwöre, wenn ich ihn nicht so lange kennen würde, würde ich ihm gerne den Hals umdrehen. Aber ich weiß, dass er äußerst unangenehme Freunde hat. Und auch wenn ich seinem böse dreinschauenden Kumpel weit aus mehr zutrauen würde Mafia Beziehungen zu haben, will ich es mir mit ihnen glaube ich nach über 10 Jahren Zusammenarbeit nicht verscherzen. Ich schöre dir, ich streiche ab Montag jeden Tag in unserem Bürokalender rot an, bis zu diesem verdammten Releasedate. Aber wer weiß, ob wir das einhalten. Ich glaube an gar nichts mehr. Entschuldige, ich musste mich nur kurz bei dir aufregen. Bei allen anderen Leuten kann ich über ihn ja nirgends so sprechen. Das wäre schlecht für sein Image. Oder wäre es gut? Gangsterrapper sind doch immer gerne ansträngend, oder? Und dieser Kaffee im Studio bringt mich um, ich würde morgen für einen guten Eiskaffee. Aber egal, deshalb belabere ich dich hier eigentlich auch gar nicht. Ich wollte fragen, wo du die Demo Memos hast, die du mir am Mittwoch im Büro vorgespielt hast. Da war irgendein Bass-Beat dabei den ich nicht aus dem Kopf bekomme und ich würde gerne an irgendetwas arbeiten, während ich für Matteo so tue, als würde ich an seinem Album schrauben, welches komplett fertig bereits seit Monaten auf meinem vedammten... nein, ich rege mich nicht auf. Sag mir einfach, ob due sie griffbereit da hast oder du mir einen Grund liefern kannst ins Büro zu fahren um diesem Wahnsinn wenigstens kurz zu entkommen." Das Ende der Nachricht ist erreicht und ich und drücke, ohne zu zögern auf den Aufnahmeknopf in der Ecke. „Suizidwitze sind nicht lustig Jonathan. Rechtliche Schritte bezüglich
deines Todes sind außerdem nicht in innerhalb von 24 Stunden einzuleiten. Das dauert viel länger. Aber ich kann Kayla fragen, ob ihre Mutter uns mit ihrem Fachwissen als Juristin aushilft und das ganze beschleunigt. Dein Tod wäre für meine Kariere allerdings sehr hinderlich, also lass es." Der Zynismus in meiner Stimme ist eben so hörbar wie Jonathans überzogener Sarkasmus. „Ich bin in zwanzig Minuten bei dir und kann dir und den Track vorbeibringen, ich habe meinen Laptop dabei und wir können das mit Sticks und Kabel dann gerne kurz im Studio übertragen." Ich nehme meinen Daumen von der Aufnahmetaste und sehe zu wie meine Nachricht erst einen, dann zwei Hacken aufweist. Mein Chef hatte meine Nachricht also bereits empfangen.
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Diamanten-Rausch
RomanceWas passiert, wenn ein introvertierter und sensibler Mensch in die harte und egoistische Musikbranche gerät, in der kaum Platz für jemanden scheint, der seine eigene Stärke scheinbar noch nicht gefunden hat? So geht es der jungen Studentin Mel, die...