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Matteo

Meine Laune ist heute richtig gut. Nach einem kleinen Umtrunk in meinem Label hatte ich alle meine Mitarbeiter, vom Manager bis zur Empfangsdame, in den Urlaub geschickt. Gerade verlassen alle den Konferenzraum, während ich es mir noch einen Moment am Schreibtisch gemütlich mache. Der Schnee rieselt immer noch vom Himmel herunter, was uns morgen also ein weißes Weihnachten sichert. Nicht, dass ich der Weihnachtstyp bin, jedoch zieht auch an mir diese Zeit im Jahr nicht ganz spurlos vorbei. Gerade das Weihnachtsgeschäft sollte man als Labelboss nicht unterschätzen. Während ich aus dem Fenster sehe, klopft es kräftig an der Türe meines Konferenzraumes. Eigentlich dachte ich, ich wäre mittlerweile allein auf dieser Etage, weshalb ich kurz hochschrecke. „Herein!", bitte ich, während ich mich umdrehe. Mein bester Freund und Kollege Recai, von allen in der Branche nur Al Rapone genannt, steht in der Türe. Seine Silhouette sieht wie immer gut aus: perfekt trainiert und im tadellosen Outfit. Der Mantel, der Hut und die noblen Schuhe passen zu ihm besser, als zu jedem Mafia Boss. Sein Gesicht ziert ein strenger Ausdruck, den ich sonst nur aus beschwerlichen Geschäftsmeetings kenne. „Hey Alter, alles klar? Ich wollte mich noch umziehen, bevor wir essen gehen." Wir hatten uns heute Abend mit Freunden aus unserem alten Viertel zum Essen verabredet und danach sollte es noch in unsere Stamm-Shisha-Bar gehen. Dass er so viel früher aufschlägt, ist eigentlich nicht sein Stil.

„Du hast es noch nicht gehört, oder?" Recai tritt in den Raum, während ich, nichts ahnend, den Kopf schüttle. „Ist jemand gestorben?", frage ich ernst, denn sein ernster Gesichtsausdruck lässt mir die Haare im Nacken zu Berge stehen. „Ja unser Buissnes glaube ich.", sagt er trocken, während ers ich neben mich auf einen der Stühle fallen lässt. „Sharoon ist in den Charts. Und nicht nur das, er ist auf Platz eins. Doch das Beste ist, es ist nicht mal ein neuer Song, sondern nur ein Remix. Einen Tag vor Weihnachten, droppt er so einen gefühlvollen..." er hält mir sein IPhone hin, während er weiter darüber herzieht, und ich überfliege den Text. „Ich will nicht die Kritik dazu lesen, ich will den Song hören.", fordere ich.

Ich ziehe mein Tablet heran und schließe alle Tabs die ich gerade noch für das Meeting gebraucht hatte. Dann rufe ich Youtube auf. Das Video hat schon besorgniserregend viele Klicks. Das Logo seines Labels – Lxs – die Kurzform für das Wort Luxus, erscheint zuerst und fadet dann aus in ein Schneegestöber welches über Sharoon und einem weißen Mustang wirbelt. Allein der Anblick von ihm mit seinem protzigen Pelz und dem albernen Wagen lässt mich den Kopf schütteln.

Und dann höre ich die ersten Töne des Songs. Eine Frauenstimme die reiner klingt als die Schneeflocken im Video, beginnt ein leise Hook zu singen. Meine Finger krallen sich in die Armlehnen meines Stuhls. „Das ist nicht ihr Ernst..." Ich höre die Worte, so klar und deutlich, als wäre sie hier im Raum, direkt neben mir: „You fly so high. Someone safe us, set us free. Dont play with fire, you'll never win. Someone safe me from you, set me free. Fly to the sun and lose me."

Sobald Sharoons Stimme auf dem Track einsetzt, höre ich kaum noch zu. Man braucht nur wenige Sekunden um zu erkennen, dass es sich hier um emotionalen Gefühlsrap handelt. Einer, der mich nicht weniger interessieren könnte. Doch ihre Stimme, engelsgleich, ist immer wieder zwischen den Strophen zu hören. Meine Nackenhaare stellen sich auf, zum einen, weil ihre Stimme mich wie immer so berührt und zum anderen, weil ich mir plötzlich unfassbar verarscht vorkomme. Sie schreibt nicht für solche Rapper hat sie gesagt. Und das habe ich akzeptiert. Doch für ihn knickt sie ein? Sie ändert ihre, scheinbar doch so starren Prinzipien, für einen Poser wie ihn? „Ich muss los." Ich erhebe mich von meinem Stuhl und greife nach meiner Jacke, noch während das Video läuft. „Ähm... wie jetzt? Keine Ansage?" Al Rapones Blick hebt sich vom Bildschirm, auf dem ein viel zu schnell produzierter Film abläuft. Die Kameraführung ist gut, doch es wurde nicht viel Aufwand darum herum betrieben. Die Szenen sind alle in der Umgebung einer Stadt gedreht worden, vermutlich sogar der meinen und es wurden keine aufwändigen Effekte eingesetzt, was bei einem holen Liebeslied wie diesem hier auch nicht nötig ist. Dafür interessieren sich ohnehin nur die Mädchen, die hoffen hinter der Fassade dieses Idioten etwas mehr zu sehen, als in Wahrheit da ist.

Diamanten-RauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt