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Das „Taxi" welches Matteo mir bestellt hat, hätte nicht privater sein können. Weil ich gerade mit etwas anderem beschäftigt gewesen war, hatte ich keinen Gedanken an meine Mitfahrgelegenheit verschwendet. Doch noch während ich mich mit Tyrna etwas oberflächlich über seine Familie unterhalte, fährt eine pechschwarze Maschine auf den Hof, die ich bereits gut kenne. Mein Lieblingskellner zieht den schwarzen Helm vom Kopf, so dass sich augenblicklich einige Schneeflocken in seinen dunklen Locken fangen. „Stets zu Diensten Mylady!", ruft er aus und hält mir einen zweiten Helm entgegen. „Na dann, viel Spaß mit deinem Prinzen da unten.", verabschiedet Tyrna mich und nickt mir zu. Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwindet er nach drinnen. Ich sehe dem Kollegen von Matteo einen Moment nach, während ich mich wieder erinnere, wohin er nun geht. In das Leben, an dem Gangsterrapper Spaß haben und von dem ich möglichst schnell Abstand nehmen möchte.

Um es mir schnell wieder aus dem Kopf zu schlagen, laufe ich die Stufen der Villa hinunter zu Marco, wobei mein Herz noch immer ein Ticken schneller schlägt. Die Situation dort drinnen hatte mich gerade viel Kraft gekostet und ich bin unendlich froh, dass Matteo jemanden gerufen hatte, den ich kenne und bei dem ich mich wohl fühle. Entweder war er ihm einfach als erster eingefallen, oder er entwickelt mehr Feingefühl für meine Bedürfnisse, als ich ihm zugetraut hätte. „Matteo meinte, hier sei wertvolle Ware abzuholen, die man nur einem Spezialisten für scharfe Angelegenheiten übertragen kann.", erklärt Marco mit einem Zwinkern und schafft es so schon wieder, dass mir Hitze in die Wangen steigt. Ein mädchenhaftes Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus und ich kann nicht anders als verlegen den Kopf zu schütteln. „Das hat er sicher nicht geschrieben, die Nachricht war zu kurz. Und wenn ich auch noch davon ausgehe, dass er dir die Adresse geschickt haben muss, hat er sicher nur einen kurzen mafiamäßigen Satz geschrieben wie: Du schuldest mir noch einen Gefallen.", necke ich ihn und wundere mich, woher ich schon wieder meinen Humor habe. Die Jungs heitern mich wirklich zuverlässig auf, auch wenn ich beim Anblick meiner Mutter eben noch dachte, die Welt würde untergehen.

„Wenn dann schulde ich ihm jetzt etwas, denn eine Fahrt mit dir ist ja wohl keine Erledigung, sondern ein Geschenk. Also, traust du dich?" Mit seiner behandschuhten Hand hält Marco mir den Helm hin, den ich schnell ergreife. Ich hatte Matteos Shirt noch unter meinen Hoodie und meine Jacke gezogen und bin jetzt auch um jede Schicht froh, die ich mehr am Laib trage.

„Aber sicher.", erwidere ich auf Marcos Frage, während ich mir den Helm überziehe und in die Handschuhe schlüpfe, die er mir reicht. Dann schwinge ich mein Bein über die schwarze Maschine und stelle meine Füße auf den dafür vorgesehenen Platz. Meine Hände finden Marcos Lederjacke diesmal ganz automatisch. Sobald er Gas gibt, schlinge ich meine Arme um ihn und halte mich ganz fest. Mein Instinkt sagt mir, dass Marco mich hier sicher rausbringen wird. Aus der Welt, der ich so gerne fernbleiben will und weg von Matteo, der sich mit halbnackten Frauen im Bett räkelt. Und weg von meiner Vergangenheit, der ich ohne Matteo niemals so über den Weg gelaufen wäre.

Die Stadt rauscht wie schon das letzte Mal schnell an mir vorbei. Es ist aufregend am Straßenverkehr so offen teil zu nehmen, nicht hinter der Karosserie eines Busses oder Autos. Die Blase die einen sonst umgibt, fällt weg und man fühlt jede Kurve, jede Unebenheit im Asphalt. Ich schmiege meinen Kopf so gut es mit dem Helm geht an Marcos Rücken und umklammere ihn, als wäre er mein sicherer Anker. Als könnte er all das was eben geschehen ist, ungeschehen machen. Obwohl ich mit meinen Gedanken wo anders bin, erkenne ich schon nach kurzer Zeit, dass Marco wo anders hinfährt, als zu meinem Apartment. Ich überlege kurz, ob ich ihn irgendwie darauf aufmerksam machen soll, dass mir dabei nicht ganz wohl ist. Hat Matteo ihn gebeten, mich wo anders hinzubringen? Bei dem Gedanken daran, dass Matteo sich tatsächlich solche Sorgen um mich gemacht hatte, kribbelt es in meinem Magen leicht. Doch dann schiebe ich diese Fantasie wieder bei Seite. Matteo ist kein Mann, der so etwas tut, auch wenn er eben einen schwachen Moment hatte. Wie damals in der Muschel und im Tonstudio. Manchmal fällt seine Maske, doch nie für lang.

Diamanten-RauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt