- Matteo -
„Habibi! Komm rein Bruder, komm rein!" Ich trete vor Mel in den Dönerladen meines Vertrauens und sehe mit einiger Genugtuung ihre ungläubige Miene. Mels Gesicht ist für ihr Umfeld so oft wie ein offenes Buch. Selbst wenn sie sich mit ihren Worten zurückhält, kann ich an ihrer Miene immer sofort ablesen ob sie mich am liebsten umbringen möchte. Jetzt kann ich zum Glück mehr Neugierde als Verurteilung daraus lesen. „Ich weiß, du warst schon mit einem Restaurantbesitzer liiert und ich kann dem nicht ansatzweise das Wasser reichen. Daher versuche ich das gar nicht. Aber ich kann dir den besten Döner der Stadt bieten." Sie sieht mich mit einem Blick an, der mich vielleicht strafen soll, aber ich finde ihn schlicht weg niedlich. Ich hatte die letzten Wochen viel zu wenig Kontakt mit ihr. Doch das Album ist in der Endphase und ich bin in dieser Zeit meistens so unausstehlich, dass ich mich kaum selbst ertragen konnte. Diese Laune hätte sie nicht verdient. Mein Tiefpunkt war gestern als ich Jonathan fast aus dem Studio geworfen habe, unter Androhung ihn zu feuern, und er mir schließlich geraten hat, ich soll mal einen Tag Pause machen. Also bin ich hier und verbringe den Tag mit Leuten, die mich von der Produktion ablenken. Dass Mel dazugehört, habe ich gar nicht mehr in Frage gestellt. Ich weiß zwar noch nicht, wie sie zu meinen Freunden passen wird, aber ich habe aus irgendeinem Grund ein gutes Bauchgefühl.
„Hey, Bruder, schön dich zu sehen." Ich klatsche meinen Kumpel Ahmet hinter dem Tresen ab und er reibt sich geschäftig die Hände. „Immer schön dich hier zu haben, was kann ich dir und deiner Prinzessin bringen?" Ich grinse und nicke zu dem sich drehenden Dönerspieß hin.
„Einmal mit allem bitte.", bestelle ich und sehe dann zu Mel. „Und für die Prinzessin?", necke ich sie und kann tatsächlich zusehen, wie ihre Wangen einen leichten Ròseton annehmen. Oh, ich wusste gar nicht, dass sie für süße Spitznamen so empfänglich ist. Wenn ich sie kleinen Diamanten nenne, ist sie meistens wütend, aber das liegt vielleicht an den Situationen in denen ich es verwende. Vielleicht sollte ich noch mehr auszuprobieren um sie damit entweder erröten zu lassen oder ihre Wut zu provozieren. Unser kleiner Flirt im Studio letztes Mal, bei dem sie eindeutig die Oberhand hatte, hat mir viel mehr Spaß gemacht als ich vor irgendjemandem zugeben würde. Vielleicht schlummert in mir doch ein kleiner Masochist.
„Eine Döner-Box mit allem, außer Fleisch.", bestellt sie und ich sehe an ihren fest verschränkten Händen, dass sie angespannt ist. „Magst du mit Käse und scharf?", fragt Ahmet und ich bin unendlich froh, dass er keinen Kommentar zu ihrer Vegetarischen Option abgibt, bei dem sie sich noch unwohler fühlen könnte. „Ja gerne.", stimmt sie zu und sieht mich dann an. „Du auch scharf Matteo?", fragt Ahmet, während er sich schon umdreht und die Brote hinter sich in den Ofen schiebt. „Sicher Bruder, wie immer.", stimme ich zu.
„Gut. Ich bringe euch gleich alles. Nehmt euch was zu Trinken und sucht euch den besten Platz." Ich lege Mel eine Hand auf den Rücken und lehne mich zu ihr. „Hol dir was aus dem Kühlschrank und bring mir bitte eine Cola Zero mit, ja? Such dir den Tisch aus, den du magst. Das Sofa in der Ecke ist besonders bequem, nur so ein Tipp." Sie nickt und ich wende mich wieder Ahmet zu, wobei ich auf den Turm von Süßspeisen auf einem Teil der Theke zeige. „Da fällt dir sicher nicht auf, wenn etwas fehlt, oder?", hacke ich nach.
„Mir nicht. Meiner Mutter fällt alles auf, Matteo. Aber wenn ich sage, dass es für dich und ein Mädchen war, wird sie nicht so genau hinsehen." Wir grinsen uns an, während ich eine Schale Baklava von der Theke angle und damit zu Mel gehe, die sich mit einem Ayran und meiner Cola an einen der Tische neben das Fenster fallen lässt. Sie kreuzt die Beine auf dem Sofa sofort im Schneidersitzt und sieht aus, als würde sie sich wohl fühlen. Ich hoffe, meine Menschenkenntnis enttäuscht mich mit dieser Annahme nicht.
„Ich hoffe du magst Döner? Ich wusste nicht, dass du vegetarisch bist." Ich lasse mich gegenüber von ihr auf den Stuhl fallen und sehe ihr zu, wie sie den Deckel ihres Bechers öffnet. „Das ist nicht so schlimm, ich bin es auch erst, seit ich bei Kayla wohne. Sie ist Veganerin und schaut eine beträchtlich hohe Anzahl von Aufklärungsvideos aus Schlachthäusern. Da vergeht dir irgendwann der Appetit auf Fleisch völlig. Zuhause essen wir rein vegan, wenn ich unterwegs bin, dann esse ich vegetarisch. Aber ein guter Döner zeichnet sich ja nicht nur durch das Fleisch aus, hoffe ich." Ich nicke, weil ich nicht genau weiß, was ich dazu sagen soll. Ich habe mich viel mit Ernährung auseinandergesetzt seit ich das mit dem Krafttraining ernst nehme, doch mit dem Thema Veganismus bin ich schlecht aufgestellt. Ihre vegetarische Vorliebe notiere ich mir aber für mich, nicht dass ich sie nächstes Mal mit zum Grillen zu den Jungs nehme und ein halbes Schwein auf dem Grill sie verschreckt.
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Diamanten-Rausch
RomanceWas passiert, wenn ein introvertierter und sensibler Mensch in die harte und egoistische Musikbranche gerät, in der kaum Platz für jemanden scheint, der seine eigene Stärke scheinbar noch nicht gefunden hat? So geht es der jungen Studentin Mel, die...