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Ich will dass Matteo mir zuhört. Ich will aber auch dass er mich nach den Wochen der Abwesenheit nicht schon wieder in Jeans und T-Shirt sieht. Deshalb habe ich brav auf Kayla gehört, wie man das als beste Freundin so tut. Mein schwarzes Kleid hat eine Länge, mit der ich mich gerade noch so wohlfühle und einen schönen Herzausschnitt. Kayla und ich hatten es letzte Woche in einem Second Hand Shop entdeckt und ich war sofort verliebt gewesen. Dazu hatte ich eine weinrote Strickjacke und Turnschuhe kombiniert, ein Outfit, in dem ich mich einfach wie ich selbst fühle. Was ich von meiner Haut im Allgemeinen gerade nicht behaupten kann, als Kayla vor dem Musikstudio hält. „Viel Glück.", wünscht sie mir, während ich aus dem Wagen steige und mit einigem Magenkribbeln auf die mir so bekannte Türe zusteuere. Meine Handflächen schwitzen, mein Herz rast, während ich an dem Türgriff ziehe. Doch meine Nervosität ist völlig umsonst, denn als ich erneut an der dunkel verglasten Türe rüttle, ist sie verschlossen. Mir wird übel. Matteo ist nicht hier.

Ich drehe auf dem Absatz um und versuche einen klaren Gedanken zu fassen, ehe ich in Kaylas Navigationsgerät eine neue Adresse eingebe. Da ich selbst kein Auto habe bin ich eine erstaunlich schlechte Beifahrerin, wenn es um das Thema Wegbeschreibung geht. Ich sage immer viel zu spät wann man in der Innenstadt wo abbiegen muss, weshalb Kayla und ich uns seit Neuestem gerne auf ihr Navi verlassen. Seit sie sich vor ein paar Wochen ihr neues Auto gekauft hatte, fährt sie mich ohnehin gerne überall hin, sei es nun mit Navigation oder ohne.

Als wir am nächsten Stopp ankommen und ich an dem Hochhaus nach oben sehe wird mir noch mulmiger als vorhin beim Tonstudio. Das hier ist nicht mehr meine Komfortzone. Das hier ist ein Ort, an dem ich letztes Mal Grauenvolles gesehen habe. Und ich hatte nicht geplant hier allzu schnell wieder her zu kommen. „Bist du dir sicher, dass er hier ist?", fragt Kayla und kratzt sich am Rand ihrer bereits eintrocknenden Haare. Ich werfe ihr einen schuldbewussten Blick zu.

„In seinem Büro brennt Licht. Und etwas anderes fällt mir gerade nicht ein. Und du musst dringend Nachhause und deine Farbe auswaschen." Sie zupft wie zur Antwort nochmal an der Folie. „Ja. Aber du rufst mich an, wenn du wieder Nachhause kommst. Das Freundinnentaxi macht sich dann sofort wieder auf den Weg." Ich drücke kurz liebevoll ihre Schulter, ehe ich aus dem Wagen steige und meinen Weg nach oben antrete. Dank Aufzug ein lächerlich kurzer Weg, doch allein der Anblick von Matteos Nachnamen in goldenen Lettern neben dem Etagenknopf sorgen dafür, dass ich eigentlich wieder weg möchte. Oder schneller auf ihn zulaufen.... Ich weiß es nicht. Ich weiß nur dass ich die Situation die nun vor mir liegt so schnell hinter mich bringen möchte wie nur möglich.

Es ist wie jedes Mal, wenn ich hier aussteige: Ich habe erneut das Gefühl in eine andere Welt überzutreten. Von dem lauten, heruntergekommenen Viertel der Straße trete ich in puren Luxus. Auf Hochglanz polierte Böden, Glastüren und goldene Türklinken säumen meinen Weg, als ich mich im Empfangszimmer des Labels wiederfinde. Hinter dem Empfangstresen sitzt, wohl wegen der späten Stunde, keine Empfangsdame wie sonst. Wenigstens ein Hindernis weniger. Ich atme kurz durch, ehe ich den Raum durchquere und dem Gang nach rechts hinten folge. Vorbei an Bürotüren mit Namen denen ich keine Beachtung schenke. So lange, bis ich an der letzten Tür des Ganges ankomme, neben der, ebenfalls in lächerlich protzigen goldenen Lettern Matteos Name steht. Ich hebe meine Hand um zu klopfen, friere jedoch in meiner Bewegung ein, als ich hinter mir Schritte höre.

„Er ist nicht hier." Ich drehe mich auf dem Absatz um und mustere den Mann gegenüber von mir. Ich hatte vergessen wie breit Tyrna war. Vor allem hier allein in einem Gang der mir plötzlich viel zu klein vor kommt. „Ich... ich suche ihn.", bringe ich wenig geistreich hervor und ignoriere das nervöse Zögern meiner Zunge. Das ist kein Stottern. Das ist bloß die Aufregung. Ich hebe mein Kinn ein kleines Stück, um mir selbst Mut zu machen.

„Tja. Hier ist er nicht.", wiederholt Tyrna nochmal und klingt dabei wesentlich unfreundlicher als ich ihn in Erinnerung habe. Aber das ist egal, denn ich bin nicht hierhergekommen, um mich einfach wieder abwimmeln zu lassen. Außerdem braucht Kayla sicher noch 30 Minuten, um ihre Haare auszuspülen, ich habe also noch etwas Zeit übrig, um irgendeine Information aus dem Rapper vor mir herauszubekommen. Ich wünschte meine beste Freundin wäre hier. Kayla hätte diesen Laden hier schneller auf links gedreht als ich mir einen Plan überhaupt hätte ausmalen können. Und sie wäre mit der nötigen Information wieder gegangen. Das Einzige dass ich tun kann, ist mein Möglichstes zu versuchen, auf meine Art und Weise. „Kannst du mir sagen, wo er ist?", hacke ich möglichst sachlich nach. Ich will nicht, dass Tyrna mir unter die Haut fährt, er soll nicht wissen was für ein Chaos gerade in mir herrscht.

Diamanten-RauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt