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Ich führe Kayla ins Laboqueria, mein Lieblingsrestaurant. Es liegt im Viertel um die Uni und damit genau zwischen Kaylas und meiner Wohnung. Sie wohnt in einer großzügigen zwei Zimmer Wohnung, weshalb wir unsere gemeinsamen Abende immer bei ihr verbringen. Das ist mir sehr recht, denn ich arbeite die meiste Zeit Zuhause an meinen Musikprojekten und müsste jedes Mal eine Menge Unterlagen, meine Elektronik und meine Notizen verstecken, wenn meine Freunde zu Besuch kommen. Außerdem bekräftige ich damit das Argument, dass ich kaum Geld habe. Denn da Kayla nichts von meinem Job weiß, kann ich nicht ständig viel Geld ausgeben, ohne dass sie Fragen stellt. Wenn mich mal mein schlechtes Gewissen erdrückt, lade ich sie zum Essen oder ins Kino ein. Bisher hat sie das noch nie hinterfragt. Und da Kaylas Eltern ihr das gesamte Studium, inklusive hübscher Wohnung finanzieren, hält sich mein Wunsch nach Ausgleich meistens in Grenzen.

Als wir endlich im Restaurant ankommen, haben wir beide vom Regen nasse Haare und lachen etwas über Kaylas Spiegelbild in der Fensterscheibe, deren Schminke völlig verlaufen ist. „Ich muss mich im Klo sofort schminken, ich sehe sicher aus wie dieser Rockstar, von dem du im Gymnasium ein Poster im Ordner hattest." Ich pruste los, während ich ihr die Türe aufhalte. „Du meinst Alice Cooper? Das war nur, damit die neugierigen Zicken nicht ihre Nase in meine Sachen stecken und denken, ich leide unter akuter Geschmacksverirrung. Obwohl ich seine Musik eigentlich immer ganz gerne mochte. Und sein Look steht dir ausgezeichnet." Kayla kichert, während wir eintreten und ich meine schmutzigen Sneakers auf dem Teppich trockenklopfe.

„Ah, hola Senoritas!", begrüßt uns Marco, einer der Kellner, dem unsere Gesichter mittlerweile viel zu vertraut sind. In regelmäßiger Gewohnheit hole ich mir hier nach der Uni ein Abendessen oder verweile dafür kurz an der Bar des Restaurants, wenn es schnell gehen muss. Ich liebe die spanische Küche und nirgends bekommt man in meiner Stadt besseres spanisches Essen als im Laboqueria. „Hallo Marco, ist noch ein Tisch frei?", frage ich, während ich mir mit dem Ärmel meines Pullis die Regentropfen von der Brille wische. „Sicher, für euch zwei immer. Wisst ihr schon was ihr wollt?" Wir machen uns schon auf den Weg ihm nach zum hinteren Teil des Restaurants, während wir wie aus einem Mund sagen: „Die Tapasplatte für zwei!" Marco lächelt und wir beide kichern, während er aus Gewohnheit zwei Speisekarten auf den Tisch legt. Ich lasse mich seufzend in das weiche Polster der Bank fallen, während Kayla mir gegenüber das gleiche tut. Unser Tisch steht am Rand des Lokals in einer kleinen Nische, so dass man die Türe gut im Blick hat und den Kellner nicht stört, wenn man nach dem Essen die Beine bequem über die Bank legt. Außerdem hört man die spanische Hintergrundmusik hier nur sehr gedämpft und es sitzen nie Gäste in unmittelbarer Nähe. Für mich also der perfekte Platz, um mich selbst an einem von vielen Menschen besuchten Ort zu entspannen. Wobei viel hier Definitionssache ist, der Gastraum hat gerademal 10 Tische und unter der Woche sind nie alle besetzt.

Ich kämpfe mich aus meiner Jacke und meinem Pulli, die sich beide mit Novemberregen aufgesogen haben und muss an das gleichnamige Lied einer Rockband denken. Obwohl ich mit Rappern arbeite, hege ich einen Drang zu anderen Musikrichtungen, deren Einflüsse mir bei der Arbeit viele neue Ideen bringen. Ich zupfe an meinem weißen Top herum, welches zwar etwas zu freizügig, jedoch trocken ist. Während Kayla ihre Haare in Ordnung bringt und nach ihrem Handspiegel kramt, stellt Marco unsere Getränke schon vor uns ab. Eine Cola Light und ein Bier, wie immer. Ich schnappe mir meine braune Flasche und lasse sie an Kaylas helle stoßen. „Auf verlorene Schlüssel und Novemberregen.", sage ich und ernte ein kindliches Grinsen, wie es nur meine beste Freundin mir schenken kann. Doch die Freude wehrt nicht lange, zumindest nicht auf meiner Seite, denn kaum fünf Minuten nach dem wir uns gesetzt hatten, geht die Türe auf. Eine weitere Macke von mir ist, den Raum immer im Blick haben zu wollen. Das ist ein Pluspunkt für Kayla, denn mein Radar für heiße Typen ist untrüglich. Ich ziehe mich bei dem Anblick immer zurück und Kayla kann auf Konfrontationskurs gehen. Meine beste Freundin versichert mit stets, ich sei zu intelligent, um dumme Männer anzuziehen und ich tue so, als würde ich ihr das glauben. In Wahrheit bin ich der Meinung, es liegt nur daran, dass ich mich nicht ansprechen lassen will und allen Menschen meinen angepissten halte-dich-bloß-fern-von-mir-Blick zuwerfe. Den kann ich nicht ein und ausschalten wie Kayla ihre Zickenmasche, der ist mir meistens aufs Gesicht gepinnt. „Heiß, kalt oder weiblich?", fragt Kayla, die sich ihrem Spiegelbild zuwendet und sich kopfschüttelnd das Fiasko unter ihren Augen ansieht. „Ich sehe aus wie ein Panda.", murmelt sie. Mein Blick bleibt an der Türe kleben und ich will im ersten Moment -heiß- antworten. Denn das ist das, was ich dort sehe. Doch im zweiten Moment sage ich: „Kalt. Eiskalt. Totale Angeber-Typen. Keinen Blick wert.", wehre ich bestimmter ab als sonst. Denn genau das ist Matteo. Ein Angeber-Typ, der in meinem Lieblingslokal aufschlägt. Und nach der Party und dem Fitnessstudio glaube ich nicht, dass das hier nochmal ein Zufall ist. „So schlimm?", fragt Kayla lächelnd und bevor ich es verhindern kann, dreht sie sich um. Sie gefriert in ihrer Bewegung, als ihr Blick auf Matteo und seinen Begleiter fällt. Ich kann die Herzchen geradezu in ihren Pupillen leuchten sehen.

Diamanten-RauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt