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Ich reibe meine Wange an Mattos, so dass sein leichter Bartschatten mich etwas kratzt. Es ist ein merkwürdiges Gefühl ihm so nahe zu sein, ohne zu streiten und ohne von einem Problem zu ihm als Ablenkung zu fliehen. Ich kann mich nicht erinnern mit dem Rapper jemals so locker zusammen gewesen zu sein, wie jetzt. Wir liegen auf seinem ausladenden schwarzen Sofa nebeneinander und im Hintergrund läuft der erste Teil eines Action-Streifens, den Matteo glaube ich nur angemacht hat, damit zwischen uns keine merkwürdige Stille entsteht. Nach seiner Vergangenheits-Beichte hatten wir beide einen Moment gebraucht, um alles zu verarbeiten und er hat mir dafür freundlicherweise sein Sofa näher gezeigt. Und nun schaffe ich es mich dank dem bekannten Film und dem warmen Körper unter mir auch ganz gut wohlzufühlen. Matteo trägt noch immer kein T-Shirt, was mir nun endlich die Chance gibt seine Tattoos näher in Augenschein zu nehmen. Über seinen gesamten Oberkörper laufen abstrakte Linien, die aussehen, als hätte man schwarze Tinte über ihn gegossen. Am Rücken bildet sich aus den dunklen Schatten ein großer Totenschädel der von seinen Schulterblättern bis hinunter zu seinem Hosenbund reicht. Meine Augen wandern über Matteos Körper und versuchen jede Linie, jede Narbe, jedes Detail aufzusaugen und darüber nachzudenken, wie dieser Mann so unfassbar rau und gleichzeitig so perfekt werde konnte. Zumindest denke ich über all das so lange in Ruhe nach, bis sich der Körper unter mir räuspert. „Langweilt dich der Film? Oder biete ich dir einfach einen besseren Anblick als der Hauptdarsteller?", zieht er mich auf und ich zucke die Schultern. Um sich ertappt zu fühlen ist es jetzt ohnehin schon zu spät.

„Typen mit Glatze waren noch nie mein Fall. Und ich hatte einfach noch nie genug Zeit hierfür." Mutig lege ich eine meiner Hände auf seine Brust. Matteos Blick folgt meiner Berührung. Ich fahre die Linien und Pinselstriche mit meinen Fingern nach, über seine Brust, seine Schultern, bis hinunter zu seinem Bauch. „Ich mag deine Tattoos.", kommentiere ich, während meine Augen die Muster scannen. Matteo hält, bis auf seine flache Atmung, völlig still unter meinen Berührungen.

„Matteo, darf ich dich etwas fragen?" Ich sehe von meinen Händen hinauf in seine Augen. Sein Kopf ist auf ein Kissen gebettet, seine Arme liegen entspannt neben ihm. Es ist ein ungewohnter Anblick ihn so ruhig zu erleben. Und ihn dann noch ganz allein für mich zu haben. Er nickt und ich überlege einen Moment, bis ich weiß, wie ich meine Frage am besten formuliere.

„Wann hast du mit den Tattoos angefangen?" Es ist nicht die Frage, die ich eigentlich stellen will. Es ist aber ein Anfang. Ich streiche mit meinem Finger über die Narbe unter seiner Brust, von der er mir vorhin erzählt hat. Mein Magen dreht sich beinahe um bei dem Gedanken daran, wie ihm jemand das zugefügt hat. Ich will wissen, ob sie es war. Ich will wissen, ob er nur so aussieht, wie er aussieht, weil sie ihm all diese Narben zugefügt hat. Hätte er sonst überhaupt Farbe unter der Haut? Würde er auch dann so abscheuliche Texte über Frauen schreiben? Wie wäre Matteo, wenn sie nicht gewesen wäre?

„Mel?", Matteos Stimme ist ruhig, während seine Hand meine findet und mich zwing kurz Inne zu halten. Ich hebe meinen Blick und spüre ein leichtes Brennen in den Augen. Ich bin wütend. Und traurig. Wütend auf sie, weil sie Matteo das angetan hat. Und traurig um seine Seele, die sich unter all dem harten Deutschrap-Image verstecken muss, um durchzuhalten. Ohne auf seinen fragenden Blick einzugehen, lehne ich mich nach vorne und presse meine Lippen auf seine. Es ist keine zärtliche Bitten, es ist ein verzweifeltes Flehen nach Nähe. Ich muss ihn bei mir haben, muss wissen, dass ihm nichts fehlt. Ich will ihm eine Pause geben, ihn all das vergessen lassen, dass die Welt ihm immer wieder auferlegen möchte. Meine Zunge findet seine und mein ganzer Körper kribbelt, als Matteo auf meine Berührung mit einem Stöhnen reagiert. Die Motorengeräusche im Hintergrund werden egal, sobald seine Arme meine Taille finden und mich auf ihn ziehen. Meine Hände finden seine starken Schultern, während mein Mund keine Sekunde von seinem ablässt. Ich presse mich fester auf seinen Schritt und spüre sofort die Antwort, die ich brauche. Er will mich. Und ich will ihn sorgenlos unter mir fühlen. Meine Lippen wandern von seinem Mund zu seinem Hals, ich schmecke das Salz auf seiner Haut und höre mit Genugtuung seine schneller werdende Atmung. Meine Finger ziehen Kreise über die schwarzen Linien seiner Haut. Ich lasse sie über seinen Hals wandern, über seine Arme, bis hinunter zu seinen Hüften. Jeder Millimeter ist mit Farbe bedeckt und will kein Stück davon auslassen. Es ist so lange her, dass ich ihn so berühren durfte. Und das letzte Mal wo wir so eng waren, mit so wenig Kleidung, hatte ich nicht die Nerven mir Zeit zu nehmen. Ich hatte ein gebrochenes Herz und einen Mann unter mir, der mich alles vergessen ließ. Und nun ist es genau anders herum. Ich will dass Matteo an nichts anderes mehr denken muss, ich will all die schlechten Erinnerungen aus seinen Gedanken radieren.

Diamanten-RauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt