Die Gäste sind ganz anders, als auf allen Partys, auf denen ich bisher war. Die Männer tragen alle einen Anzug oder Hemden, die Frauen sind in wunderschöne Kleider gehüllt. Es gibt einen großen Dancefloor auf der Dachterrasse und über mehrere Boxen wird der Sound über die ganze Feier übertragen. Sogar hier in der offenen Küche kann ich die Musik besser hören als in so manchem Club in dem ich bisher war. Ich lehne an der, ebenfalls aus Marmor bestehenden, Küchentheke und schiebe mir ein Häppchen in den Mund. Matteo habe ich bereits nach ein paar Minuten aus den Augen verloren. Er scheint alle in diesem Raum zu kennen und auch großen Wert darauf zu legen, sich mit jedem zu unterhalten. Ich brauche erst einen Moment, um mich an all die Menschen und die neue Umgebung zu gewöhnen. Zum Glück ist es hier nicht ansatzweise so laut und voll wie in einem normalen Club. Jeder ist zivilisiert, wenn auch eine Menge teurer Alkohol fliest. Die Flaschen an der Bar sind dekadent groß und dahinter befindet sich ein Kühlschrank, komplett aus Glas, der auch genau so in einem edlen Hotel stehen könnte.
Meine Augen scannen aus meiner Ecke heraus jeden Gast, der an mir vorbeiläuft. Ich kenne viele, die meisten jedoch nur aus dem Internet. Und mit einigen hatte ich sogar zusammengearbeitet. Hier gibt sich heute das Who-is-who der Musikszene die Klinke in die Hand. Ich frage mich unwillkürlich, ob auf solchen Partys auch Kollaborationen geschlossen werden. Traf Lea einen Capital Bra auf so einer Feier? Haben Vanessa May und Olexesh hier mit Champagner angestoßen? Hatte Shindy einer Shirin David hier ein Kompliment über ihr Kleid gemacht? Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Aber ebenso wenig hätte ich mir vorstellen können, jemals eines der aktuell bekanntesten Popsternchen beim Bier Pong spielen mit der Assistentin von Power Records zu sehen. Und doch passiert es gerade hier vor meinen Augen.
Ich bin so beschäftigt mit allem was sich mir hier bietet, dass ich zu spät merke, wie sich jemand neben mich stellt. Beißender Zigarettengeruch steigt mit in die Nase, während ich eine mir sehr bekannte Stimme höre: „Guten Abend." Ich drehe mich nach rechts und sehe das Gesicht, welches ich bisher nur aus Instagram und Rap-Reportagen kenne. „Guten Abend.", antworte ich freundlich und lasse mir nicht anmerken, dass ich diesem Mann schon mal meine Stimme geliehen habe. Das aufregende Kribbeln, welches mich als Diamant jedes Mal überkommt, wenn ich dank ihm jetzt meine Stimme im Radio oder im Club höre, überfällt mich dabei.
„Wie kommt es, dass ich eine so hübsche Frau nicht kenne? Ich kenne sonst alle auf dieser Veranstaltung." Ich weiß nicht ob Sharoons Spruch mich beeindrucken oder als arrogantes Kompliment gelten soll. Er wirkt bei mir jedenfalls nicht. Sharoon ist mir als Mensch hinter der Kamera noch nie sonderlich sympathisch gewesen. Das Gehabe, die hochnäsige Art bei Interviews. Ich habe seiner Visage einfach nie so ganz getraut, ich habe das Gefühl, dieser Mann verbirgt eine ganze Menge. Doch im Gegensatz dazu, bete ich seine Songs geradezu an. Eine nicht untypische Mischung im Rap-Business. Bei Matteo ist es genau umgekehrt. Ich könnte den ganzen Abend mit diesem Mann reden, ihm Zuhören und seine Sprechstimme genießen. Seine Musik hingegen ertrage ich nur wenn es eine berufliche Notwendigkeit darstellt.
Und Sharoons Stimme... sie so nahe an meinem Ohr zu hören versetzt mich direkt wieder in die Nacht in der ich seinen Song in Dauerschleife bearbeitet hatte. Ich vergöttere die Ruhe, die in seiner Stimme liegt und die Akzente, die er damit setzen kann. Beim Sprechen ist davon nicht mehr viel übrig. „Ich bin sozusagen Neuling in der Szene.", wage ich mich langsam vor. Matteo hatte Recht gehabt. Ich könnte hier Connections für meinen Job finden, die mir bisher fehlen. Früher hatte immer Cash mein Talent angepriesen, jetzt tut es Jonathan. Doch irgendwann musste ich meinen Weg auch allein gehen. Es war an der Zeit, dass ich selbst etwas mehr in diese Welt eintauche, wenn ich auch nie ganz dazu gehören werde.
„Arbeitet sie vor oder hinter den Kulissen?", fragt Sharoon direkt und ich beschließe die Rolle der Musikproduzentin anzugehen, die ich dank Jonathan mittlerweile bin. Zeit, aus meinem Schatten herauszutreten. „Ich arbeite eher hinter den Kulissen, ich bin Produzentin." Ein Selbstbewusstsein, welches ich bisher nur in einem sicheren Rahmen erlebt habe, ergreift Besitz von mir und ich reiche dem Rapper vor mir die Hand. „Ich bin Mel, ich bin bei Jonathan in der Firma tätig.", stelle ich mich etwas ungelenk vor. Doch Sharoon reicht mir seine Hand und nickt, scheinbar erfreut. „Bei Jonathan, ja. Dann muss ich mich da aber dringend mal melden.", antwortet er und lässt meine Hand noch immer nicht los. „Vielleicht wäre das eine gute Idee, ja.", pflichte ich ihm bei, wobei mein Herz vor Aufregung fast aus meiner Brust springt. Wenn hieraus eine Connection zu Jonathan wurde, könnte ich mir gehörig auf die eigene Schulter klopfen.
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Diamanten-Rausch
RomanceWas passiert, wenn ein introvertierter und sensibler Mensch in die harte und egoistische Musikbranche gerät, in der kaum Platz für jemanden scheint, der seine eigene Stärke scheinbar noch nicht gefunden hat? So geht es der jungen Studentin Mel, die...