Diamanten-Rausch

| 14 |

„Wow, das ist sogar für dich ziemlich protzig, hm?" Matteo steuert seinen Wagen vor eine Villa, die ich eher Malibu zugeordnet hätte als einem Vorort unserer Stadt. Die Glaswände nehmen die ganze Front ein und der moderne Baustil hat etwas sehr Extravagantes an sich. „Ich kaufe es ja nicht Mel, ich drehe da nur ein Video." Ich seufze über sein großes Ego, während ich die Türe öffne und auf die geräumte Einfahrt trete. Das hatte ich definitiv nicht unter einem „Ausflug" mit Matteo erwartet. Aber eigentlich passt es ganz gut zu ihm: Er nimmt mich mit zu seiner Arbeit. Und das schon in der ersten Woche des neuen Jahres, dieser Mann ist wirklich die Definition eines Workaholics.

„Würde auch nicht zu dir passen, es ist viel zu... glatt. Und was macht man mit so viel Platz?", plappere ich darauf los, denn ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so ein großes Haus betreten. Matteo grinst mich an und bedeutet mir, ihm zu folgen. Wir gehen die Stufen hoch, von der verschneiten Einfahrt auf die Haustüre zu. Die Sonne hatte heute endlich mal die trüben Wolken vertrieben und jetzt am Nachmittag glitzert der Schnee wunderschön.

„Oh Mel, du hast keine Ahnung, wie ich lebe. Du hast noch viel zu lernen über mich, jetzt wo wir befreundet sind.", neckt er mich und hält mir eine Eingangstüre auf, die so massiv aussieht, als wäre sie ursprünglich für ein Gefängnis gemacht worden. „Apropos: Fällt das eigentlich nicht auf, wenn du mich hier mitschleppst? Muss ich mich auf unangenehme Fragen vorbereiten?", frage ich ihn, während er mich durch einen kahlen weißen Flur weiter in das Haus führt. „Nein, ich habe immer eine ganze Menge meiner Freunde dabei, wenn ich irgendwo arbeite. Sie machen das Arbeiten viel angenehmer, weißt du? Ich kann den ganzen Tag Zeit mit meinen Leuten verbringen und nebenbei noch Geld verdienen. Das ist der Traum. Wenn doch jemand dumme Fragen stellt, gib eine ebenso dumme Antwort." Matteos Worte verunsichern mich, da ich nicht gut im Umgang mit neuen Menschen bin. Als introvertierter Mensch ist eine Veranstaltung wie diese hier mein absoluter Albtraum. Und doch juckt es mich einmal zu sehen, wie die Videos produziert werden, zu denen die Raptexte immer auf Youtube laufen.

Als ich hinter Matteo im Innenraum des Hauses ankomme, weiß ich gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll. Die große Fensterfront gewährt einen wundervollen Blick über die verschneite Skyline unserer Stadt und die ausladende Terrasse, mit abgedecktem Whirlpool. Mein Mund steht ein Stück offen, als ich den Blick weiter durch den luxuriös eingerichteten Innenraum der Villa gleiten lasse. „Sieh dich ruhig um, aber pass auf, dass dein hübsches Gesicht nicht doch noch vor eine Kamera rennt.", neckt Matteo mich und ich stoße ihn reflexartig in die Seite, so dass er feixend ausweicht. „Das hättest du wohl gerne.", ärgere ich ihn zurück. „Ja, das hätte ich gerne. Das habe ich dir schon damals bei unserem ersten Treffen im Tonstudio gesagt. Falls du es dir heute also anders überlegen möchtest und dich zu einem meiner frauenfeindlichen Texte halb nackt in dieser Küche oder einem Bett zu rekeln, dann will ich dir nur sagen, dass ich dich nicht aufhalten werde." Wie er bei solchen Worten eine so ruhige Miene bewahren kann, während sich mir der Magen bei den Worten Bett und räkeln umdreht, ist mir wirklich ein Rätsel.

„Das überlasse ich lieber dir.", gebe ich möglichst cool zurück und sehe ihm nach, wie er in die Richtung des angrenzenden Zimmers läuft. Mein Blick bleibt noch etwas an der verschneiten Stadt hängen und ich sehe mich in der Küche um, welche so groß ist, dass man darin Rollschuhlaufen könnte, ehe ich Matteo in die Richtung folge, in die er eben verschwunden ist. Ich lande in einem Schlafzimmer, wobei der Begriff für diesen Raum viel zu bescheiden gewählt ist.

Diese vier Wände sind viel zu exklusiv, um darin einfach nur seine Augen zu schließen. Die Decke ist mit gigantischen Spiegeln behangen, die alle auf das Bett in der Mitte ausgerichtet sind. Besagtes Möbelstück ist, wie alles in diesem Haus, schneeweiß und geradezu lächerlich groß. Auch dieser Raum geht auf die Skyline unserer Stadt hinaus, vor der jedoch ein ganzes Team an Kameraleuten hin und her wuselt. Aus einer Box in der Ecke läuft leise amerikanischer Hip-Hop der die ganze Kulisse hier auf merkwürdige Art und Weise passend untermalt.