- Matteo -
Wir verbringen den ganzen Tag im Studio. Es ist lächerlich, wie leicht sich das Arbeiten mit diesem Mädchen gestaltet. Ehe ich mich versehe, ist es fast 20 Uhr und die Gesangsparts für das Album macht größere Fortschritte, als ich mit Jonathan und einer anderen Sängerin jemals so schnell geschafft hätte. Mel äußert sich nie zu meinen Texten, sie sing geduldig die von uns geschriebenen Lines ein und wir ändern nur ein oder zwei Worte, wenn es vom Rhythmus her passt. Und die Musik, Gott, die hat diese Frau im Griff. Die Regler und Töne hören auf sie, als wäre sie ihre Dompteurin und sie holt aus den Beats viel mehr heraus, als ich jemals bei einem anderen Produzenten gehört habe. Dabei behält sie eine raue, beinahe ursprüngliche Art des Rap, was mir gut gefällt. Und dass sie singt wie eine Göttin, muss ich nicht erst erwähnen. Jedes Mal, wenn sie in diese Kabine geht, muss ich mich zügeln, um nicht mit ihr in diesen kleinen Raum zu gehen. Denn wenn ich ihr noch einmal so nahekomme, weiß ich, dass ich all das hier kaputt mache, so wie sonst auch. Und das darf ich dieses Mal nicht.
„Ich glaube, das war es für heute, oder? Ich brauche mal eine Pause.", gestehe ich Mel, die über die Arbeit wohl alles andere vergessen hat. Ich kann es ihr nicht verübeln, denn hier mit ihr fühlt es sich auch für mich an wie in einer geheimen Blase. Als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt oder als wäre dieses abgedunkelte Studio alles an Welt, was wir brauchen. Vorhin wurden wir nur kurz gestört, als ein Lieferdienst uns etwas zu Essen gebracht hatte. Doch Mel hatte davon, im Gegensatz zu mir, kaum etwas angerührt. Sie scheint vollkommen versunken zu sein in dieser Welt aus Reglern, Tönen und Texten. Deshalb sieht sie mich nun auch blinzelnd, beinahe etwas verschlafen an. „Wie viel Uhr haben wir denn?" Ich strecke mich zu ihr aus und lasse sie einen Blick auf mein schimmerndes Rolex-Ziffernblatt werfen. Ihr Mund formt ein O. Andere Frauen wären sicher von dieser Uhr beeindruckt gewesen, doch ich bin mir fast sicher, dass Mel diese nicht mal sonderlich auffällt. Sie ist über die Zeit nur ebenso erschrocken wie ich.
„Hm, da hat Einstein mal wieder recht.", murmelt sie und ich sehe sie fragend an. „Na, die Relativitätstheorie mit der Zeit. Manchmal kommt einem eine Stunde unendlich vor, wie zum Beispiel im Deutschunterricht zum. Doch wenn man eine Stunde an einem Song arbeitet, dann fühlt sich das nur an, wie eine Minute." Ich verkneife mir den Kommentar, dass das sicherlich auch an den Personen liegt, mit denen man diese Zeit verbringt. Mit einem langweiligen Produzenten und einer egozentrischen Sängerin eine Stunde in einem Studio zu arbeiten, kann sich ebenfalls ewig anfühlen. Doch mit Mel war es nur eine kurze Zeit. Viel zu kurz für meinen Geschmack. Doch auch wir müssen mal schlafen. Ein so langer Tag kann doch auch an ihr nicht spurlos vorbei gehen, oder?
„Du willst sicher schon längst Feierabend machen. Ich habe gar nicht an die Zeit gedacht, tut mir leid.", entschuldigt sie sich unnötigerweise. Mein Blick bleibt an ihr hängen, während sie beginnt all ihre Sachen zusammenzupacken und das Pult auszuschalten. Ich fixiere ihre Beine die heute in einer engen Jeans stecken und das Shirt, welches wie immer viel zu viel verdeckt. In der Öffentlichkeit kann Mel gerne so herumlaufen, doch mich würde brennend interessieren, was sie unter diesen schlabberigen Oberteilen immer versucht zu verbergen. Sicherlich ist da einiges, was es sich zu entdecken lohnt...
„Matteo? Wolltest du nicht gehen?" Mel hatte in der Zwischenzeit ihre Tasche geschultert und sieht mich auffordernd an. „Oder wolltest du nur... also ich wünsche dir einen schönen Abend." Ich verstehe nicht, was sie aus meinem Verhalten schon wieder schlussfolgert und auch nicht, warum nun ein Ausdruck der Enttäuschung in ihren Augen aufflackert. „Was wollte ich nur?", hacke ich nach, als sie plötzlich auf die Türe zu spaziert, als wäre sie auf der Flucht. „Nichts, ich dachte nur, dass du vielleicht noch etwas allein an den Tracks schrauben willst. Das kann ich gut verstehen." Innerlich stöhne ich. Diese Frau ist wirklich zu sensibel für diese Welt. „Nein Mel, will ich nicht. Ich war nur eben in Gedanken.", erklärte ich mich und packte meine Sachen zusammen, von denen es nicht viel gab. Schließlich hatte ich den ganzen morgigen Tag auch noch gemietet und auch vor diesen zu nutzen.
DU LIEST GERADE
Diamanten-Rausch
RomantikWas passiert, wenn ein introvertierter und sensibler Mensch in die harte und egoistische Musikbranche gerät, in der kaum Platz für jemanden scheint, der seine eigene Stärke scheinbar noch nicht gefunden hat? So geht es der jungen Studentin Mel, die...