Diamanten-Rausch

| 7 |

Es braucht ein ganzes Wochenende Netflix und chinesisches Essen, um die Party wieder aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Sie war nicht die schlimmste meines Lebens, aber ich fühle mich nach solchen Veranstaltungen immer etwas ausgelaugt. Die grauenhaft abgemischte Musik die aus Charts und Deutsch Rap Hits bestand, die schlechte Luft und die vielen angetrunkenen Menschen. Ich habe mich gut gehalten, sogar Small Talk mit einigen Leuten gemacht und zu ein paar Songs mit Kayla getanzt. Doch als um kurz nach vier ein Song mit meiner eigenen Hook lief und die Menschen um mich herum meinen Text mitsangen, hatte ich das Gefühl dass es für mich nun an der Zeit war zu verschwinden. Mein Ausflug in die Realität war lange genug gewesen.

Um mich nun also voll und ganz in meiner Höhle einzuigeln hatte ich alle Geschütze aufgefahren: mit meinen Kopfhörern hatte ich mich in mein Bett verkrochen, den Laptop auf den Knien und mein Handy für Voicememos parat. Ein Song nach dem anderen fließt aus meinen Fingern auf den Bildschirm, während ich noch einige Songs für Künstler abmische. Darunter ist der Beat einer Schlagersängerin, die ab jetzt ihr Image aufbessern will und auch einige Deutsch Rap Tracks, an denen ich herumbastle. Ich versuche mir dabei den Track eines gewissen Rappers aus dem Kopf zu schlagen. Matteos Song war eingängig, wie ein Loop im Kopf. Und meine Stimme hatte sich darauf geschmiegt, wie warme Butter aufs Brot. Es war fast schon ein Spaziergang gewesen. Ich hatte den Song von seinem USB-Stick auf mein Programm gespielt, eine Tonspur von mir darüber gelegt, die mir passend erschien und alles glatt abgemischt. Dann habe ich die Datei wieder zurück auf seinen USB-Stick geschoben und entschlossen, das Schicksal entscheiden zu lassen. Es hätte sein können, dass er ihn löscht und nicht einmal rein hört. Doch das hat er nicht. Er hat ihn sich ganz angehört und über sein Label ein großes Ding daraus gemacht. Angeber.

Meine Aufmerksamkeit gleitet zu meinem Handy, auf dass ich gerade ein paar neue Hooks gespielt habe, darunter eine die gut zu Matteos Thema gepasst hätte. Doch sie ist zu gut, in ihr steckt viel Geschichte und Gefühl und sie ist zu kostbar, für das was er mit seiner Musik verkörpert. Meine Gedanken schweifen zu weit ab, als dass ich mich noch auf die Arbeit konzentrieren könnte. Ich beschließe es für heute gut sein zu lassen und klicke stattdessen auf das Icon mit dem großen N in der Mitte. Schnell habe ich meine Lieblingsserie gefunden. Schon beim Intro bin ich vollkommen in der Welt von Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes versunken. Und während Morde geklärt und Frauen vergrault werden, schiebe ich mir noch die Reste vom chinesischen Essen von gestern in den Mund. Gibt es etwas Schöneres, als sich nach getaner Arbeit so in sein Bett zu lümmeln? Ich glaube nicht.

Als mein Handy klingelt und Kaylas Bild anzeigt, freue mich dennoch. Sie ist der einzige Mensch von dem ich mich in meiner Bubble immer gerne stören lasse. Ich drücke auf meinem Laptop auf Pause und gehe, mit halbvollem Mund, ran:

„Hey Watson!", begrüße ich meine beste Freundin, während auf dem Bildschirm gerade eine Leiche obduziert wird. Meine Gedanken sind noch halb bei dem abgesprungenen Nagellack der Toten, als Kaylas aufgebrachte Stimme meine Alarmglocken schrillen lässt. „Sag bloß, du wärst von uns beiden Sherlock Holmes? Denn der würde seinen besten Freund nicht so demütigen." Ich schlucke meine Nudeln herunter und denke scharf nach, ob ich in letzter Zeit irgendwas Verwerfliches getan hatte. Da ich nicht mit Rappern schlafe, die Kayla vergöttert und auch keines ihrer Lieblingsoberteile geklaut haben kann, frage ich verwirrt nach: „Sherlock ist der gefühlskältere der beiden, also würde das in diesem Fall passen. Aber dieser Meisterdetektiv hier braucht mehr Informationen, um den Fall zu lösen.", bleibe ich im Thema. Doch als ich Kaylas weinerlichen Ton höre, merke ich, wie ernst es ihr wirklich ist. „Die Tickets sind nicht ohne dich einlösbar. Der Zugang wird nur gewährt, wenn du dabei bist. Ich komme also gar nicht rein. Die wollen einen Ausweis sehen." Kaylas Stimme bricht und ich brauche ein paar Sekunden, um mich aus meiner Detektiv-Welt frei zu kämpfen und dann die neuen Informationen zu einem ganzen Bild zusammenzufügen.