Kapitel 15

1.6K 64 7
                                    

Meine Füße hallen meiner Meinung nach viel zu laut auf dem schwarzen Asphalt, als ich versuche, Flucht zu ergreifen. Bei weiterem Nachdenken kommt es mir ungemein dumm vor, abzuhauen, wenn sie doch meine Daten schon hatten. Aber jetzt umdrehen, zurücklaufen und die lästige Frage beantworten, warum man abgehauen ist?

Zum Glück wird mir die Entscheidung von einem Auto abgenommen, das mit quietschenden Reifen vor mir stehen bleibt. Geschockt halte ich an und starre in die Augen des Autofahrers, er starrt zurück, während die Person auf dem Beifahrersitz bereits ausgestiegen ist und auf mich zukommt.

„Ist dir was passiert?", werde ich gefragt, doch so richtig antworten kann ich noch nicht.

„Ich weiß nicht", nuschle ich und löse meine Augen vom Fahrer, der mittlerweile auch ausgestiegen ist.

„Geht es dir gut?", fragt mich nun auch der Fahrer.

„Hey Robin, lass sie mit hereinnehmen, die steht ja ganz unter Schock"

Der Beifahrer, Robin, kommt auf mich zu, sodass ich zurückweiche. „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, ja?" Trotzdem gehe ich langsam, Schritt für Schritt, nach hinten und lasse die beiden Polizisten nicht aus den Augen. Etwas in mir regt sich gerade darüber auf, wie blöd man sein kann, um der Polizei vors Auto zu laufen.

Jemand packt mich von hinten, doch es sind weder Robin noch der Fahrer. Es ist jemand Großes, so viel steht fest. Ich kann mich nicht umdrehen, doch ich vermutete, wer es sein könnte, als die Person anfängt zu sprechen.

„Gut, dass ihr sie gefunden habt. Ich hatte schon befürchtet, dass wir sie gar nicht mehr finden könnten." Es ist Cem, mit dem ich mich drinnen unterhalten hatte. Wer denn auch sonst. Wieso konnte nicht ein x-beliebiger Polizist mich suchen gehen? Jetzt muss ich mir wahrscheinlich etwas anhören von wegen, warum ich denn weglaufe und dass das doch alles keine Lösung ist.

„Cem, wir haben sie nicht gefunden, sie hat uns gefunden. Sie wäre uns fast vors Auto gelaufen, Ben konnte gerade noch rechtzeitig bremsen.", sagt Robin leicht lachend zu der Person, die mich festhält, Cem.

„Nele, warum bist du denn weggelaufen?", erkundigt er sich bei mir, als er mich bestimmt wieder zur Wache führt.

Wann hatte ich ihm meinen Namen verraten?, fragte ich mich im Stillen doch antwortete auf die Frage, „Keine Ahnung"

„Nächstes mal den Kollegen am besten nicht vors Auto laufen", tadelt mich Cem schmunzelnd, doch wird gleich darauf wieder ernst.

„Die ganze Sache ist etwas komisch, weißt du?", jetzt waren wir bei den Treppen angekommen, die ich mühsam hochsteige, „Erst fragst du mich, wie viel man für den Missbrauch von Betäubungsmitteln bekommt und dann läufst du weg, obwohl du nichts getan hast. Da stimmt doch etwas nicht, meinst du nicht auch?"

Mit einer Kopfbewegung, die man als ja, aber auch als nein interpretieren kann, sage ich „Möglich."

Warum kann ich nicht einfach die Wahrheit sagen, was passiert? Weil ich dann meine Eltern verraten würde. Sie machen sich all die Mühe mit mir, wollen, dass ich gut in der Schule bin und dann würde ich alles mit Füßen treten.

Leider kann man die Welt nicht in gut und böse unterteilen, denn im Moment sind meine Eltern in einer Art Grauzone.

„Falls du Angst hast, dass irgendetwas Schlimmes passiert, dann ist diese Angst unbegründet, denn wir von der Polizei sind dafür da, dir zu helfen und dich zu schützen", meint Cem, als er mich wieder auf dem Stuhl platziert hat und hinter dem Schreibtisch verschwand.

„Ich bin keine fünf mehr, Sie können also vernünftig mit mir reden!", antworte ich trotzig.

„Dann benimm dich bitte auch so, als ob du älter wärst und lauf nicht weg! Außerdem würde ich jetzt gerne wissen, was bei dir los ist, damit wir dir helfen können", entgegnet er und sieht mich fest an.

„Bei mir ist gar nichts los, was Sie interessieren sollte", gebe ich mürrisch zurück und verschränke die Arme vor der Brust. Er muss echt denken, dass ich eine hochnäsige Zicke bin...

Jemand öffnet die Glastür und kommt herein „Nele! Wir haben uns schon solche Sorgen gemacht!" Ich spüre, wie man mich von hinten in den Arm nimmt und lächle gezwungen, als ich dem Blick von dem Polizisten begegne.

Ich drehe meinen Oberkörper um neunzig Grad und sehe, wie meine Eltern, Mutter wie Vater, im Raum stehen, offenbar geschockt.

„Was ist denn eigentlich passiert? Man hat uns gesagt, dass du in einen Diebstahl verwickelt worden bist! Stimmt das, Nele?", meine Mutter war aufgebracht. Vielleicht tut sie auch nur so, wer wusste das schon so genau...

„Frau Liebig, Sie können sich beruhigen, es ist nichts passiert, Nele hat nur gesehen, wie eine Person einen Diebstahl begangen hat, sie selbst ist vollkommen unschuldig", sagte Cem zu meiner Mutter. Diese atmete erleichtert auf.

„Da wäre aber noch eine andere Sache", fährt er fort, während ich versuche, ihm klar zu machen, dass das eine schlechte Idee ist, die er vor hat, doch er redet unbeirrt weiter, „Ihre Tochter hat davon angedeutet, dass bei Ihnen Zuhause etwas nicht so ganz in Ordnung ist. Können Sie mir dazu etwas mehr sagen, weil Ihre Tochter ist da etwas schweigsam?"

„Was soll denn los sein, Schatz?", fragt meine Mutter mich ein wenig überrascht. Ich sehe ihr von der Nasenspitze ab, dass es hinterher Zuhause nicht gut enden wird.

„Also, wenn etwas falsch laufen sollte", mischt sich nun auch mein Vater ein, der bis dato geschwiegen hat, „Dann wüssten wir darüber sehr genau Bescheid, glaube ich"

„Ich möchte Ihnen da keine falsche Unterstellungen machen", verteidigt sich Moritz mit leicht erhobenen Händen, „Aber bei Kindern ist das immer so eine Sache. Meist wollen oder können sie die Dinge nicht so sagen, wie es ist, weil sie vielleicht Angst haben oder ähnliches."

„Ja, und?", fragte meine Mutter etwas irritiert und sah ihn mit einem etwas ungläubigen Blick an, „Wollen Sie damit etwa sagen, dass unsere eigene Tochter sich vor uns fürchtet?"

„Nein, auf gar keinen Fall! Es war nur eine Überlegung..."

Er mustert meine Eltern scharf. Ich glaube, dass er ahnt, dass etwas nicht stimmt. Zumindest hoffe ich das, denn von alleine sagen, dass ich mich nicht wohl fühle, traue ich mich nicht. Er hat recht. Ich habe tatsächlich Angst.  

Sorgen (ASDS/Auf Streife - Die Spezialisten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt