Kapitel 27

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Mittlerweile ist es Nacht und ich fühle mich einfach nur noch unwohl hier. Papa hat Mama und mich übers Rollfeld geführt und dann in ein anderes Gebäude, das direkt an das Rollfeld angrenzt. Immer noch starten und landen Flugzeuge alle paar Minuten, sodass ich keinen Schlaf finde, obwohl ich übermüdet und ausgelaugt bin.

Ich habe keine Ahnung, was meine Eltern vorhaben, was das hier alles ist oder irgendetwas anderes, was mir helfen könnte, hier heraus zu kommen. Alles, was ich weiß, ist, dass ich in Pilsen in Tschechien bin, jedoch bezweifele ich, dass mir das irgendetwas helfen wird, weil ich keine Ahnung habe, wie weit Pilsen von der deutschen Grenze entfernt ist, geschweige denn den Weg dahin.

Auf dem Weg in dieses Haus habe ich viele junge Frauen gesehen. Sie sahen asiatisch und russisch aus, jedoch bin ich mir nicht ganz sicher, woher sie kommen. Ich glaube aber, dass hier ein großes Geschäft mit Menschenhandel betrieben wird und dass diese Frauen, die meiner Meinung nach alle sehr gut aussehen, hier oder in andere Länder gebracht werden, um als illegale Arbeiterinnen oder illegale Prostituierte zu arbeiten.

Ich ziehe die Knie noch näher an meine Brust, sodass sie jetzt mein Kinn berühren und kugele mich ein. Wie kann es sein, dass ich, obwohl ich nicht getan habe, hier lande. Ich habe immer noch Angst davor, dass Mama und Papa sich irgendwann gegen mich entscheiden und ich dann auch als Arbeiterin ein Dasein zu leben habe.

Die hohen Flutlichtscheinwerfer lassen die eine Zimmerseite grell strahlen, doch ich mache nicht den Rollladen herunter, zu groß ist die Angst, dass ich irgendwie überrumpelt werden könne. Die Matratze, die sie mir gegeben haben, ist an sich nicht besonders weich, daher habe ich mir diverse Kissen und Decken genommen, um es ein wenig bequemer zu machen.

Obwohl ich immer wieder meine Augen aufreiße, um nicht einzuschlafen, falle ich irgendwann zur Seite und falle in einen unruhigen, tiefen und traumlosen Schlaf, der mich vergessen lässt, wo ich eigentlich bin.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, fällt nicht mehr künstliches Licht durch die Fenster, sondern Sonnenstrahlen, die die Luft um sich herum wirbeln lassen und den vorher so kalten Betonboden schon aufgewärmt haben. Ich richte mich mühsam auf und blicke umher. Alles noch so, wie letzte Nacht, mit der Ausnahme, dass mir jemand ein Bündel neuer Kleidung auf den wackeligen Holztisch gelegt hat.

Ich beäuge es misstrauisch von meinem Platz auf dem Boden aus und stehe dann vor Neugier auf. Es sind ein rosa farbener Bademantel und ein paar Badeschuhe, deren Sinn ich erst bei meinen nackten Füßen bemerke.

Hin und her gerissen, ob ich raus gehen soll oder nicht, beschließe ich erst einmal auf Nummer sicher zu gehen und drin zu bleiben. Trotzig denke ich, Wenn meine Eltern etwas von mir möchten, dann sollen sie gefälligst auch selbst kommen, anstatt das ich hier durch das Gebäude laufe, hinter Türen schaue, hinter die ich nicht schauen soll und ein komplettes Chaos anrichte, für das am Ende ich auch noch bestraft werde.

Ich drehe mich um und drehe die Matratze so, dass ich aus dem Fenster die startenden und landenden Flugzeuge beobachten kann. Jede Maschine die landet oder startet sieht so aus, wie unsere; alt und kaputt. Um ehrlich zu sein, ist es mir ein Rätsel, wie auch nur irgendeines von diesen Flugzeugen startet, in der Luft bleibt und dann auch noch diese halsbrecherischen Landungen der Piloten, die versuchen nicht in die Berge oder ein anderes Gebäude zu fliegen, überleben. Ich hoffe inständig, dass ich nicht mehr in einem von diesen Dingern reisen muss, denn ich bin mir sicher, dass ich das nicht überstehen werde.

„Nele."

Erschrocken drehe ich mich hektisch um und sehe meinen Vater an der Tür stehen. Locker lehnt er am Türrahmen und fast glaube ich, den Mann von früher in ihm zu sehen.

„Warum bin ich hier? Was soll das alles? Was machen die Frauen hier? Wer sind die? Was-", frage ich so schnell ich kann, doch er unterbricht mich.

„Ich weiß, diese Fragen brennen dir auf der Seele, doch im Moment", er schaut kurz auf seine Uhr, „Habe ich keine Zeit dir alle zu beantworten, da ich auch schon wieder los muss, aber ich habe hier jemanden, der dich etwas herumführen und dir alles zeigen wird." Hinter ihm tritt eine kleine Chinesin hervor, etwa so groß wie ich, doch wesentlich dünner. Ich habe das Gefühl, dass ich, wenn ich es doll genug versuche, durch sie hindurchschauen kann, so mager ist ihr Körper.

„Nur eine Frage, bitte Papa", wende ich mich wieder an meinen Vater, dessen gute Laune von eben nun wie weggewischt ist, „Na gut"

„Wie lange bleibe ich hier?"

„Das ist eine sehr gute Frage und ich kann sie dir auch sofort beantworten: für immer, weil wir nicht vorhaben, hier wegzugehen und wir werden es dir garantiert nicht erlauben, dass du weg kannst, nach allem...was passiert ist und was du gesehen hast", am Ende wurde seine Stimmer ernst und ich hatte wieder Angst vor ihm.

Er wendet sich ab und geht. In meinem Kopf geht es rund. Meint er mit für immer wirklich für immer. Also so für immer?

Ich weiß nicht, was ich denken soll. Plötzlich muss ich anfangen zu lachen. Die ganze Situation ist so absurd, dass ich nicht anders kann, als zu lachen. Irgendwann kugele ich mich auf dem Boden und habe schon Schmerzen in den Seiten, bekomme keine Luft mehr und bin den Tränen nahe, doch ich kann nicht wirklich aufhören. Es ist so ernst und normalerweise würde ich auch nie lachen, aber ich glaube, dass ich so kaputt bin, dass ich es nicht mehr ernst nehmen kann.

Als ich mich beruhigt habe, bemerke ich erstmals wieder das andere Mädchen in meinem Alter, dass immer noch ein wenig schüchtern an der Tür steht und wahrscheinlich nicht so richtig weiß, was sie von mir halten und machen soll.

„Wie heißt du?", frage ich sie auf Englisch, doch sie schaut mich nur verständnislos an. Ihr Englisch ist anscheinend nicht sehr gut.

„Warum bist du hier?", frage ich. Diesmal hat sie die Frage verstanden und ihre Antwort schockt mich „Mein Familie mich verkaufen und ich kuscheln muss mit alte Mann sonst ich tot."

Ich bin nicht ganz zufrieden mit diesem Kapitel, veröffentliche es trotzdem, weil ich nicht weiß, wie ich es anders formulieren soll :)

Ich hoffe, ihr habt noch eine schöne Woche!

- mister nobody

Sorgen (ASDS/Auf Streife - Die Spezialisten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt