Kapitel 33

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Ich halte meine Augen die gesamte Zeit fest verschlossen. Auch, als er sagt, dass ich mir etwas Besonderes anschauen soll, höre ich nicht auf, sie zusammenzukneifen, woraufhin ich einen Schlag ins Gesicht kassiere. Doch zu groß ist die Angst, ihn zu sehen, aber die Angst vor mir ist noch viel größer.

Ich möchte mich nicht sehen. Will nicht meinen geschundenen Körper erblicken, mit dem blauen Flecken, der Schürfwunden, dem getrockneten Blut und schon gar nicht will ich die Abdrücke seiner Hände auf meinem Becker erkennen, als er mich vergewaltigt hat.

Diesmal tut es auf eine andere Art und Weise weh. Beim ersten Mal hat mein Täter mich mehr geschlagen und war brutaler. Dieser Täter ist im Vergleich schon fast sanft. Ich hasse mich dafür, so ein positives Attribut verwendet zu haben. Mir kommt das Kotzen. Was hier weh tut, ist die schlichte Tatsache, dass ich es die ganze Zeit mitbekomme. Ich bekomme jeden Stoß, jeden Schlag auf mich und jedes Stöhnen mit.

Ich versuche, diesem zu entschwinden, doch er beherrscht alle meine Sinne und lässt mich nicht an den Ort der Bewusstlosigkeit treiben, an dem wenigstens nicht alles mitbekommen würde.

Meine Lider schmerzen davon, dass sie zusammen gekniffen werden, ich rieche seinen ekelhaften Atem, kann den Tabak und Alkohol auf meiner Zunge förmlich schmecken und kann keinem seiner lustvollen Stöhner entrinnen. Es ist ein Kampf, den ich gegen mich selbst führe. Wie viel kann dieser Körper, kann ich noch aushalten, bis ich endgültig kaputt bin und nur noch vor mich hin stieren kann?

Er hohes Piepen fährt durch meinen Kopf und hält an, bis es zu Ende ist, als der Rand der Bewusstlosigkeit nahe ist und ich keinen Muskel mehr anspannen kann. In genau diesem Moment hört er auf, zieht sich aus mir heraus und schiebt mir einen Schein hinters Ohr. Er bedenkt mich noch mit einem holen Lachen und geht. Lässt mich alleine hier zurück, mit mir selbst und meinen Gedanken. Es tut alles so verdammt weh.

Mühsam rolle ich mich auf den Bauch und stütze mich auf die Ellenbogen und ziehe mich ins hintere Ecke der Kabine, zwischen Toilettenschüssel und kühler Fliesenwand.

Ich beuge mich über die Klobrille und kotze mir meine Seele aus dem Leib. Ich kann meinen Würgereflex nicht mehr zurückhalten und würge haltlos, bis nur noch Magensäure hoch kommt, die in meinem Rachen brennt, doch auch dann muss ich mich noch weiter übergeben. Es ist wie ein Teufelskreis. Wenn ich nicht kotze, dann kann ich nur an seine dreckigen Hände auf meinem Körper denken, wovon ich noch mehr kotzen muss.

Ich lecke mir über die ausgetrockneten und rissigen Lippen, schmecke Blut. Ich lecke es weg und hoffe, dass es aufhört.

Irgendwie schaffe ich es in einer Position auszuharren, in der ich mich nicht mit dem Rücken gegen etwas lehnen muss. Meinen Kopf lasse ich mit der unverletzten Seite gegen die Fliesen fallen. Wieso müssen hier überall nur Fliesen sein? Fliesen sind doch rein und sauber, während dieser Raum so unglaublich schmutzig ist, dass ich froh sein kann, wenn ich mir bis jetzt noch keine Infektion geholt habe.

Ich schlucke meine Tränen hinunter, aber sie kommen wieder hoch und ich kann sie nicht mehr aufhalten, wie ich es eben die Zeit über gemacht habe. Sie rollen wie dicke deplatzierte Regentropfen über meine Wangen und lassen heiße Rillen auf meiner Haut zurück, die brennen und mir langsam die Luft zum Atmen nehmen.

Laut schluchze ich auf. Mein Klagelaut hallt hohl durch das Badezimmer und wird mir hundertfach als Echo zurückgerufen.

Irgendwann höre ich auf, taub zu sein und das Gefühl kommt zurück in mich. Es fängt bei den Fingerspitzen an, wo es langsam als Kribbeln hochgeht und sich dann als Prickeln über meine Arme und meinen Oberkörper ausbreitet. Damit kommen aber auch die Schmerzen wieder. Nicht langsam, wie meine Sensibilität, sondern wie einer weiterer harter Schlag ins Gesicht, fühle ich plötzlich die Last der letzten Stunden auf mir ruhen. Waren es wirklich Stunden? Oder doch nur Minuten, die ich nicht richtig eingeordnet habe.

Zitternd zwinge ich mich aufzustehen, den Puls wieder in Bewegung zu bringen und mir wieder etwas Leben einzuflößen. Ich torkele mehr als das ich gehe zum Waschbecken, an dem ich mit dem Kopf aufgeknallt bin. Wie automatisch befühle ich die Hinterseite meines Kopfes und kann Haare, die mit Blut zusammen eine feste Kruste gebildet haben, fühlen.

Langsam ziehe ich sie weg und beobachte mich selbst dabei, wie ich meine Wange betaste. Wie ich schon vermutet hatte, ist sie angeschwollen und dunkel lila verfärbt. Ich habe dunkle Augenringe, die mindestens genauso tief sind, wie ich mich fühle. Blut ist an der Seite von meinem Kopf heruntergelaufen und klebt jetzt an meiner Brust, meinem Hals und meinem Bauch.

Ich schließe kurz die Augen und schlucke hart, bevor ich mich traue, bei Blick weiter nach unten zu werfen. Irgendwann müsste ich es sowieso tun und jetzt bin ich auch noch alleine, kann mir also die Zeit nehmen, die ich brauche.

Ich reiße meine Augen wieder auf und erstarre. Es sieht schlimmer aus, als gedacht. Ich habe blutverschmierte Handabdrücke im unteren Bauchbereich, die sich tiefer, immer tiefer ziehen und meinen Scham bedecken.

Wieder wird mir schlecht, doch ich muss mich dieses Mal nicht übergeben. Ich drehe mich zur Seite und werfe einen Blick über die Schulter auf meinen Rücken im Spiegel. Wie eine Farbexplosion aus lila, blau und rot habe ich Hämatome an der Wirbelsäure und drum herum. Ich bin einfach nur abgefuckt.

Auf einmal höre ich lautes Trampeln an der Decke über mir, dann laute Schreie und Stimmen. Ich kann nicht genau erkennen, wer schreit, aber es sind mehrere Personen und es wird immer lauter. Dann, ein lauter Knall auf den Untergrund über mir und ich zucke hart zusammen. Wer auch immer da ist, macht keinen Hehl daraus, dass man ihn nicht hören soll. Noch mehr Schreie und Stimmen.

Plötzlich vernehme ich laute Schritte vor der Tür. Es sind nicht irgendwelche Schritte, sondern sie stammen vor einer, nein, mehreren Personen, die anscheinend wissen, was sie tun. Sie sind zielstrebig und genau. Es sind schwere Schritte, wie von großen Uniformsschuhen. Es sind Polizeischritte.

Und zu meiner großen Erleichterung höre ich auch schon.

„Aufmachen, Polizei!"

Sorgen (ASDS/Auf Streife - Die Spezialisten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt