Ich stehe nackt vor einem Spiegel. Um mich herum herrscht reges Gemenge und ich komme mir so schutzlos vor, wie noch nie.
Vor fünf Minuten hat man mir ein knappes Kleid in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich in einer Viertelstunde bereit sein soll. Bereit für was?
Während sich die anderen Frauen um mich herum umziehen und fertig für etwas machen, von dem ich noch nicht einmal weiß, was es ist, stehe ich hier vor dem Spiegel und betrachte meinen mageren, geschundenen Körper, der von Schürfwunden übersäht ist.
Meine Haare sind nicht mehr so voluminös, wie sie mal früher waren und auch ihr Glanz ist verschwunden. Ich erinnere mich selbst ein wenig an ein auf der Straße stehendes Reh, das von Autoscheinwerfern erleuchtet wird. Große, angsterfüllte Augen starren mich an und frage mich vorwurfsvoll, wie ich es zulassen konnte, jetzt hier zu sein.
„Alles in Ordnung bei dir?", fragt mich jemand von der Seite. Es ist eine junge Frau, ich schätze sie auf Mitte Zwanzig. Sie ist stark tätowiert und und trägt bereits ein knappes Outfit, das dem meinen ähnlich ist.
„Ich – was passiert hier?", antworte ich mit brüchiger Stimme.
Sie legt ihren Kopf leicht schief, sodass ihr langes blondes Haar auf eine Seite fällt und mustert mich eingehend.
„Sag mal, wie als bist du?", erkundigt sie sich.
„Fünfzehn", murmele ich leise, in der Hoffnung, dass sie mich nicht hört, doch das tut sie.
„Fuck, okay. Und wo sind deine Eltern?", fragt sie weiter, während sich ihre Stirn immer weiter in Falten legt.
„Nicht da", sage ich und bete, dass es ihr reicht. Ich hab ja selbst keine Ahnung, wo sie sind.
„Gut", meint sie und zieht mich zu sich in eine Ecke des Raumes, sodass wir nicht von den anderen gehört werden, „Ich habe keine Ahnung, was du hier zu suchen hast oder wie du hier hergekommen bist, aber ehrlich gesagt, will ich es auch nicht wissen. Was mich aber sehr wohl kümmert ist, dass du viel zu jung bist, um hier zu sein."
Immer noch schaue ich sie verwirrt an.
„Verdammt", flucht sie, „Verstehst du denn gar nichts? Das hier ist nichts Nettes oder etwas, auf das man stolz sein kann. Das hier ist ein verficktes Bordell und ein Illegales noch dazu, ja? Hier bezahlen Männer dafür, dass du dich für sie ausziehst und für sie tanzt und mit ihnen Sex hast, begreifst du das?!"
Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter und sofort stellen sich alle Härchen an meinem Körper auf und ich beginne zu zittern.
„Ich will das nicht", stottere ich und schüttele leicht den Kopf.
„Ich will das auch nicht, ja? Das neue Frischfleisch hier ist immer jung, aber so jung habe ich auch noch nichts erlebt. Du musst hier raus, augenblicklich, sonst wird man dir sehr weh tun."
Ich zittere noch heftiger und merke, wie mir das Blut in den Kopf rauscht.
„Ich hab echt nicht den Nerv dazu, ein Kind hinter mir herzuschleifen oder Mutter für dich zu spielen, aber ich weiß, dass da einige Pädophile Menschen zuschauen und ich bin mir sicher, dass du nicht in deren Hände geraten willst, also mache ich dir einen Vorschlag; du versteckst dich hier bis ich fertig bin und dann bringe ich dich hier irgendwie raus, du musst nur hier bleiben."
Ich nicke heftig und wische mir die Wangen trocken.
„Gut, dann versteck dich hier irgendwie und bleib einfach da".
Bevor sie sich umdrehen kann, frage ich sie noch etwas. „Wie heißt du?"
Ihre Miene wirkt etwas verbittert, doch dann sagt sie, „Man sagt sich hier nicht den echten Namen, aber mein Stagename ist Tracy"
Es klopft lautstark gegen die Tür und ein Mann schreit. „Beeilung meine Damen, ich will, dass sie jetzt alle raus kommen! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit und das Publikum wird langsam ungeduldig."
„Mach einfach, was ich dir gesagt hab", ruft Tracy mir noch zu, bevor sie mit den anderen heraus geht. Ich werde nicht beachtet. Wahrscheinlich, weil ich einfach zu uninteressant bin, als dass man mir Aufmerksamkeit schenken könnte.
Ich stelle mich hinter eine Kleiderstange, auf der jetzt die Klamotten von davor hingen und erstarre zur Salzsäule, als jemand in den Raum kommt. Es ist vermutlich der Mann, der eben geschrien hatte.
Er blickt sich im Raum um, als würde er etwas suchen. Kurz trifft sein Blick meinen und ich wage es nicht, auch nur einen Atemzug zu machen, um mich nicht zu bewegen.
Aus dem Augenwinkel sehe ich ein Nokia Klapphandy in einer der Hosentaschen vor mir. Wenn ich es doch nur in die Finger bekäme, dann könnte ich von hier aus die Polizei anrufen und-
„Was denkst du eigentlich, wer du bist?", brüllt der Mann und kommt auf mich zu. Scheiße, er hat mich doch entdeckt. Seine Miene ist wütend und verheißt nichts Gutes.
In Bruchteilen von Sekunden schnappe ich mir das Handy, lasse es hinter meinem Rückenverschwinden und ramme mir zeitgleich den Nagel von meinem kleinen Finger in die Nase. Augenblicklich beginnt es zu bluten und ein scharfer, hoher Schmerz fährt durch mein zartes Fleisch in der Nase. Verdammt, warum muss das nur so wehtun?
„Meine Nase hat angefangen zu bluten und ich habe nach etwas geschaut zum Wegwischen", sage ich schuldbewusst und presse das Handy fest an meinen rechten Oberschenkel, sodass er es nicht sehen kann.
„Du sollst verdammt nochmal auf der Bühne sein!", erwidert er wütend, ohne auf mich einzugehen.
Er packt mich am Oberarm und zerrt mich hervor, aus dem Raum heraus, in einen kalten Flur.
„Aber ich würde doch alles vollbluten", sage ich und schnaube einmal, sodass ein Sprühregen von Blut auf meinen Oberkörper und den Boden vor mir tropft.
Er mustert mich einen Moment lang und scheint mit sich zu hadern, bis er zu einem Schluss kommt. „Dann geh schnell auf die Toilette und mach, dass es aufhört, aber sei in fünf Minuten wieder da, sonst gibt es wirklich Ärger!"
Er führt mich ein wenig den Flur lang und öffnet eine Tür zu einem schmutzigen Badezimmer.
„Ich warte hier, dass du nicht wegläufst", sagt er und lässt meinen Oberarm los, sodass ich reingehen kann.
Ich schließe die Tür hinter mir und husche in die letzte Kabine, deren Tür ich abschließe.
Mit zitternden Händen umfasse ich das Handy und schalte es ein. Wieso braucht es so lange zum Hochfahren?
Endlich, auch wenn der Empfang nicht perfekt ist, habe ich dennoch zwei Balken Netz.
Fiebrig und nervös tippe ich erst zwei Mal die Eins und dann einmal die Null ein, drücke auf die grüne Taste und halte mir den Hörer ans Ohr. Nach nicht einmal zwei mal tuten, hebt jemand ab.
„Notruf Polizeidienststelle Köln-Mülheim, was kann ich für Sie tun?"
Und alles fügt sich langsam zusammen xD
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Sorgen (ASDS/Auf Streife - Die Spezialisten)
FanfictionNele ist 15 Jahre alt und ihre Eltern sorgen sich (zu) viel um sie. Sie steht ständig unter Beobachtung von ihnen und wird abhängig gemacht von ihnen... Durch einen Zufall lernt sie die Spezialisten kennen, die ihr Leben verändern werden... {medium...