Kapitel 19

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Irgendwann liege ich nur noch da und rege mich nicht mehr. Mit geschlossenen Augen konzentriere ich mich auf meine Atmung und versuche, nicht an die Schmerzen zu denken, in der Hoffnung, dass es besser wird.

Ich spüre, wie ein Schweißtropfen meinen Kopf langsam herunterläuft und tropft. Ich habe Panik, doch ich kann mich in keinster Weise dazu aufrappeln, abzuhauen und Hilfe zu holen. Zudem habe ich keine Ahnung, wohin ich auch gehen soll, wenn ich irgendwann hier mal rauskomme. Vermutlich erst einmal ins Krankenhaus oder zur Polizei.

Wenn ich aber zur Polizei gehe, wird da Cem sitzen und mich mit seinen braunen Augen so anschauen, dass ich mir Vorwürfe machen werde, dass ich nicht früher etwas gesagt habe.

Verdammt, alles und nichts scheint eine Lösung zu sein...

Ich höre ein Klicken in der Tür und nehme wahr, wie sich ein Schlüssel im Schloss dreht und die Tür aufgemacht wird.

Ich öffne nicht die Augen, habe dazu keine Kraft und keinen Willen mehr, doch anhand der Schritte höre ich, wie meine Mutter ans Bett zur mir kommt.

„Alles gut bei dir oder soll ich dir helfen?"

Mir wird schlecht, als ich das falsche Mitleid in ihrer Stimme höre, und ich will mich übergeben, doch ich stelle mich schlafend und rühre mich kein bisschen, in der Hoffnung, dass sie dann schnell wieder weggeht und mich in Ruhe lässt.

„Schläfst du?", fragt sie weiter und rüttelt mich an der Schulter.

Ein Schmerz zuckt durch meinen Arm und ich will aufschreien, doch ich mache keinen Mucks. Es verlangt mich eine Menge ab, mich nicht zu bewegen, aber schließlich geht mein Plan auf und sie verlässt das Zimmer.

Ich atme schwer. Meine Schulter schmerzt und in meinem Bauch geht es wieder drunter und drüber, sodass ich mich am liebsten übergeben hätte, damit da nichts mehr zum Schmerzen bleibt.

Ich höre, wie sich wieder Schritte mir nähern. Diesmal sind es zwei Paare und das zweite ist deutlich schwerer, als das erste von meiner Mutter.

„Ich weiß nicht, ob sie schläft. Ich hab sie hier so gefunden", meint meine Mutter zu meinem Vater und ich merke, wie sie sich über mich beugt. Ihre Haarspitzen fühlen sich unangenehm auf meiner Haut an, doch ich bleibe dabei, mich schlafend zu stellen.

„Vielleicht haben wir ihr ja zu viel gegeben und jetzt ist sie...also sie wacht nicht mehr auf", gibt mein Vater nachdenklich zu und in mir kocht Wut hoch. Wie können Eltern ihrem Kind Medizin geben, von denen man auch sterben kann?

Meine Mutter bleibt jedoch genauso hart und kalt wie zuvor. „Nein, wir haben alles richtig gemacht. Und wenn sie krank wäre, dann wäre es meine Aufgabe, sie gesund zu pflegen, weil ich ihre Mutter bin!"

In ihrer Stimme liegt so viel Wut, wie ich es noch nicht erlebt habe und ich kann förmlich sehen, wie sie meinen Vater wütend anschaut.

„Mir wäre es trotzdem lieber, wenn wir einen Krankenwagen rufen würden, nur um sicher zu gehen, weißt du?"

Ich bin mir sicher, dass meine Mutter das nie zulassen würde, zumal sie den Schaden ja selber verursacht hat, aber wider meiner Erwartung, sagt sie.

„Vielleicht hast du ja recht, ich schau mal, ob sie noch atmet."

Ich spüre, wie ihre kalten Finger über meine Haut zu meinem Hals streichen. Ich halte meinen Atem so lange an, wie ich kann. Ich kann das sonst so nicht mehr.

„Ich glaube, sie atmet nicht mehr. Ich meine, ihre Brust geht auch nicht hoch und runter. Ich bin wirklich dafür, dass wir einen Krankenwagen rufen", meldet sich mein Vater erneut zu Wort und obwohl er mich festgehalten hat, bin ich ihm gerade dankbar, dass er auf meiner Seite steht und vielleicht doch noch Hoffnung für mich ist.

„Schön",beginnt meine Mutter, „Aber sie darf nicht mit ins Krankenhaus!"

Ich wage es wieder, meine Brust langsam zu heben und zu senken. Meine Lungen brenne und wollen nur noch nach Sauerstoff schnappen, aber ich atme so flach, wie möglich, sodass man kaum erkennen kann, dass ich nach Luft ringe.

Beide verlassen das Zimmer und ich öffne schwach die Augen und blicke an die Decke. Das sterile Weiß bohrt sich in meine Augen, sodass ich geblendet bin, jedoch schließe ich sie nicht wieder, sondern starre weiterhin nach oben.

Mein Bauch tut weh, doch ich nehme den Schmerz schon gar nicht mehr war. Ich beginne wieder zu zittern und die kleinen Härchen an meinen Armen stellen sich senkrecht auf. Ich schaudere und es läuft mir kalt den Rücken herunter.

Ich schließe meine Augen und tue so, als würde ich schlafen, weil sie zurückgekommen sind.

Mein Schädel dröhnt und ich bekomme nichts mehr mit. Blut rauscht in meinen Ohren und ich will aufstehen und wegrennen, doch ich bleibe nur ruhig liegen und lausche unbemerkt dem Gespräch, das sie jetzt führen.

„Und wie willst du die Nadel in ihrem Hals erklären? Hm?!", das ist meine Mutter. Unverkennbar ist sie wütend und ist anscheinend ganz und gar nicht mit der Situation zufrieden.

„Keine Ahnung, aber ewig hätte sie auch nicht in Neles Hals bleiben können!", mein Vater ist ebenso wütend und erzürnt.

Die streitenden Stimmen sind viel zu laut und ich will sie zum Schweigen bringen, doch ich kann mich nicht mehr bewegen. Die Welt dreht sich vor meiner Sicht und ich sehe Sterne und Galaxien in allen möglichen Farben und Formen.

Wieder tut das Atmen weh und ich kann nur hoffen, dass die Rettungskräfte so schnell wie möglich kommen, weil ich echt Angst habe, zu sterben und das will ich im Moment nicht unbedingt.

Ich kann spüren, wie etwas Luft an meinem Hals vorbei streicht und weiß sofort, dass doch ein Teil der Luftröhre beschädigt wurde. Ich habe Angst.

Sorgen (ASDS/Auf Streife - Die Spezialisten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt