Am nächsten Morgen weckte mich ein Sonnenstrahl, der sich einen Weg durch mein Zimmer bahnte. Ich genoss den Moment und sah den Staub in der Luft aufwirbeln.
Leider wurde dieser Augenblick von einem lauten Klopfen zunichte gemacht.
Meine Mutter kommt ins Zimmer. Kurz blickt sie mich an, dann den Schriftzug an der Wand und schon schreit sie wieder los. „Was fällt dir ein, solche Sachen an unsere Wand zu schmieren!"
Ich richtete mich gespielt langsam auf und streckte mich erst einmal. Provozierte sie mit Absicht so weit, dass ich sagte „Geschieht euch recht"
Das dies eine schlechte Entscheidung war, hätte mir eigentlich schon von vornherein bewusst sein müssen, doch ich hatte es trotzdem gesagt.
Meine Mutter packte mich an den Haaren und zerrte mich an ihnen aus dem Bett hinaus ins Badezimmer, wo sie mich hart mit dem Kinn auf das Porzellanwaschbecken fallen ließ.
Meine Zähne schlugen hart aufeinander, ich biss mir in die Wange und mein Kinn begann zu bluten.
Von dem metallischen Geschmack in meinem Mund wurde mir schlecht, sodass ich mich noch kurz hoch wuchtete und mich dann über den Rand des Waschbeckens übergab, der hellrot von meinem Blut gefärbt war. Dann breche ich wieder auf dem Boden zusammen.
„Das mir so etwas nicht wieder vorkommt!", schreit sie weiter und lässt mich alleine blutend auf dem Boden liegen. Während sie hinaus geht, tritt sie mit dem Absatz ihrer Schuhe auf meine Hand und sagt nur „Das tut mir aber leid"
Wütend starre ich ihr hinterher und hoffe, dass sie die steinerne Treppe hinunterfällt, die sie gerade betreten hat.
Ich taste vorsichtig mit meiner Hand mein Kinn ab und merke, dass die Wunde etwas kleiner ist als erwartet. Trotz der Schmerzen in der Hand halte ich mich, so gut es geht, am Waschbeckenrand fest und ziehe mich mühsam hoch.
Ich blicke in den Spiegel und sehe mich selbst angewidert an. Das Blut vom Kinn und der Wange hat sich weiter über meinen Mund und Hals verteilt, sodass es nun auch in den Spitzen meinen hellbraunen Haares zu finden ist.
Ich begutachte meine Hand. Der Zeigefinger und Mittelfinger sind etwas blau angelaufen, aber nach ein paar schmerzhaften Versuchen sie zu bewegen, stelle ich fest, dass sie auch gebrochen sein könnten.
Ich nehme mir eines der Taschentücher, die in der Box stehen, und halte es gegen mein blutendes Kinn und gehe zurück in mein Zimmer. Nun sieht die Wand doch nicht mehr so nach Hoffnung aus. Ich lasse mich auf mein Bett sinken. Ich verstehe nicht, warum sich meine Eltern plötzlich so verändert haben, so waren sie doch früher nicht gewesen. Ja, ehrgeizig und siegessicher schon, aber gewalttätig? Nein, das war erst seit meinem kleinen Ausflug geschehen.
Ich schaue aus dem Fenster. Die Sonne, die vor ein paar Minuten noch geschienen hatte, war nun von dicken Gewitterwolken verdeckt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehe ich, wie sich einer unserer Nachbarn angeregt mit der Polizei unterhält und dabei immer wieder auf das danebenliegende Grundstück weist. Anscheinend hatten die beiden wieder Streit gehabt, wessen Blätter nun bei wem auf dem Grundstück lagen.
Die Polizisten sahen belustigt drein. Sie waren es wohl nicht gewohnt wegen solchen Lappalien gerufen zu werden.
Ich denke wieder an meine Eltern und wie meine Mutter mich gegen das Waschbecken hat knallen lassen.
Ich könnte das Fenster aufreißen und um Hilfe schreien, könnte unter Umständen sogar springen, ist eben nur der zweite Stock. Danach könnte ich zu ihnen laufen und erzählen, was alles passiert ist, und dass es mir so nicht gut geht, könnte dann eine Aussage gegen sie machen und sie anzeigen, könnte in eine Pflegefamilie können und ein normales Leben haben. Ich könnte...
„Nele!", höre ich meinen Vater von unten schreien, „Komm sofort nach unten!"
Ich schaue noch einmal aus dem Fenster zu den Polizisten, die gerade versuchen den Nachbarn zu besänftigen und gehe dann langsam die Treppe hinunter, darauf bedacht, keine blutigen Spuren zu hinterlassen.
Auf dem Tisch in der Küche stehen ein Glas Wasser und zwei weiße Tabletten.
„Hier", mein Vater hält mir das Glas Wasser hin, „Trink das und schluck' die Tabletten"
„Warum?", frage ich und betrachte das Glas misstrauisch. Mittlerweile traue ich den beiden alles zu.
„Wir haben unsere Gründe", antwortet er etwas lauter und energischer, als vorher.
Trotzdem lasse ich nicht ab und hake weiter nach. „Was ist das denn?"
„Das kann dir egal sein, du bist nicht zum Denken gemacht worden!"
Ich will das nicht trinken! Ich nehme die weißen Tabletten und lege sie mir auf die Zunge. Augenblicklich wird mein Mund trocken. Mir steigen die Tränen hoch und ich setzte mit zitternden Händen das Glas an die Lippen und lasse die Flüssigkeit langsam den Rachen hinuntergleiten.
In dem Wasser muss etwas anderes noch enthalten sein, denn es schmeckt bitterer als normales Wasser, das aus der Leitung kommt.
„Und jetzt geh wieder auf dein Zimmer", fährt mich mein Vater harsch ein.
Ich steige die Treppe hoch und gehe ins Bad. Ich will so schnell wie möglich die Drogen oder was das auch immer ist, aus meinem Körper bekommen. Ich schließe leise die Tür hinter mir. Ich möchte nicht, dass meine Eltern mitbekommen, dass ich mich übergebe. Wie viel sie mich wohl zwingen würden von diesem Zeug zu nehmen.
Ich schmeiße das nun tiefrote Taschentuch von meinem Kinn in den Mülleimer und nehme mir ein Frisches.
Ich hole noch einmal tief Luft, dann beuge ich mich über den Rand der Toilettenschüssel und stecke mir einen Finger in den Rachen.
Erst kommt nichts, doch als ich es nochmal versuche, erbricht sich ein Schwall aus Blut, Kotze und Magensäure in die Schüssel. Es war lauter als gedacht und ich hoffe inständig, dass man es unten nicht hören konnte.
Noch einmal würge ich etwas hervor. Dann richte ich mich auf und spüle. Gurgelnd wird mein Mageninhalt weggewischt. Ich gehe an den Badezimmerschrank und hole Zweierlei hervor. Einmal eine Kohletablette, die eigentlich gegen Vergiftungen ist und das Gift binden soll, damit es nicht ins Blut kommt. Ich lese gar nicht erst die Packungsbeilage, sondern drücke gleich das pechschwarze Mittel aus dem Blister.
Das zweite Sache, die ich aus dem Schrank nehme, sind 400mg Ibuprofen gegen die Schmerzen in meiner Hand, die mittlerweile zugenommen haben. Ich schlucke die hellblaue Tablette ohne Wasser hinunter und gehe wieder zurück in mein Zimmer.
Ich lege mich wieder aufs Bett und schließe die Augen und frage mich im Stillen, Warum ich?
Wie gefällt euch die Geschichte bisher? Ich würde mich sehr über ein wenig Feedback freuen! :)
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Sorgen (ASDS/Auf Streife - Die Spezialisten)
FanficNele ist 15 Jahre alt und ihre Eltern sorgen sich (zu) viel um sie. Sie steht ständig unter Beobachtung von ihnen und wird abhängig gemacht von ihnen... Durch einen Zufall lernt sie die Spezialisten kennen, die ihr Leben verändern werden... {medium...