Kapitel 32

1.2K 38 4
                                    

Ich weiß nicht wie genau ich vom Boden auf die Bühne gekommen bin, doch ich meine mich vage zu erinnern, dass man mich mühsam eine Treppe herunter, wieder herauf, einen Flur entlang und hinter einen Vorhang gezerrt hat. Im Prinzip spielt es auch keine Rolle, was passiert ist, nur, dass ich jetzt hinter einem tiefroten Vorhang hinter einer Bühne zitternd stehe, auf der Frauen für Geld sich an einer Stange rakeln und eventuell zum Sex gezwungen werden.

Seitdem man mich geschlagen hat, sehe ich nur noch auf einem Auge alles, das andere ist mittlerweile zugeschwollen und den heftigen Schmerzen nach zu urteilen dick und blau. Auf meinen Handflächen und meiner Stirn hat sich kalter Schweiß gebildet, der mir in die Augen läuft und meine Finger rutschig macht, sodass ich mich noch nicht einmal an dem Metallgeländer hilfesuchend festhalten kann.

Panisch versuche ich jetzt meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Das letzte, was jetzt passieren soll, ist, dass ich ohnmächtig werde, man weiß Gott was mit mir anstellt und ich mich an sich erinnern kann und nur die Schmerzen die einzigen Zeugen sind.

Musik dröhnt aus Boxen auf der Bühne und ihre stetige Basslinie hämmert hart gegen die Innenseite meines Kopfes, sodass mir wieder schlecht wird. Am liebsten wäre ich einfach auf dem Fußboden des Badezimmers geblieben und hätte den Spinnen dabei beobachtet, wie sie ein Netz machen, doch der ekelige Mann, der mich beim Telefonieren erwischt hat, hat mich gleich raus gezerrt und mich hierhin gebracht.

Meine Lider fallen automatisch zu. Ich kann nichts dagegen unternehmen, so müde und ausgelaugt bin ich. Die Musik, das Pochen in meiner Wange, meinem Bauch, meinem Rücken und meine Müdigkeit wiegen mich in einen sachten, von seltsamen Bildern durchzogenen Schlaf.

Das nächste, an das ich mich später erinnern werde, ist wieder der ekelhafte Typ, der mich von schreienden Handys aus meinem Traum wegzieht und mich auf die mit Scheinwerfern ausgeleuchtete Bühne schiebt.

„Du bist jetzt dran, los, los, los, mach was", fährt er mich scharf an und hebt drohend seine Hand. Ich bin mir sicher, dass er weiß, dass ich nach einem weiteren Schlag endgültig aus dem Rennen wäre.

„Aber, ich – ich weiß nicht, was ich tun soll", stammele ich noch, doch schon werde ich von rotem Licht bescheint und meine Augen wandern über ein Meer von gierigen Blicken, die mich jetzt schon mit ihren boshaften und fantasierenden Mienen ficken. Ekelhaft.

In der Mitte der Bühne ist eine Stange, an der gerade eine Frau herunterrutscht. Tracy.

Elegant und Hüfte schwingend stolziert sie an mir vorbei und flüstert, „Spiel einfach mit und tu so, als ob es dir gefallen würde, ich tu dir wirklich nicht weh."

So tun, als ob es mir gefallen würde? Was denkt sie denn eigentlich, was los ist? Dass ich auf einem Kindergeburtstag bin und mir der Kuchen nicht schmeckt, oder wie? Doch mir blieb keine weitere Zeit nachzudenken, denn schon fühle ich ihren vor Anstrengung heißen Atem an meinem Nacken und rieche den Schweiß auf ihrer Haut.

„Tu so, als ob es dir gefällt", murmelt sie mir wieder zu und ich versuche mich auf ihre Bewegungen zu konzentrieren. Im Publikum fangen immer mehr Männer an, zu pfeifen und zu johlen. Unmerklich nehme ich war, wie Münzen vor mir auf den Boden geworfen werden und kreiselnd zum Liegen kommen.

„Du, Kleine hier. Wie alt bist'n du eigentlich?", ruft ein fetter Mann über die Musik hinweg zu mir zu. Sein grinsendes Gesicht sieht für mich eher wie eine Fratze aus und ich blicke mich hilfesuchend zu Tracy um, die für die ersten Reihen eine Show abliefert.

Ich merke, wie ich mich seitdem ich auf die Bühne gekommen bin, noch keinen Zentimeter vom Fleck bewegt habe. „Jetzt beweg dich mal, du Schlampe", ruft jemand anderes, der in der Dunkelheit vom Zuschauerraum verschluckt wird.

Zögerlich beginne ich, mich zu bewegen. Erst langsam und mechanisch, dann kreisender, versuche ich, meinen Körper zu präsentieren. Das Johlen schwillt an und geht in der Musik und meinem kochenden und rauschenden Blut in meinen Ohren unter, sodass alles nur noch zu viel ist.

Ich beginne zu weinen. Hoffentlich werden die Tränen, die über meine Wangen laufen als Schweiß gedeutet. Ich will nicht schwach wirken, weil ich mir sicher bin, dass man dann auf noch widerlichere Gedanken kommen kann.

„Jetzt sag doch ma', wie alt bist'n du ?", ertönt wieder die Stimme des fetten Mannes.

„Ich – fünfzehn", murmele ich, hoffe, bete, das er es nicht gehört hat, doch vergebends. Jetzt Grinsen wird umso breiter und die Schatten, die das Licht wirft, machen ihn zu einer Art Psychopathen. Ich habe nur noch Angst. Vielleicht, wenn ich ganz viel Glück habe, läuft das Telefonat mit der Polizei noch und sie konnten mich orten und...und.

Ich werde von der Bühne gezerrt. Es ist der Zuhälter von eben. Er scheint sich köstlich zu amüsieren, neben ihm der Pädophile von eben.

„Wirklich gut tanzen kannst du ja nicht, da müssen wir später noch mal beigehen", er verstellt seine Stimme zu die des gutmütigenden Onkels, der einen wieder aufmuntern will, „Aber für das was mein gut zahlender Kunde hier bietet, brauchst du zum Glück nicht einmal was zu tun."

Mein Herz sackt mir in die Hose, fällt unten am Saum heraus und zerschellt auf dem Boden des Bordells, vor den Füßen der ekelhaftesten Menschen, die ich kenne.

Nicht schon wieder, denke ich. Nicht schon wieder will ich Hände auf meinem Körper spüren, die nicht Meine sind, die mich an Stellen berühren, die nur mir gehören und mir auf eine Art und Weise weh tun, dass man nur noch tot sein will.

„Einfach da den Gang runter und eine nette Kammer aussuchen", lächelt der Zuhälter mir erbost zu. Ich schlucke hart und meine Kehle schnürt sich augenblicklich zu, sodass ich keine Luft mehr bekomme.

„Komm' mit", der Fette packt mich am Oberarm und zieht mich mit sich, „Du gehörst mir die ganze nächste halbe Stunde."

Ich will schreien und stecke mir die geschlossene Faust in den Mund, damit ich nicht laut losheule.

Er zieht mich in ein Badezimmer. Ich wehre mich, will nicht, wofür er bezahlt hat, versuche mich, aus seinem Griff zu wenden und zu zerren.

„Lass das, du Schlampe. Ich habe für dich bezahlt, du gehörst mir, verdammt noch mal", schreit er wütend und knallt mich hart mit dem Kopf gegen ein Waschbecken.

Zum zweiten Mal in einer Stunde habe ich das Gefühl, als würde mein Kopf in zwei Hälften gespaltet werden, als ich auf der Kante aufkomme und zu Boden sinke. Blut rinnt durch mein braunes Haar und tropft dick auf den Boden, wo es dunkelrote Flecken, wie Farbkleckse hinterlässt.

„Nekrophilie mit Kindern macht mir besonders Spaß", lacht er sich einen ab und bringt meinen kraftlosen Körper zwischen zwei Toilettenkabinen in der Ecke in Position. Mein Sichtfeld ist ganz klein und nur noch vage und vollkommen betäubt nehme ich wahr, wie er sich die Hose hinunterzieht und seine Hände mit den dicken Wurstfingern an meinen Brüsten entlangstreichen.  

Sorgen (ASDS/Auf Streife - Die Spezialisten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt